..sunlight to the sinners..

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Ein dumpfes Geräusch und ein kurz darauf ertönendes Maunzen wecken mich am nächsten Morgen aus meinem Dornröschenschlaf und als ich zögernd meine Augen öffne, sitzt ein kleiner schwarzer Fellball auf meinem Bauch. "Wer bist du denn?", frage ich mit heiserer Stimme und streichle dem Kätzchen über den Kopf, was es sichtlich zu genießen scheint. Es schnurrt leise und legt sich einmal quer auf meinen Körper, was mich zum schmunzeln bringt. "Guten Morgen, Kleines. Wie ich sehe, hast du mit Lady Nïn bereits Bekanntschaft geschlossen." - Wil kommt die Treppe nach unten und sieht unfassbar gut aus. Adrett angezogen im weißen Hemd mit dunkler Hose, die von Hosenträgern gehalten wird, was den Look komplettiert. "Sieht so aus. Guten Morgen.", murmel ich und widme meine Aufmerksamkeit wieder der Miez.

Wil schiebt währenddessen die schweren Vorhänge am Fenster zur Seite und lässt das gleißende Licht der strahlenden Sonne in das vorher noch dunkle Wohnzimmer. Ich muss kurzzeitig die Augen zusammenkneifen, um mich an die Helligkeit zu gewöhnen und weiß auch nicht so recht, warum ich so lichtscheu zu sein scheine. War das schon immer so oder ist das dem gestrigen Abend geschuldet? Denn jetzt merke ich erst einmal wie sehr mir der Schädel hämmert. "Hier. Das wirst du sicherlich brauchen.", meint Wil und bringt mir ein Glas Wasser und eine Schmerztablette. Kann er Gedanken lesen? "K-kannst du Gedanken lesen?", spreche ich meine Annahme aus, als ich das Glas und die Tablette in Empfang nehme. "Nicht wirklich. Ich weiß nur, wie man sich fühlen kann, nach einer solchen Nacht."

Unbeeindruckt läuft er in Richtung Küche und setzt eine Kanne Kaffee an. Danach beginnt er damit das Futter für Lady Nïn vorzubereiten. Sofort springt das schwarze Wesen von mir herunter und reibt sich an Wils Hosenbeinen, bis er ihr den Napf vor die Nase setzt und sie ihr Frühstück genießen kann. Ich beobachte das Szenario und vergesse dabei beinahe, dass ich ja die Tablette nehmen wollte. Also schlucke ich das Teil schnell hinter und spüle mit dem Wasser nach, nur um gleich meinen Blick wieder zu Wil und Lady Nïn schweifen zu lassen. Wie er das kleine Geschöpf so ansieht, wird mir ganz warm ums Herz. Ein Mensch, der sein Haustier so liebevoll ansieht und behandelt, kann doch nur gut sein. Oder?

"Hast du denn gut geschlafen?", beginnt Wil ein Gespräch und reißt mich aus meiner Gedankenblase. "Äh, jaa. Deine Couch ist echt bequem.", antworte ich verlegen und schlage nun endlich die Decke zur Seite, um aufzustehen. "Ich weiß. Freut mich, dass sie dir zugesagt hat." - Wil nimmt zwei Tassen aus dem Schrank und füllt in jede von ihnen einige Schlucke des frischgebrühten Kaffees. "Milch? Zucker?", fragt er ohne mich anzusehen. "Beides, bitte." - "Eine Süße also." - Ohne sein Gesicht zu sehen könnte ich schwören, dass er bei diesem Satz gegrinst hat! Und ich bin jetzt sicherlich wieder rot, wie eine Tomate. Ein Glück schaut er mich gerade nicht an. Ich sage nichts weiter dazu und laufe stattdessen zu ihm in die halboffene Küche.

"Hier.", sagt er und drückt mir die Kaffeetasse in die Hand. "Danke." - "Wenn du möchtest kannst du mir ja auf der Veranda ein wenig Gesellschaft leisten." - Wil öffnet die Glastür und geht vor. Ich laufe langsam, barfuß hinterher. Draußen ist es ziemlich kalt, weswegen ich mit meinen nackten Füßen lieber auf dem Türvorleger stehen bleibe. Wil schiebt sich eine Zigarette zwischen seine Lippen und schaut mich fragend an. "Nein.. ich lieber nicht.", verneine ich die wortlos gestellte Frage, ob ich ebenfalls eine Rauchen möchte. Wil zieht seine Hand mit dem geöffnet Zigarettenetui also zurück und steckt die silberne Hülle wieder in die Hosentasche. "Ganz schön kalt, hm?", meint Wil und sein Blick fällt dabei auf meinen Busen. Durch die Novemberkälte sind meine Nippel hart geworden und stechen nun durch das weiße Hemd ziemlich durch, da ich auch keinen BH darunter trage. Der wäre in der Nacht schließlich nur lästig gewesen. Sofort verschränke ich meine Arme vor der Brust und Wil muss nur belustigt schmunzeln. Ich hingegen finde es weniger witzig und versteinere fast vor Peinlichkeit.

Schweigend stehen wir nun nebeneinander und nippen abwechselnd an unseren Kaffeetassen, bis Wil ein weiteres Gespräch beginnt. "Ich habe dir frische Wäsche rausgelegt und deine andere in einer kleinen Tasche verstaut. Du kannst dich dann also duschen gehen." - Ist das ein Wink mit dem Zaunspfahl, dass ich stinke und furchtbar aussehe? Vielen Dank. Das weiß ich auch, ohne dass ich in den Spiegel gesehen oder an mir gerochen habe. Und wie lange ist er bitteschön schon wach? Und ähm.. hat er mir beim Schlafen zu gesehen? Das wäre unheimlich. "Danke.", bringe ich nur hervor und denke lieber nicht weiter darüber nach. Auch nicht darüber,  warum Wil offensichtlich Frauenkleidung in seinem Haus zur Verfügung hat. Ich will gar nicht wissen, wie viele Weiber er wohl schon abgeschleppt hat, die dann irgendwelche Klamotten bei ihm vergessen haben, die er mir nun andreht.

Um nicht komplett wahnsinnig zu werden, weil sich mein Kopf gerade die verrücktesten Fantasien zusammenspinnt, gehe ich wieder nach drinnen und schnappe mir die zurechgelegten Kleidungsstücke. Gleich darauf verschwinde ich im Badezimmer und gönne mir eine warme Dusche. Während ich mich einseife muss ich ein paar Mal tief durchatmen. Wo zur Hölle bin ich hier eigentlich gelandet? Es fühlt sich irgendwie an, wie ein falscher Film. Langsam wasche ich mir alle Duschgelreste von meinem Körper, trockne mich ab und ziehe mich an. Eine Panty, eine schlichte schwarze Hose und ein schwarzes Top mit Rundhalsausschnitt. Ich betrachte mich im Spiegel und muss feststellen, dass ich mich über die Auswahl nicht beschweren kann. Also hübsche ich mich noch ein wenig auf, föhne mir die Haare und laufe zurück ins Wohnzimmer.

"Freut mich, dass es passt.", meint Wil, der gerade eine Schüssel mit Müsli füllt. "Ja, freut mich auch.", sage ich und ringe mir ein Lächeln ab. "Du solltest etwas essen, bevor du heimwärts fährst." - Er stellt die Müslischüssel auf dem Küchentisch ab und bittet mich Platz zu nehmen. Oh, er will mich also loswerden? Kommt denn dann noch eine andere, für die ich den Platz räumen muss? In mir steigt ein Anflug von Eifersucht auf, die ja aber eigentlich völlig unbegründet ist. Es ist schließlich nichts gelaufen. Zumindest nicht wirklich und er ist weder mein Partner noch eine tatsächliche Liebelei. Trotzdem brodelt es in mir, wenn ich darüber fantasiere, wie eine andere Frau ihn berührt. Was ist denn nur los mit mir? Wie schafft es dieser Mann mich so um den eigenen Verstand zu bringen? Ich setze mich an den Küchentisch und löffel die in Milch getränkte Getreideflockenmischung, während Wil irgendwas im Wohnzimmer rumwerkelt. Er scheint etwas zu schreiben, aber weil ich nicht zu aufdringlich wirken will, versuche ich meinen Blick starr auf die Schüssel zu halten.

Plötzlich klingelt es an der Tür und Wil eilt sofort in Richtung Hauseingang. Er bespricht etwas mit einem Herren, so viel kann ich vernehmen. Dann ruft er mich. "Rebecca, bist du soweit?" - "Uhm, ja.", antworte ich und schlürfe den letzten Rest der Milch aus. "Das trifft sich gut. Dein Taxi wartet." - Er hat ein Taxi bestellt? Schon wieder?! Ich stelle die Schüssel auf dem Tisch ab. Schnappe mir meine eigene Handtasche und die, die Wil mir mit meinen Klamotten zusammengepackt hat, werfe mir dann meine Lederjacke über und verabschiede mich von Lady Nïn, die mich zum Dank noch einmal anschnurrt. "Dann.. Dankeschön.", sage ich schüchtern und setze zu einer Umarmung an, die Wil jedoch nicht erwidert. "Kein Problem. Komm' gut heim und pass' auf dich auf. Jetzt kann ich dir schließlich nicht mehr zur Seite stehen." - "Schade eigentlich..", nuschle ich. "Wie war das?" - "Ach, nichts.", rede ich mich schnell aus der Situation. "Wie gesagt. Danke, nochmal. Vielleicht sieht man sich ja mal wieder?" - "Vielleicht." - Dieses eine Wort gibt mir Hoffnung auf ein Wiedersehen und lässt mich heute zum ersten Mal Wil gegenüber ehrlich lächeln.

Ich laufe nun also zum Taxi und steige vorn auf dem Beifahrersitz ein. "Der Typ hat Sie ganz schön abblitzen lassen, nicht wahr?", meint der Taxifahrer dann, nachdem ich ihm meine Adresse angesagt habe. Es ist ein älterer Herr mit Baskenmütze und einem grauen Schnäuzer und er erwartet offensichtlich eine Antwort. "Ja. Nein. Kann sein.", meine ich knapp. "Immerhin hat er Ihnen die Fahrt bezahlt. Er ist wohl also wenigstens in dieser Hinsicht ein Gentleman." Er hat was? Wow. Damit hätte ich nicht gerechnet. Ich war fest davon überzeugt, dass ich dann nach drinnen rennen muss, um das Restbargeld aus meiner Kassette zu kratzen. Denn Zuhause habe ich immer einen Notfallgroschen. "Ist er wohl." - Ich muss ein wenig schmunzeln. Wirklich egal kann ich ihm doch nicht sein, wenn er mir das Taxi bezahlt. Richtig? Oder hat er es nur gemacht, um mich endlich loszuwerden? Ich weiß es nicht. Es interessiert mich aber gerade auch nicht. Ich freue mich gerade schließlich immer noch über das 'Vielleicht' und grinse vor mich hin. Dieses Grinsen verliere ich auch nicht, bis ich etwa 40 Minuten später vor dem Mehrfamilienhaus stehe, in dem sich meine Mietwohnung befindet.

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