..stand the rain..

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Es ist Freitag, später Nachmittag und ich bin auf dem Weg zu mir Nachhause. Arbeit war heute besonders stressig, weswegen ich ziemlich geschafft bin. Von draußen prasselt der Regen an die Fensterscheiben des Busses und lässt die Lichter der Straßen vor meinen Augen verschwimmen, was unglaublich interessante Muster erzeugt. Wieder halte ich den kleinen, mittlerweile schon völlig zerknitterten Notizzettel zwischen meinen Fingern und traue mich gar nicht mir die Schrift noch einmal genau anzusehen.

Als am Sonntag das Taxi losfuhr hatte ich neugierig einen verstohlenen Blick auf das Navigationsgerät geworfen und mir heimlich Wils Adresse vermerkt. Das mag für den ein oder anderen Außenstehenden sicherlich so wirken, als wäre ich eine kranke Stalkerin und vielleicht ist es auch irgendwie gruselig. Keine Ahnung. Aber in dem Moment, in dem ich den Entschluss gefasst hatte und die Adresse notierte, ging es mir tatsächlich eher darum, irgendwann die Klamotten ihrem rechtmäßigen Besitzer zurück zu geben. Schließlich will ich nicht ewig auf Dingen sitzen bleiben, die mir gar nicht gehören und ich musste dafür ja aber wissen, wo ich sie hinbringen müsste.

Ich hatte überlegt Wil die Kleidungsstücke per Post zu schicken. Dafür hätte ich auch sicherlich ein paar hübsche Zeilen aufgeschrieben und dann eben ein kleines Paket fertiggemacht. Doch mit der Zeit entwickelte sich der Wunsch in mir, lieber doch persönlich vorbei zu fahren und ihn mit meiner Anwesenheit zu überraschen. Ob er sich darüber aber überhaupt freuen würde? Vielleicht würde ich ihn mit meinem Besuch überrumpeln oder ihn in einer prekären Situation antreffen. Mit irgendeiner anderen. Oder seine eigene Ehefrau öffnet mir die Türe. Was weiß ich schon? Von ihm so gut wie nichts. Nichts außer Name und Adresse, wenn ich ganz ehrlich bin. Dieser Typ ist ein wahres Mysterium und geht mir einfach nicht mehr aus dem Kopf.

Es wäre furchtbar zu erfahren, dass er verheiratet ist. Eigentlich total bescheuert, aber es würde mir wohl wirklich irgendwie das Herz brechen und ich wüsste nicht, ob ich mit dieser Art von 'Abfuhr' zurechtkommen würde. Schließlich muss ich seit fast einer Woche beinahe ununterbrochen an ihn denken. Immer wieder stelle ich mir vor, wie es wohl gelaufen wäre, wenn wir in dieser Nacht doch intimer geworden wären. Nur allzu gern hätte ich ihn geküsst. Manchmal frage ich mich, warum ich seine Lippen so sehr auf den meinen vermisse, obwohl sie sich nie berührt haben. Ich verstehe die ganze Sache einfach nicht und fühle mich, als würde ich schon bald den Verstand verlieren.

"Endstation!", dröhnt es aus den Lautsprechern des Busses und ich schwinge vom Sitz nach oben um auszusteigen. Schnell stelle ich mich beim gläsernen Haltestellenhäuschen unter und starre auf das Post-it in meiner Hand. Nur noch wenige Meter bis zu meiner Wohnung. Ich könnte also die Klamotten holen und mich mit dem nächsten Bus zu Wil begeben. Ich könnte aber auch einfach in meiner Wohnung ein entspannendes Bad nehmen, um den stressigen Arbeitstag zu vergessen. Das kann ich Zuhause ja immer noch entscheiden, denke ich. Wenn ich jedoch ehrlich zu mir selbst bin, habe ich schon längst einen Entschluss gefasst.

Ich sprinte also die Treppen nach oben, schließe die Wohnungstür auf, greife nach der kleinen Tasche, in der ich die frisch gewaschenen Klamotten bereits sorgfältig verstaut habe und renne dann wieder nach draußen. Der Himmel weint Bäche, weswegen ich mich beeile, um schnellstmöglich wieder unter der Überdachung zu stehen. Als nach einigen Minuten der nächste Bus anfährt, steigt Nervosität in mir auf, welche von Haltepunkt zu Haltepunkt schlimmer wird. Einen Umstieg und exakt 74 Minuten Fahrzeit später stehe ich an der Haltestelle, von der es nur noch wenige Minuten Fußweg dauert, bis ich vor Wils Haus stehe. Noch immer regnet es wie aus Kübeln und während des kurzen Laufes bin ich bereits komplett durchgeweicht. Ich hätte für diesen Besuch auf schöneres Wetter warten sollen.

Tropfend nass stehe ich nun also vor der Eingangstür und zögere. Mit zitternder Hand klopfe ich leise an und warte. Nichts. Mutiger geworden schlage ich erneut meine Knöchel der rechten Hand gegen das massive Holz, was mir Erfolg einbringt. „Rebecca?" - Wil sieht mich ungläubig an und zieht dabei eine Augenbraue nach oben, als er mir die Tür öffnet. „Warum klingelst du nicht?" - Er erinnert sich an meinen Namen! Meine innere Göttin führt einen kleinen Freudentanz auf, während ich mit versteinerter Miene wortlos, mit den Schultern zucke und die Tasche in Wils Richtung halte. „Ich wollte das nur zurückbringen.", sage ich schüchtern, ein wenig aus dem Kontext gerissen, und erwarte, dass er sein Zeug in Empfang nimmt und mich gleich darauf mit billigen Worten abserviert. „Du bist klitschnass. Komm' rein, Kleines." - Er kommt gar nicht auf die Idee mir die Tasche abzunehmen. Stattdessen zieht er mich zu sich nach drinnen ins Warme. Sofort überkommt mich ein wohliger Schauer.

„Ich werde die hier über die Badheizung hängen.", meint Wil und nimmt mir meine nasse Strickjacke ab. Nachdem ich meine Füße von den triefenden Schuhen befreit habe laufe ich in Richtung der gemusterten Couch. Sofort begrüßt mich Lady Nïn und reibt sich an meinen Beinen. „Sie scheint dich vermisst zu haben. Du hast offensichtlich einen guten Eindruck hinterlassen.", kommentiert Wil das Geschehen, als er ins Wohnzimmer zurückkehrt und schmunzelt. 'Hab ich das denn bei dir auch?', würde ich am liebsten fragen, verkneife es mir dann aber doch. „Das freut mich. Hallo, Süße.", begrüße ich die schwarze Fellnase nun auch, gehe in die Hocke und streichle ihr zart über den Kopf. „Es wundert mich, dass du hergekommen bist. Du scheinst ein gutes Gedächtnis zu haben, wenn du dir den Weg gemerkt hast." - „Ich habe geschummelt. Also ein bisschen.", gebe ich ehrlich zu und halte verschämt den zerknitterten und nunmehr auch, durch den Regen, aufgeweichten Zettel nach oben. „Welch' kluges Kind.", lacht Wil und verschwindet in die Küche. „Einen Tee?", fragt er fürsorglich. „Gerne!"

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