Kapitel 6:
ca. 1 Jahr zuvor:
Etwas angeschlagen schloss ich die Tür zu unserer Wohnung auf und hing den Schlüssel an die Wand. Meine Jacke landete auf dem Boden und meine Schuhe direkt daneben.
Schlimmer konnte der Tag ja gar nicht werden.
Ich trat ins Wohnzimmer und suchte kurz den Raum ab.
„Thomas?“ rief ich in die Stille, bekam aber keine Antwort. Er war wohl nicht zu Hause.
Naja eigentlich war es ja auch egal. Ich würde eben unter die Dusche springen und ins Bett gehen. Und diesen ganzen Vorfall vergessen.
Ich ging ins Bad und schnappte mir das letzte Handtuch aus dem Regal. Nicht so wie Thomas, der immer noch nicht die Tür hinter sich zu schloss, drehte ich einmal den Schlüssel und ließ dann meine Klamotten auf den Boden fallen. Das pinke Kleid schob ich dann mit dem Fuß neben den Wäschekorb und und stieg dann vorsichtig in die Wanne. Obwohl ich nur drei Gläser Wein intus hatte, spürte ich dennoch ein kleines Schwindelgefühl.
„Reiß dich zusammen, Emilia...“ sagte ich zu mir selber und hielt mich an der Halterung fest.
Bevor ich das Wasser aber aufdrehte, zog ich noch meine kleinen Ohrstecker aus und legte sie beiseite. Danach kam der silbrige Armreif.
Das Wasser wurde zum Glück schnell warm und ich blieb einige Momente genussvoll unter dem wohligen Strahl bewegungslos stehen. Die Gedanken an Henry verflogen und ich konnte mich, zum ersten Mal an diesem Tag, richtig entspannen. Was hatte dieser Tag auch nur Ärger mit sich gebracht...
Klack machte es außerhalb des Badezimmers und ich horchte auf. War Thomas nach Hause gekommen?
Wie auf Kommando hörte ich ihn meinen Namen rufen und atmete erleichtert aus. Gott sei Dank war er jetzt hier!
„Ich bin in der Dusche! Ich komme gleich raus!“ rief ich zurück und suchte mein Shampoo zwischen Thomas unzähligen Pflegeprodukten heraus. Ich stellte die Dusche ab und quetschte eine handflächengroße Masse in meine Hand und patsche sie dann in meine nassen Haare und über meinen Körper. Irgendwann war mir das gründliche Waschen egal und ich wusch mich nur noch schnell ab. Ich wollte unbedingt wissen, was Thomas dazu sagen würde!
Das Handtuch um mich gewickelt und mit meinen weißen Schlappen an den Füßen, huschte ich aus dem Bad in mein Zimmer und zog noch wenigstens ein Höschen an. Der Rest war mir egal und ich hastete zurück in den Flur und ins Wohnzimmer.
Dort stand Thomas schon mit einem Sixpack Bier auf dem Tisch und einer großen Tüte vom Bäcker in der Hand.
„Du weißt es schon?“ fragte ich unsicher und ließ mich erst mal von ihm mitfühlend in den Arm ziehen.
„Ja. Henry hat mich eben angerufen und es mir erzählt. Da fiel mir nur eine Lösung ein...“
Eine Hand ließ er auf meiner Schulter und wies mit der anderen auf die Flaschen.
„Ich kam aber nicht ohnehin, vorher noch bei ihm vorbei zu schauen und ihm eine zu verpassen.“
Zwischen einem Lächeln und aufkommenden Tränen, presste ich mein Gesicht an seine Brust und schniefte ein Danke hervor.
Wie immer war er das Beste was mir je passiert war.
„Ich selbst kann es nicht fassen dass er dich betrogen hat...“ Er schob mich ein wenig zurück und sah mir dann in meine Augen. „Aber das wird er bereuen... Und jetzt ziehe dir etwas an. Ich bereite schonmal alles vor.“
Wie immer hatte er alles unter Kontrolle und wusste genau was jetzt zu tun war. Auch die letzten Tage war er treu an meiner Seite geblieben und hatte mich bei der ganzen Aufregung einer bevorstehenden Verlobung unterstützt. Und auch wenn Henry immer nur kleine Zeichen gegeben hatte, war ich mir ziemlich sicher dass bald die Frage aller Fragen kommen würde. Und so hatte ich heute Abend auch Recht behalten. Dass Dumme war nur, oder auch eigentlich das Gute..., so wie man es eben von welcher Seite sah, war das kleine Geständnis von ihm, nach meinem „Ja, ich will dich heiraten!“, - „Wir werden durch gute und schlechte Zeiten gehen... Und ich hoffe wir werden auch über die Tatsache mit Esthar hinwegsehen können...“
Bisher war die Tatsache immer nur ein Gerücht gewesen, welches Henry immer vehement abgestritten hatte... Und ich blöde Kuh hatte ihm vollends vertraut... Aber im Endeffekt war ich froh es früh genug erfahren zu haben und hatte ihm den Ring auch direkt wieder vor die Füße geschmissen. Das einzige was helfen konnte, war wohl wirklich sich voll laufen zu lassen und den restlichen Abend mit dem besten Freund zu verbringen.
Mit gammligen Jogginghosen und einem blauem Shirt kam ich zurück und wurde direkt ein zweites Mal fest in den Arm genommen. Als er mich wieder los ließ und mir aufmunternd über den Rücken strich, entdeckte ich auf dem Wohnzimmertisch ein paar Kerzen neben den Flaschen Bier und der Schüssel Gebäck.
„Du darfst sogar heute als Erstes zugreifen...“ Mit diesen Worten griff er nach der Schüssel und reichte sie mir, was mich lauthals zum Lachen brachte. ER war einfach WIRKLICH der Beste!!
Sonst galt die Regel, der Mitbringer durfte immer zuerst zugreifen und alle anderen kamen danach. Dies nannten wir den Trägerbonus und wurde auch immer sehr geschätzt und stets durchgezogen, damit es keinen Streit gab. Doch diese kleine Geste berührte mich sehr und ich fiel ihm direkt noch einmal in die Arme.
„Thomas... Ich bin so froh, dass ich dich habe. Du darfst mich niemals verlassen, okay? Niemals hörst du?“
Sein Lächeln war warm und ließ mich meinen Liebeskummer über Henry sofort vergessen.
„Nein. Ich werde dich niemals verlassen. Wir werden für immer beieinander bleiben.“

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Toter gesucht!
RomanceDer Tod ihres besten Freundes nimmt die 22 jährige Emilia sehr mit. Um ihr Leben weiter leben zu können beschließt sie aus der gemeinsamen Wohnung in Briggston auszuziehen und fortan, ca. 100 Meilen weiter weg, bei ihrem Vater in Jacksonville zu ble...