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Aufregung und Angst sind oft nicht so unterschiedlich, wie man denkt.


Dunkelheit. Zwischendurch ein paar Funken Licht, die sich ihren Weg durch die einsame, ewige Finsternis bahnen.
*brrrr* Mein vibrierendes Handy riss mich unsanft aus meinem Halbschlaf. Ich rieb meine Augen und versuchte sie offen zu halten. Langsam drehte ich meinen Körper zum Nachttisch hin und griff ein paar Mal, mit noch vernebelter Sicht, nach meinem Handy. Als ich es letztendlich in der Hand hielt, stand der Name "Alicia" groß auf dem Display. Ich verdrehte meine Augen. Alicia war meine beste Freundin, die nur zwei Straßen entfernt von mir wohnte und oft naiv und übereifrig war. Sie hatte mir von einem Job erzählt, den sie neu anfangen möchte. Heute sollte ihr erster Arbeitstag sein. Doch warum ruft sie mich an? Hat es doch nicht geklappt?

Ich drückte auf den grünen Knopf und legte das Handy an mein Ohr. "Deeliaa", schrie sie euphorisch, sobald sie merkte, dass sie nun mit mir reden konnte. Ich atmete tief ein und aus und antwortete müde und noch mit verschlafener Stimme :"Was ist denn? Lass mich doch schlafen" "Was?! NEIN! Ich bin in fünf Minuten da! Pascal hat abgesagt und jetzt musst du mich bitte dahin bringen. Danke" schrie sie außer Puste in ihr Handy und legte direkt danach auf. 

Ich ließ mein Handy von meinem Ohr auf mein Bett fallen und zog meine Decke über mein Gesicht. Pascal war ihr bester Freund. Es war abgemacht, dass er Alicia heute zu ihrer Arbeit fährt, da sie vor einer Woche einen Unfall hatte und seit dem kein Auto mehr besitzt. Und jetzt sollte ich das also übernehmen, obwohl sie von Anfang an wusste, dass ich mit ihrem neuen Job nichts zu tun haben wollte. Es kursierten ständig Gerüchte in unserer Stadt. Die Burg, in der sie als Dienstmädchen zu arbeiten beginnen will, sei verflucht, so hieß es.
Als ich noch mitten in meinem Gedanken versunken war, klingelte es schon an meiner Tür. Ich zog meine Decke langsam von meinem Körper und richtete mich auf. Ich ging mit meinen Händen ein paar Mal durch meine lockigen, weißen Haare, um diese ein wenig zu bändigen und begab mich mit kleinen Schritten zur Tür. Sofort als ich die Türklinke runter drückte, stürmte Alicia hinein und rannte in mein Zimmer. Ich schaute ihr genervt hinterher, schloss die Tür wieder und begab mich ebenfalls in mein Zimmer.
Als ich es betrat, stand sie bereits vor meinem Schrank und durchwühlte diesen eilig. Erst jetzt erkannte ich, dass sie ein wunderschönes blau-türkises Kleid trug. Ihre hellblonden Haare hatte sie mit einer Schleife an ihrem Hinterkopf zusammengebunden und ihre Arme waren mit funkelnden Armbändern geschmückt. Als ich sie noch genauer musterte, warf sie ein lila-schwarzes Kleid aus meinem Schrank auf mein Bett. "Anziehen, dann können wir auch schon fahren", sagte sie in einem aufgeregten Ton. "Warum sollte ich das denn anziehen und warum hast du sowas an? Du weißt, dass ich von deinem Job nichts halte!", erwähnte ich mürrisch. "Es hieß, man solle elegant dort ankommen und genau das machen wir. Wenn du mit mir gesehen wirst und deinen Schlafanzug anhast, macht das sicherlich keinen guten Eindruck von mir. Also anziehen, ich warte dann im Auto!", erklärte sie und lief freudig aus der Tür.
Es war mittlerweile 24 Uhr. Und auch wenn ich auf alles mehr Lust hätte, als jetzt mit ihr zu fahren, zog ich das Kleid an und ging zum Auto, denn immerhin war sie meine beste Freundin.

Der GrafWo Geschichten leben. Entdecke jetzt