Der Schrei-Meinen-Namen-Tag

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SIXTEEN - Ellie Goulding

"Ihr kennt die Regeln", sagte Morgan laut. "Bälle die auf dem Tisch aufsetzen, dürfen abgewehrt werden, getroffene Becher müssen ausgetrunken werden vom Team, in diesem Fall von euch. Ihr kriegt nur einen Ball, wenn ihr trefft dürft ihr noch mal werfen. Wer zuerst alle Becher getroffen hat gewinnt. Alles klar?" Wir nickten. Glasklar. Kyle und ich standen uns gegenüber. Unsere Freunde und einige Schaulustige um uns verteilt.
"Na dann, Ladies First", sagte Morgan und bedeutete mir das ich anfangen durfte. Ich holte tief Luft und warf den Ball. Jubel erklang als er im mittigen Becher verschwand. Kyle fluchte, fischte den Ball aus dem halbvollen Becher und trank ihn in einem Zug aus. Er warf mir den Ball zurück und ich warf erneut. Diesmal hatte ich weniger Glück. Kyle leider schon. Das würde ein hartes Spiel werden.

Fünfzehn Minuten später fing das Bier so langsam an zu wirken. Kyle und ich hatten jeweils noch drei Becher vor uns. Ich hatte schon zwei Mal in Folge danebengeschossen und Becher Nummer sechs noch immer nicht ganz ausgetrunken. Erneut traf Kyle und ich stöhnte frustriert. Ich fischte den Ball aus dem Bier und griff nach dem Becher.
"Ich biete einen Solidaritätsdrink an", sagte plötzlich Nathan laut neben mir.
Ich lächelte ihn dankbar an und wir sahen beide zu Morgan der den Schiedsrichter spielte. Kyle protestierte lautstark.
"Ein Solidaritätsdrink für jeden", entschied Morgan und Nathan nahm mir den Becher ab.
"Danke."
"Gern", sagte er und trank den Becher für mich aus. Ich atmete tief durch und wehrte den nächsten Ball von Kyle ab. Konzentrierte mich beim nächsten Wurf, auch wenn das gar nicht so einfach war. Trotzdem sah ich zu wie der Ball über den Tisch flog, direkt in den Becher, herausspickte und im zweiten Becher landete. Kurze, ungläubige Stille, legte sich über den Raum, gefolgt von einem Jubeln, schreien und Applaus.
"JA!" Ich warf die Arme in die Luft und grinste zu meinen Mädels an der Seite, welche mich abklatschten. Ebenso Nathan.
"Double!", rief Morgan. "Gleich nochmal Mary." Kyle zog den Ball aus dem Becher.
"Verdammt du bist wirklich gut!", rief er mir über den Tisch zu und zog die beiden Becher aus dem Verkehr. Ich machte einen kleinen Knicks, ich hatte ihn gewarnt. Doch diesmal wehrte er meinen Wurf ab. Er grinste und suchte den Ball unter dem Tisch.
"Keine Chance Mary, ich gewinne dieses Ding! Und wenn du frech wirst dann wünsche ich mir einen Kuss!" Und damit traf er einen weiteren meiner Becher. Verdammt. Das hieß Gleichstand.
"Davon träumst du!", rief ich. "Ich werde dich ganz bestimmt nicht Küssen Livsey!" Ich warf den Ball und wurde in Dunkelheit getaucht. Schreie wurden laut. Ein Stromausfall? Ausgerechnet jetzt! Erschrocken versuchte ich mich umzusehen, konnte aber nichts erkennen. Ich war nicht mehr so standfest und denkfest anscheinend auch nicht mehr. Das Dämmerlicht das von der Straße durch die Fenster fiel war zu wenig um etwas genau zu erkennen. Jemand rief meinen Namen und ich versuchte mich in die Richtung zu bewegen. Irgendwo brüllte Morgan dass sich alle beruhigen sollten. Was natürlich niemand befolgte. Plötzlich wurde ich herumgewirbelt, die Welt drehte um mich herum und das Bier schien noch mehr Wirkung zu entfalten. Ein Handy blendete mich, dann erlosch es bevor ich die Augen schließen konnte. Ein wohliger Schauer lief durch meinen Körper als raue Hände mein Gesicht umfassten. Ich konnte mich nicht rühren. Was war denn jetzt los?
"Was-", fing ich an, wurde aber unterbrochen von Lippen die sich ohne zu zögern auf meine legten. Warm, weich und fest. Das Kribbeln in meinem Körper traf mich ohne Vorwarnung und mit voller Wucht. Jemand küsste mich! Ich entschied nicht bewusst den Kuss zu erwidern, tat es jedoch. Denn er vertiefte den Kuss, bewegte die Lippen an meinen. So einen Kuss hatte ich noch nie erlebt. Ich fühlte ihn bis in die Zehenspitzen und musste mittendrin nach Luft schnappen. Ein leises Lachen erklang.
"Erzähl das bloß niemandem", hauchte er mir kaum hörbar ins Ohr. Der federleichte Kuss neben meinem Ohr sandte erneut wohlige Schauer über meinen Rücken. Dann ließ er mich los und war verschwunden. Mit pochendem Herzen, prickelnden Lippen und Chaos im Kopf blieb ich an Ort und Stelle. "Was zum-?", hauchte ich atemlos und schlug mir eine Hand auf den Mund. Was war das bitte? Erzähl das bloß niemandem? Wie denn? Ich wusste nicht mal wen ich da gerade geküsst hatte! Schwer atmend versuchte ich meinen rasenden Puls zu beruhigen. Wer machte so etwas? Einfach Fremde willkürlich im Dunkeln küssen? Aber war es willkürlich? Zufall? Warum dann dieser Satz zum Schluss? Jemand rempelte mich an und ich stieß mit der Hüfte hart gegen den Tisch. Autsch! Das würde definitiv einen mehrfarbigen Fleck geben. Ich hatte jetzt keine Zeit darüber nachzudenken, ich musste meine Freunde finden. Der Stoß gegen den Tisch hatte mich unsanft von meiner Wolke geholt. Ich bewegte mich in die Richtung in die ich die Tür vermutete. Mein Handy lag in meiner Tasche und die hatte Zoey. Einige Leute hatten unterdessen ihre Taschenlampen eingeschaltet, so dass ich wenigstens ansatzweise sah wohin ich ging. Im Wohnzimmer standen einige Grüppchen zusammen.
"Mary?", rief jemand der schwer nach Zoey klang und ich sah mich um, konnte aber niemanden erkennen.
"Ich bin hier!", rief ich und hielt auf gut Glück meine Hand hoch.
"Da bist du", sagte eine vertraute Stimme und jemand legte mir die Hand ins Kreuz um mich vorwärts zu schieben. Durch den Schein der Taschenlampe erkannte ich Ben. Ich stolperte und er hielt mich an der Schulter aufrecht.
"Langsam", sagte er.
"Wo sind die anderen?", fragte ich und hörte dass meine Stimme irgendwie nicht nach mir selbst klang. Ob es am vielen Bier oder dem unglaublichen Kuss lag konnte ich nicht sagen.
"Sollten draußen sein", kam die knappe Antwort. Ich schielte zu ihm hoch. Durch die vielen Handylichter, wurde er immer wieder erleuchtet. Sein Haar war schwer zerzaust als wäre jemand mit den Händen hindurchgefahren. War er bei etwas gestört worden? Aber er hatte doch bei Kyles und meinem Spiel zugesehen, oder? Ich war mir plötzlich nicht mehr so sicher. Es würde auch gut zu Ben passen sich mit einer hübschen Blondine aus dem Staub zu machen solange alle beschäftigt waren. Erneut stolperte ich und Bens Hand verhinderte ein weiteres Mal dass ich mich auf die Nase legte.
"Ich habe Zoey gehört vorhin", protestierte ich als wir auf den Ausgang zuhielten.
"Sie ist bei Drew, zumindest war sie es bis gerade eben, keine Sorge." Zoey würde sich nicht freiwillig von Drew wegbewegen, soviel war klar.
"Okay." Ich stolperte erneut und Ben musste mich diesmal mit Beiden Armen an der Hüfte festhalten.
"Wie betrunken bist du?", fragte er und drehte mich um damit er mich ansehen konnte. Die Taschenlampe blendete mich.
"Oh, sehr", stellte Ben fest als er meine Pupillen sah. Bevor ich protestieren konnte hatte er mir sein Telefon in die Hand gedrückt um ihm den Weg zu leuchten und mich auf die Arme geladen.
"Ich kann doch selber gehen!", protestierte ich, was Ben ein glucksendes Lachen entlockte.
"Das ist mir bei den drei Mal die ich dich nun schon auffangen musste aber entgangen." Da hatte er einen Punkt. Die Haustür stand offen und so trug Ben mich einfach bis zu unseren Freunden auf die Straße.
"Mary!", rief Ivy und kam uns entgegen. "Alles gut bei dir?", fragte sie.
"Ja, alles klar." Ben setzte mich zurück auf meine zwei unsicheren Füße da ich zappelte. Ich musste mich kurz konzentrieren um richtig zu stehen und mich an Ivy abstützen.
"Das war eindeutig zu viel Bier", stellte ich fest und atmete tief durch.
"Maaaryyy!", schrie da jemand und fiel mir um den Hals. Zoey hätte mich von den Füssen genietet, hätte Ben nicht schon wieder meinen Sturz verhindert. Oder in diesem Fall unseren.
"Woah Zoey langsam, ich bin nicht so standfest", sagte ich zu meiner besten Freundin.
"Geht's dir gut?", quietschte sie aufgeregt und ignorierte mich. Sie schob mich von sich und musterte mich, dann umarmte sie mich noch einmal. Dieses hin und her war gar nicht gut für mein Gehirn.
"MARY CABOT!", schrie in diesem Moment jemand laut.
"Warum schreien denn alle meinen Namen?", brabbelte ich. "Ist heute Schrei-Marys-Name-Tag oder was habe ich verpasst?" Ich löste mich von Zoey und blickte um Ben herum.
"WAS!?", schrie ich zurück, obwohl ich keine Ahnung hatte wer nach mir gerufen hatte. Lachen erklang hinter mir, doch ich ignorierte es. Dann sah ich Kyle über den Rasen auf uns zuwanken. Er war anscheinend genauso gut zu Fuß wie ich.
"Heeey Kyle", rief ich und winkte fröhlich. Warum ich mich so freute ihn zu sehen war mir schleierhaft.
"Warum freut sie sich eigentlich nie so wenn sie mich sieht", hörte ich Ben hinter mir sagen. Ich drehte mich halb zu ihm um.
"Weil du ein Arsch bist, deswegen." Ich versuchte ihn mit dem Finger festzupinnen was aber irgendwie nicht klappte.
"Das ist Kyle auch", wandte er ein. Das brachte mich kurz zum Nachdenken. Er hatte Recht.
"Stimmt, Kyle ist auch ein Arsch." Ich wollte mich gerade umdrehen und es Kyle zubrüllen, als er auch schon gegen mich prallte. Diesmal konnte Ben nichts gegen den Sturz zu Boden tun.
"Kyle du Arsch!", sagte ich laut. "Runter von mir." Ich schob Kyle zur Seite und setzte mich auf. Mehr ging nicht. Meine Beine waren zu schwer.
"Mary! Wir haben noch nicht ausgespielt!", lallte er und stützte sich auf die Ellenbogen.
"Wir können aber nicht spielen im Dunkeln", wandte ich ein.
"Aber wir müssen spielen!", beharrte Kyle. Ich seufzte. Dann erschloss sich mir plötzlich warum meine Beine so schwer waren.
"Gehst du bitte von meinen Beinen weg?", fragte ich ihn. Kyle lag quer auf meinen Beinen und verhinderte so dass ich aufstehen konnte. Er schüttelte den Kopf.
"Ich will spielen."
"Und ich will jetzt nach Hause", mischte Sophie sich plötzlich ein und wir sahen beide zu ihr hoch.
"Oh ja", sagte Kyle. "Ich hab noch Pizza." Schneller als ich mit meinem betrunkenen Gehirn es registrieren konnte, stand er auf.
"Los!" Damit ging er und zog Sophie mit sich. Ich atmete tief durch und machte mich ans aufstehen.
"Das kann wirklich kein Mensch mitansehen", brummte Ben, fasste mich untern den Armen und stellte mich auf die Füße.
"So fühlt es sich also an ein Stehaufmännchen zu sein", kicherte ich. Ben schüttelte den Kopf und schob mich vorwärts.
"Das Taxi ist unterwegs", teilte uns Drew mit. Wir setzten uns an den Straßenrand. Nun hatte ich wieder Zeit an den Kuss zu denken. Plötzlich war er wieder in meinem Kopf. Wer es wohl war? Nathan? Ich würde ihm morgen schreiben und ihn fragen. Ich zog die dünne Jacke aus meiner Tasche und legte sie mir um. Mittlerweile war es wirklich kalt. Ich sah mir die Zigarettenschachtel nochmals an. Nathan hatte eine schöne Handschrift. Ich würde ihn morgen ganz bestimmt anrufen. Hatte er mich vielleicht auch geküsst? Womöglich. Bei Gelegenheit würde ich ihn fragen. Wiederholten sich meine Gedanken?
"Warum grinst du so?", fragte mich Ben, der sich neben mich gesetzt hatte.
"Nur so", sagte ich.
"Was ist das?" Er deutete mit dem Kopf auf meine Hand.
"Ich hab eine Telefonnummer bekommen", sagte ich und hielt sie ihm stolz hin.
"Und von wem?", fragte er weiter.
"Nathan." Ich lächelte auf die Zigarettenschachtel. "Mein Held, er hat mich vor dem siebten Becher gerettet." Das war mir jetzt plötzlich wieder eingefallen.
"Nathan der Held also", murmelte Ben.
"Ja! Aber seine Heldentat hast du gar nicht mitbekommen", sagte ich etwas enttäuscht und sah zu ihm hoch.
"Wie kommst du darauf?", fragte er überrascht und runzelte die Stirn.
"Du warst doch wieder irgendwo knutschen, so siehst du auf jeden Fall aus." Ich deutete auf seine Haare.
"Ich war nicht knutschen sondern hab zugeschaut wie du beinahe verloren hättest", wiedersprach er mir. Ich deutete mit dem Finger auf ihn.
"Niemals. Niemals hätte ich verloren!" Ich war mir sicher dass ich getroffen hätte.
"Bilde dir das nur ein", sagte Ben und stupste mich mit der Schulter an.
"Ich bilde es mir nicht ein ich hätte gewonnen!" Ich stupste unsanft zurück.
"Hättest du nicht."
"Hätte ich doch."
"Nein." Er machte dass mit Absicht, seine Mundwinkel zuckten.
"Do-ooo-oooch!" Ich kniff die Augen zusammen um Ben böse anzustarren. Er starrte zurück.
"Die Taxi sind da!", rief jemand und unterbrach damit unser Blickduell. Ben stand auf und zog mich hoch. Ivy umarmten mich bevor sie mit Sophie, Kyle und Drew in den reicheren Teil unserer Stadt fuhr. Anscheinend gingen Drew und Sophie noch mit zu Kyle damit er das Haus nicht niederbrannte beim Pizza backen. Gar keine schlechte Idee. Also dass Pizza backen. Ich hatte Hunger.
"Komm kleine Schnapsnase, bringen wir dich nach Hause", sagte Ben.
"Wenn schon bin ich eine Biernase, ich hatte kaum Schnaps!", protestierte ich, ließ mich aber trotzdem ins Taxi verfrachten. Zoey hatte sich nach vorne gesetzt, da ihr in Autos immer schlecht wurde. Das Schaukeln des Wagens machte mich schläfrig.
"Ben ich bin müde", sagte ich.
"Gleich bist du zuhause." Ich lehnte mich an ihn. Warum konnte ich beim besten Willen nicht mehr sagen. Aber Ben war warm, obwohl er bloß ein T-Shirt und Shorts trug. Ich gähnte.
"Danke dass du mich heute immer vor dem hinfallen bewahrt hast. Du warst wie ein Ständer!" Ben lachte leise.
"Hast du mich gerade mit einem erigierten Geschlechtsorgan verglichen?", fragte er belustigt und sah zu mir hinab. Ich hob den Kopf.
"Nein, mit einem Fahrradständer. Du warst eine Stütze wie ein Fahrradständer", erklärte ich ihm. "Warum bist du immer so pervers?", maulte ich. Ben schüttelte lachend den Kopf und drückte meinen Kopf zurück an seine Schulter.
"Besser du schläft, bevor du noch mehr Stuss von dir gibst." Ich legte meinen schweren Kopf nur zu gerne an Bens Schulter zurück. Muskeln waren anscheinend ein gutes Kissen.
"Du bist ein guter Freund, wusstest du das?", nuschelte ich an sein Shirt. Das meinte ich ernst. Heute Abend war er ein wirklich guter Freund gewesen.
"Bin ich nicht und jetzt halt die Klappe." Aber ich konnte genau hören dass er lächelte. 

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Das ist bisher mein absolutes Lieblingskapitel! Einfach weil Mary betrunken so doof ist das ich selber lachen musste. Was denkt ihr, wer hat Mary geküsst? War es wirklich Nathan?

©2020 by keeaty

Playlist zum Buch findet ihr auf meinem Spotify >> Link in der Bio oder im 1 Kapitel!

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