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Louis' POV.

Niall sucht schon viel zu lange nach den perfekten Liedern zum Kochen, während ich immer besser werde im Verdrängen. Alles, was nicht sein soll, wie es ist, in die hinterste Ecke meiner Gedanken zu verbannen, mir vorzustellen, alles wäre wie früher. Heile. Oder wenigstens nicht so kaputt wie jetzt.

„Hey! Ich dachte, wir wollen kochen und keine Löcher in die Luft starren?!" Niall grinst mich an und wedelt mit einer Hand vor meinem Gesicht. „Ich hab ja keine Ahnung, woran du grad spannendes denkst, oder ob du Dinge in der Luft siehst, die mir verborgen bleiben, aber wir haben in zwei Stunden einige hungrige Menschen satt zu machen, wenn sie mit dem Dekokram zurück sind. Und das Haus werde ich auch garantiert nicht mit leerem Magen schmücken!" Mir wird ein Messer in die Hand gedrückt und schon zerkleinere ich zu den Tönen von „Drag me down" eine Tomate nach der anderen.

„Lou... hallo Tommo! - Louis!" „Äh, ja, sorry, was ist los?" Verdammt, die Lieder von damals, die ganzen Erinnerungen und vor allem Harrys Stimme lenken mich viel zu sehr ab! „Ich sagte, dass wir gleich noch was backen müssen, weil Zayn wohl irgendwas Weihnachtliches für den Rest des Shootings geplant hat." Kurzerhand stellt der Ire Mehl und Zuckerpackungen vor mir ab, aber ich habe das Gefühl mich übergeben zu müssen.

Das Shooting. Zu fünft. Mit ihm. Lächeln, ohne es so zu meinen. Mich auf Weihnachten freuen.

Ein weiteres Weihnachten, ein weiterer Geburtstag - ohne ihn.

Wahrscheinlich hat er unsere gemeinsamen Feste längst vergessen, doch die Erinnerungen daran waren in den letzten zwei Jahren das einzige, was mich diesen Tag überstehen ließ.

Einsam, weil ich niemanden sehen wollte und mich doch so sehr nach Nähe gesehnt habe, auch wenn El mir riet zu vergessen. Alles. Ihn.

Jetzt kann ich sie nebenan mit Liams Freundin lachen hören, und ich wünsche mir, ich könnte ihrem Rat folgen.

Harry Edward Styles, warum ist es so schwer dich nicht festzuhalten? Dich gegen zu lassen? Mich nicht nach dir zu sehnen? Von vorn zu beginnen?

Circles, we're going in circles
Dizzy's all it makes us
We know where it takes us
We've been before

Und doch denke ich auch jetzt nur an dich. Mit wem du Weihnachten verbringen wirst? Wird Anne dir wieder haufenweise Geschenke schicken? Wird Gemma wieder Plätzchen backen und sie mit diesen viel zu süßen Zuckerperlen verzieren? Wirst du kurz an mich denken? Oder den Gedanken an mich wie eine lästige Fliege mit der Hand in der Luft vertreiben?

„Louis! Himmelherrgott, du bist ja schlimmer als Harry vorhin! Was ist heute bloß los?" Harry - was soll mit ihm sein? „Na los, mach die Tür auf, Lou. Bitte. Meine Hände sind voller Teig..." Ich nicke kurz, das Klingeln muss wohl untergegangen sein, im Gebrüll meiner wirren Gedanken.

Bestimmt haben sich Eleanor und Cheryl eine Pizza bestellt, weil es ihnen mit dem Essen von Niall und mir zu lange dauert.

Ich ziehe die Tür auf und starre perplex in ein Paar grüne Augen.
Harry.
Schon wieder.
Immer noch.
Ich will etwas sagen, doch ich kann nicht und die Sekunden ziehen sich wie Kaugummi.
Angst davor, etwas Falsches zu sagen, gefangen in seinen Blick.

Closer, maybe looking closer
There's more to discover
Find out what went wrong without blaming each other

Harry wirkt nervös, seine Augen scheinen zu leuchten und er setzt grade zum sprechen an, als- „Tommo, wo bleibst du? Die Kekse müssen noch - oh, hey Harry!" Verdutzt beleibt Niall im Flur stehen. „Wo ist der Rest? Warum bist du schon da?" Der Ausdruck in Harrys Augen verschwindet und er scheint in sich zusammen zu sacken. Geht es ihm nicht gut? „Äh, also Li und Zayn wollen noch was besorgen, und ich, äh, wollte schauen, ob man euch nicht helfen kann..."

Er lügt. Er konnte noch nie gut lügen und selbst nach all der Zeit hat sich daran nichts verändert. Er verabscheute es so sehr nicht die Wahrheit zu sagen, dass es ihn krank machte, wann immer er dazu gezwungen wurde. In Interviews, bei Auftritten, im Internet. Seine Augen können nicht ruhig bleiben und seine rechte Hand macht er dabei immer zur Faust. So wie jetzt. So wie früher. Nur dass ich damals nie derjenige war, den er angelogen hat.

Warum bist du wirklich gekommen?

Niall lässt es ihm durchgehen oder mehr nichts. „Nun, schön, vielleicht kommt Louis dann auch endlich mal mit seinem Teig voran", lacht der Ire und zieht Harry und mich in die Küche, um ihm eine Schürze und mir Formen zum Ausstechen in die Hand zu drücken.

Ob er reden wollte?
Würde ich das wollen?

Wake up, we both need to wake up
Maybe if we face up to this
We can make it through this

Und wenn es dann nur noch schlimmer wird?
Oder er sich nochmal versuchen würde etwas anzutun?
Wäre ich stark genug mir nichts anzutun?

Mechanisch bewegen sich meine Hände, setzen Formen auf den Teig, aufs Blech und wieder von vorn. Immer darauf bedacht, ihn nicht zu berühren. Abstand zu halten.

Die Ärmel meines Pullis sind voller Mehl, doch ich werde sie nicht hochschieben. Harry hat schon viel zu viel gesehen.

Nervös fahre ich mir mit der mehligen Hand durch die Haare, als Niall uns beide plötzlich von hinten umarmt um uns lautstark sein Solo eines Liedes ins Ohr zu schreien. Er tauscht unser Blech gegen eines mit bereits fertigen Keksen und deutet immer noch singend auf einen ganzen Haufen an Tütchen und Tuben voller Dinge zum verzieren.

Anhand dieser überschäumenden Freude kann ich gar nicht anderes als auch leise mit zu summen und auch Harry beginnt zu singen und grinst mich an.

Plötzlich landet seine Hand sanft an meiner Wange und vorsichtig streicht er mit dem Daumen darüber. Alles in mir kribbelt, doch äußerlich bin ich völlig starr. „Du hattest da was", nuschelt er und wird leicht rot. Ich muss schlucken und versuche zu ignorieren, dass ich mir wünsche, er würde das nochmal machen.

Gotta make up our minds
Or else we'll play, play, play all the same old games
And we wait, wait, wait for the end to change

Wieder drängt sich Niall zwischen uns. Merkt er etwas? Wie viel hat er damals mitbekommen? In den letzten zwei Jahren? Heute?

Verschmitzt grinst er mich an und schon habe ich Zuckerglasur auf der Nase und den Wangen. Und jetzt verbündet sich auch noch Harry mit dem Blonden und gemeinsam werde ich nun von ihnen mit bunten Dekoperlen abgeworfen. Erwachsen und durchdacht sind meine Handlungen jetzt nicht mehr, als ich beschließe mich zu rächen und es den beiden mit Schokostreuseln heimzahlen will.

Bunte Perlen und Streusel in allen Farben fliegen durch die Luft, während im Hintergrund Töne unserer Jugend zu hören sind. Lieder übers jung sein und die erste Liebe. Lachend verzieren wir uns nun gegenseitig mit Zuckerguss und bunten Streuseln und endlich fühle ich wieder so etwas wie Leichtigkeit. Glück.

And we take, take, take it for granted that we'll be the same

Ob er sich verändert hat?

Niall hat sein Handy gezückt und legt Harry und mir einen Arm um die Schulter, während wir in die Kamera strahlen. Mit jedem Foto fällt noch ein Stückchen Anspannung mehr von mir ab und als ich eine weitere Hand auf meinem Rücken spüre, zucke ich nur minimal zusammen, ehe sich die vertraute, fast vergessene Wärme ausbreitet.

Als unser irisches Süßigkeitenmonster jedoch darauf besteht noch ein Foto nur von Harry und mir zu machen, dreht sich wieder alles, doch als dieser sich kleiner macht, um mit mir auf einer Höhe zu sein und mich an sich zieht, setzt alles aus und steht still.

Wie fliegen.
Gemeinsam.
Wieder.
Endlich.

When it's broken, you say there's nothing to fix
And you pray, pray, pray that everything will be okay
While you're making all the same mistakes


Von Li

Where do broken hearts go?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt