Die Ruhe vor dem Sturm

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-Stiles-

Er war in einem Gefühlschaos gefangen, sein Herz schlug ihm bis zum Hals, Tränen liefen seine Wangen hinunter. Doch es war nicht wegen dem Schmerz oder der Trauer, die ihn vor wenigen Sekunden noch eingenommen hatten. Es war Hoffnung, Freude, die diese Reaktion hervorriefen.
Derek lebte!

Stiles war nach vorne in den Praxisraum gerannt, hatte nach Scott und Deaton geschrien und nun stand das halbe Rudel, samt seinem Dad vor ihm und starrten ihn ungläubig an.

„Stiles, wieso kannst du stehen? Geschweige den rennen?! Und was ist mir Derek?", fragte sein Alpha und bester Freund völlig aus der Bahn geworfen.
Man konnte dem jungen Werwolf ansehen, dass der Vorfall mit Derek ihn hart getroffen hatte und er war bis vor kurzem nicht mal von Kiras Seite gewichen, aus Angst sie würde genauso enden wie Derek. Doch sie heilte, wenn auch langsam. Scott sah gestresst aus, die Angst um sein Rudel und Stiles hatte seine Kräfte aufgebraucht. Er sah todmüde aus, die Aussage, dass Derek noch leben könnte hatte wieder Leben in seine müden Augen gebracht.
Auch dass Stiles scheinbar kein Problem damit hatte auf seinen Beinen zu stehen.
„Ich...ich weiss auch nicht. Es tut nicht mehr weh, nur noch ein dumpfer Schmerz.", er runzelte die Stirn und blickte an sich herunter, bewegte das Bein hin und her.
„Und deine Seite? Es war mindestens eine Rippe gebrochen.", wandte sein Vater ein.
Der Junge zog sein Shirt hoch und betrachtete die fast verheilte Seite. Die blauen Flecken, die sich über seinen ganzen Oberkörper erstreckt hatten und die Schmerzen bei jeder Bewegung waren weg. „Es sieht so aus, als würde er wie ihr heilen.", meinte Deaton fasziniert, „Wir sollten zu Derek."

Stiles eilte voraus, wollte nicht, dass die anderen ihm zu nah kamen, obwohl er wusste, dass sie Derek ja gar nichts Böses wollten. Trotzdem hatte er den Drang Deaton und die anderen im Auge zu behalten. Langsam hörte der Druide Dereks Puls ab, fühlte ein schwaches Pumpen an der Halsschlagader.

„Unglaublich...", stieß er fast ehrfürchtig aus, „Er lebt wirklich!"
„Aber..wie kann das sein? Ich war mir sicher, dass er mindestens 5 Stunden, wenn nicht sogar länger tot war.", fügte Scott benebelt hinzu.

Stiles war nahe an Derek gerutscht, hatte seine Hand mit seiner verschränkt. Sie fühlte sich schon viel wärmer an, nicht mehr so leblos. Der Gedanke, dass Derek wieder aufstehen würde und er ihn lächeln, leben sehen konnte, erfüllte ihn mit Wärme, Liebe. Der Stimmungsumschwung war so stark, dass wieder einzelne Freudentränen seine noch immer feuchten Wangen hinunter flossen. Doch es machte ihm nichts aus. Solange er seinen Sourwolf wiederbekam, konnte ihm alles egal sein. Okay, vielleicht nicht alles, dachte er sich und sah seinen Vater und Scott an. Das Rudel war nun auch seine Familie.

Er spürte wie jemand mit der Hand seinen Rücken entlangfuhr. Stiles drehte den Kopf und sah seinen besten Freund, der ihm entgegen lächelte. Dankbarkeit wärmte sein Inneres, ja er war dankbar. Dafür, dass das Rudel überlebt hatte, dafür, dass er niemals alleine sein würde, dafür, dass Derek lebte.

Doch die eine Frage ging ihm einfach nicht aus dem Kopf. Warum lebte Derek noch, obwohl er bis vor wenigen Augenblicken noch tot war? Und wieso waren seine eigenen Wunden geheilt? Er war kein Werwolf und hatte keine Selbstheilungskräfte.
„Deaton? Warum lebt er und wieso heile ich so schnell? Ich bin ja kein Werwolf.", fragte Stiles Stirn runzelnd.
Der Druide lächelte ihn wissend an.

„Es scheint, als wäre deine Verbindung zu Derek stärker als ich angenommen hatte. Derek war tot, ja. Aber seit seinem Todeszeitpunkt bist du ihm nicht von der Seite gewichen. Du warst bei ihm bevor er tot war. Du hast das Band aktiviert, dass euch verbindet. Derek heilt schneller, stärker, besser. Ihr übertragt eure Energien, eure Kraft. Du hast Derek die Stärke und den Willen gegeben zu heilen. Und seit sein Herz wieder schlägt, kann er dir einen Teil dieser Kraft zurückgeben. Darum heilst du auch so schnell. Es beruht auf Gegenseitigkeit. Ihr ergänzt euch perfekt, ihr seid mehr als nur ein Paar, dass vielleicht nach ein paar Jahren auseinanderfällt. Euer Band ist für die Ewigkeit bestimmt. Darum müsst ihr es auch gut hüten.", erklärte Deaton.

Stiles verstand, auch wenn er fand, dass Deaton hier mal wieder den Erzähler raus hängen lassen musste und alles so geheimnisvoll ausdrückte. Aber er war froh über das Wissen, was vor sich ging.

„Also bedeutet das, sie werden ihr Leben lang verbunden sein?", fragte Scott, dem das alles anscheinend ein wenig zu viel wurde. Sein Mund stand leicht offen und er blickte Deaton dümmlich an. Stiles musste ein Lachen unterdrücken, da er den Nichts-Checker-Ausdruck auf Scotts Gesicht einfach nur allzu gut kannte.
„Ja, Scott. Das heisst es wohl.", stellte Stiles lächelnd klar, „Und ehrlich gesagt, habe ich auch nichts dagegen."

Stiles sah seinen besten Freund an, der seine Entscheidung akzeptierte. Der Sheriff sah geschaffen aus und rieb sich die Stirn.
„Das kann ja heiter werden."
Doch diese Aussage von seinem Vater wurde nur mit Gelächter des Rudels quittiert.

Plötzlich holte Derek Luft und schreckte hoch, klammerte sich an die Hand von Stiles, die immer noch aneinander festhielten. Der Werwolf saß aufrecht im Bett und seine Augen leuchteten blau auf.
„Derek!"

Stiles stützte ihn mit der freien Hand, während Derek mehrmals tief ein und ausatmete. Er sah sich irritiert im Raum um.

„Hey, alles ist okay. Du lebst.", sagte Stiles beruhigend.
Die eisblauen Augen bohrten sich in die karamellfarbenen Augen seines Gefährten.

„Stiles...ich..", versuchte Derek sich an einem Satz.
„Ich war tot.", sagte er schließlich fassungslos.
„Und wie ist es, von den Toten aufzuerstehen?", fragte Stiles mit seinem üblichen Sarkasmus, wollte Derek damit zeigen, dass alles gut war.

„Ich habe keine Ahnung. Ich kann mich nicht erinnern wo ich war, als ich tot war. Aber ich bin froh dass ich wieder zurück bin. Es war eiskalt.", erkläre er.

Alle aus dem Rudel gingen auf Derek zu und umarmten ihn. Stiles konnte an dem Druck auf seiner Hand spüren, dass sich Derek verkrampfte. Er wollte Liam, Scott und die anderen schon wegschicken, doch der Druck ließ nach und Derek entspannte sich.

„Derek mach das nie wieder!", meinte Scott tadelnd.
„Hatte ja auch vor zu sterben.", gab Derek zurück.
„Also da sein Sarkasmus zurück ist, denke ich, dass es ihm bestens geht.", lächelte Stiles glücklich.

Doch der nachdenkliche Blick von Deaton dämmte diese Glücksgefühl ein.
„Wieso sehen sie so besorgt aus? Was ist los?", wollte Stiles wissen und hatte schon ein flaues Gefühl im Magen, dass es wieder ein Problem gab. Was hatten sie vergessen?

„Wie viel Blut habt ihr im Wald verloren?", fragte der Doktor ernst.
Derek und Stiles tauschten verwirrte Blicke.

„Ich war tot und Stiles hat üble Wunden. Oder hatte sie zumindest. Darüber müssen wir noch reden. Aber ich denke eine Menge.", antworte Derek und zog Stiles näher zu sich heran, vergrub seine Nase in Stiles' Nacken, was dem Jüngeren erschaudern ließ.

Deaton sah in die Runde und verschränkte die Arme.
„Ich denke wir habe ein Problem. Ihr müsst nochmal dorthin, wo der Kampf stattgefunden hatte."

Scott und Isaac hatten schon die Jacken übergezogen.
„Was müssen wir finden?", fragte der Alpha, wissend das es wichtig sein würde.
„Wenn der Ort anders wirkt, oder anders aussieht, könnte es zu viel Blut gewesen sein, dass ihr dort verloren habt. Sie könnte freigekommen sein. Gaia könnte wiederauferstanden sein."

Scott sah Liam auffordernd an und dieser bewegte sich Richtung Ausgang.
Als die drei losgehen wollten, meldete sich Stiles, dem das alles zu schnell ging.
„Was, wartet? Wollt ihr sagen, Parrish hatte sie gemeint? Die Göttin?", Stiles kam gar nicht mit.
Aber anscheinend ignorierten ihn alle.

„Aber wir sind nicht beide gestorben.", meinte Derek.
„Ich denke die Menge an Blut hat gereicht."
Stiles wollte aufstehen und mit Scott gehen, ihm helfen und herausfinden was hier abging, doch Dereks Arme hielten ihn an Ort und Stelle.

„Hey, ich will mit und wissen was los ist!", protestierte er.
„Ich erkläre es dir, aber es ist besser wenn wir hier bleiben. Was ist, wenn sie unseren Tod immer noch will? Unser Blut, Stiles. Ich bin schon gestorben, du musst das nicht auch."

Stiles wollte gar nicht darüber nachdenken. Das Gefühl, diese Leere als Derek tot war...
Er konnte die Sorgen in Dereks wieder normalen Augen sehen und ließ sich überreden.

„Okay. Aber Scott", er drehte sich zu dem Werwolf um, „Ruf an, wenn du da bist."
Dieser nickte und lief mit den anderen beiden los.




-Derek-

Er sass nahe bei Stiles, saugte die Wärme in sich auf, die sein Körper abgab. Seit er wieder lebte konnte er diese Kälte nicht abschütteln. Auch wenn seine Körpertemperatur wieder normal war, fühlte sich ein Teil seines Körpers leer und kalt an. Jedoch liess er sich nichts anmerken, sie hatten andere, grössere Sorgen. Er konnte sich darüber freuen nicht in dieser Dunkelheit zurück geblieben zu sein. Stiles hatte ihn geheilt und dafür dankte er ihm auch. Doch irgendwie fühlte es sich an, als hätte Derek an diesem Ort der Kälte und Dunkelheit etwas vergessen oder liegen gelassen. Als hätte er einen wichtigen Teil seines Selbst dort verloren.

Doch darum konnte er sich später kümmern. Das Einzige, was jetzt zählte war auf Scotts Bericht zu warten und Stiles zu beschützen. Das wart Dereks Aufgabe und er würde nichts lieber tun.

Sein Blick schweifte durch das Zimmer und blieb an jedem einzelnen Rudelmitglied hängen. Alle waren blutverschmiert, müde, ausgelaugt.
„Geht nach Hause. Ihr seht zerschlagen aus.", befahl Derek. Sie würden ohne Schlaf und vollständige Heilung nicht in der Lage sein zu kämpfen, wenn es darauf ankommen würde.

Ethan verdrehte die Augen, aber befolgte die Aufforderung und nahm die immer noch auf der Stahlplatte liegende Kira auf die Arme. Sie war übel zugerichtet, aber die Wunden heilten sauber.

„Sag Scott, dass ich sie zu Hause abgeliefert habe. Deaton kann eh nichts mehr tun."
Schon war er verschwunden.
Derek konnte dem Sheriff ansehen, dass er innerlich mit sich rang. Der Werwolf verstand seine Sorge und empfand nicht anders.
Peter deutete Dereks Blick und legte John eine Hand auf die Schulter.

„Keine Angst, Derek wird ihn nicht auffressen. Er ist in besten Händen.", sagte Peter.
Derek war ihm im Moment echt dankbar, denn Stiles' Dad sah aus, als würde er gleich das zeitliche segnen.
Nach längerem Überlegen liess sich der Sheriff überreden und drückte seinen Sohn noch einmal fest.

„Pass auf, hörst du? Bleib bei Derek, egal was passiert."
Stiles nickte schwach. „Bestimmt."

John wurde von Peter mit hinaus geführt. Derek wusste, dass Peter auf den Sheriff aufpassen würde. Auch wenn er nicht den Eindruck machte, war er innerlich trotzdem noch der alte, gute Onkel Peter, der nur das Beste für die Familie wollte. Nun war das Rudel und somit auch Stiles und sein Vater seine Familie, auch wenn er es nie zugeben würde.

Als alle samt Deaton aus dem Raum gegangen waren, schloss Derek den dünnen Jungen in seine Arme, vergrub sein Gesicht an seiner Schulter und atmete ein paar mal tief ein und aus. Er horchte auf die Herzschläge von Stiles und seine Finger sind fest in dem Stoff des vollgebluteten Shirt vergraben. Er hörte die kleine Unregelmäßigkeit des Herzschlags, da Stiles überrascht schien. Aber danach erwiderte Stiles die verzweifelte Umarmung.

Derek beruhigte sich ein wenig, all seine Gedanken schienen sich zu ordnen, die Kälte wurde verdrängt und eine wohlige Wärme nahm ihren Platz ein. Solange er Stiles hatte, hatte er nichts zu befürchten.
„Ich hab dich so vermisst. Aber ich denke das weißt du schon.", hauchte Stiles in Dereks Ohr.

Der Werwolf löste sich ein wenig, gerade so, damit er in die wunderschönen Augen sehen konnte, die Augen eines Jungen, den er so sehr liebte. Langsam beugte er sich vor und fing die Lippen des Jungen mit seinen ein. Sanft und willkommen heißend, einen Hauch von Gier, Verlangen, nach etwas, dass man verloren geglaubt hatte.

Stiles vergrub seine Finger in den verwuschelten Haaren von Derek. Dieses Gefühl hatte Derek so vermisst. Die Hitze, die von Stiles Lippen ausging, die sich durch seinen ganzen Körper ausbreitete und ein Feuer auflodern ließ. Stiles Hände in seinen Haaren, Halt suchend und Halt gebend. Einer nicht ohne den anderen.
Er löste sich nur ungern von Stiles, doch er war vor kurzem von den Toten auferstanden und war noch nicht hundertprozentig auf den Beinen.
„Erklärst du mir noch, was es mit diese Göttin zu tun hat?", fragte Stiles ungeduldig aber sanft.

Derek lächelte. Das war sein Stiles. Egal wie unpassend es war, die Neugierde siegte über alles und jeden.
„Natürlich, aber lass uns ins Loft gehen."

Derek erhob sich, doch drohte wieder auf sein Hinterteil zurück zu fallen, wenn Stiles ihn nicht mit Mühe und Not gestützt hätte.
„Ich fahre.", entschied Stiles verschmitzt lächelnd.
„Wenn Scott anruft, können wir ja immer noch ein Pack Meeting einberufen."





-Scott-

Sie hatten keine Pause eingelegt, waren ununterbrochen durch den Wald gesprintet. Die Müdigkeit zerrte an seinen Muskeln, aber wenn es um den Schutz seines Rudels, seiner Freunde ging, war ihm das egal. Liam und Isaac waren ihm dicht auf den Fersen und rannten fast ihn den Alpha hinein, als er abrupt stehen blieb. Er sah einen frischen, grünen, gesunden Wald. Keine Kampfspuren, kein Blutgeruch, keine Schwärze. Die Sonne schien durch die Baumkronen und ließen die Staubpartikel in der Luft goldig glitzern.

„Alles ist weg...als wäre es nie passiert.", meinte Isaac fassungslos und Sorge schwang in seiner Stimme mit.

„Scott, was tun wir jetzt?", fragte Liam bedrückt.
Er sah zu Boden, ein einzig schwarzer Fleck, der davon zeugte, was hier passiert war.
„Wir tun das, was wir immer tun. Unsere Freunde retten. Und in diesem Fall sind es Stiles und Derek, die unsere Hilfe brauchen."

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