Zeit geht, Problem steht

73 2 0
                                    

-Stiles-




Er realisierte erst jetzt, was er gerade getan hatte. Das ganze Rudel hatte auf seinen Befehl gehört, sogar Peter hatte nicht ein Wiederwort geäussert. Eigentlich hätte er an der nächsten Wand kleben sollen, aber alle haben sich ihm schon praktisch unterworfen. Doch Derek war doch Scotts Stellvertreter. Oder war das wieder so ein Werwolfsding, das hier gerade ablief oder was? Stiles dachte nicht weiter darüber nach. Er fand keine Lösung und sie hatten definitiv grössere Probleme.

Als sie bei Deaton angekommen waren, lächelte dieser sie wissend an und liess sie eintreten. Manchmal machte der Druide Stiles echt Angst. Er wusste viel mehr, als sie alle zusammen und wie man doch so schön sagte; Wissen ist Macht. Aber solange er auf der guten Seite stand und nicht zum Darth Vader mutierte, war alles im grünen Bereich und sie konnten nur profitieren.

„Was gibt es Neues?", fragte der Tierarzt fachlich. Da Derek sein übliches Pokerface aufgesetzt hatte und keine Anstalten machte zu antworten, übernahm Stiles diese Aufgabe seufzend.

„Also, Gaia hat Scott, Liam und Isaac gekidnappt, unsere Fenster mit einer Drohung neu verziert und Lydia einen Höflichkeitsbesuch im Krankenhaus abgestattet. Danach hat sie geschrien und jetzt raten sie mal, wem dieser ohrenbetäubender Schrei gegolten hat. Genau, mir und Derek! Wissen sie was, Doc? Sie wird uns finden und sie wird uns töten. Ich bin noch zu jung um von einer Göttin aufgespiesst zu werden und ihr mein Blut als Opfergabe hinzuhalten. Also, wenn sie einen Weg kennen sie zu töten oder sie wenigstens ausser Gefecht zu setzen, dann bitte verraten sie es uns. Denn ich glaube nicht, dass sie nach meinem und Dereks Tod Ruhe geben wird. Nein, sie wird das ganze Rudel töten und irgendwann werden auch sie daran glauben. Alle Menschen werden daran glauben müssen!" Stieles holte tief Luft und atmete geräuschvoll aus.

Keiner hatte sich seit seiner Ansage bewegt, er wurde nur durchdringlich von vorne und hinten angestarrt.
„Was? Zu viel Drama für euren Geschmack? Das ist kein Drama, das ist der Ernstfall! Ihr solltet mir vielleicht helfen, denn ich möchte sicher nicht Stiles-Mouse werden!"

Deaton stütze sich mit den Ellbogen auf den stählernen Tisch ab und beäugte Stiles mit dieser Ruhe, die den Jungen nur noch kribbeliger werden liess. Wie konnte er nur so ruhig bleiben, wenn die Welt jede Sekunde untergehen könnte?! Nein, natürlich musste er und Derek noch sterben und ausbluten, damit sie Fingerpainting mit ihrem Blut veranstalten konnte und dann würde die Welt untergehen. Genau so.

„Hast du ein Bild von der Fensterfront?", fragte der Druide.
Stiles rollte die Augen und holte Dereks Handy aus der Hosentasche. Der Werwolf hinter ihm sah ihn entgeistert an. „Du hattest das?! Ich dachte..."
Stiles hob nur seine Hand und gab ein 'Pssst' Geräusch von sich, während er unbeeindruckt durch die Bilder auf dem Handy zippte. Derek verstummte und sah ihn nur grimmig an, starrte Löcher in den Rücken des Jüngeren. Stiles konnte es sich nur allzu gut vorstellen, aber echt jetzt, der Handyverlust von heute Morgen musste irgendwie überbrückt werden.

„Hier." Er hielt das Display vor Deatons Nase und dieser begutachtete das Bild. „Érchomai, das ist griechisch...", interpretierte der Druide.
Stiles wippte mit dem Oberkörper auf und ab. „Jaaaa, das wissen wir auch schon!", meinte der Jüngere zerknirscht.

Der Tierarzt richtete sich auf und ging in den hinteren Raum. Stiles streckte die Arme aus und liess sie wieder an seine Seiten knallen. 'Waaaas...'
Derek hinter ihm starrte ihn immer noch böse an und Stiles liess die Schultern hängen.

„Ernsthaft? Du bist sauer, weil ich dein Telefon habe? Bitte, du hast eh nichts Wichtiges rein bekommen. Solange ich kein Handy habe, wirst du eh keine Nachrichten von Belang erhalten.", sagte Stiles und grinste ihn schelmisch an, doch der Wolf sah ihn unverändert an.
„Ooookay! Hier hast du dein Handy wieder." Als hätte er damit Nacktfotos verschickt oder so was.

Doch dann hätte Derek mehr getan, als ihn nur böse Blicke zuzuwerfen. Es hätte dann in die gewalttätige Werwolfsausraster Serie hineingepasst oder er wäre im Bett gelandet und dort hätte Derek dann ihm auf antörnende Weise gezeigt, was er davon hielt. Aber bevor Stiles noch länger seinen schmutzigen Fantasien nachhängen konnte, tauchte Deaton mit einem alten, dicken Buch auf.

„Nach diesen Aufzeichnungen gibt es nur eine Möglichkeit sie zu töten."
Er schlug eine Seite auf, auf der ein spezielles Zeichen abgebildet war und auf der anderen Seite viele verschiedene Waffen und Schriften, die Stiles nicht entziffern konnte. „Jeden Gott muss man auf eine andere Art und Weise töten. Jeder hat seinen Schwachpunkt. Gaia ist die Mutter aller Götter und ist da schon ein wenig schwerer zu knacken. Ihr müsst an die letzte schwarze Stelle im Wald gehen. Das ist ihr Schwachpunkt! Dann mischt ihr euer Blut zusammen und zeichnet damit dieses Zeichen auf die besagte Stelle. Wenn sie dann nah genug ist, haltet ihr beide eure Hand auf das Zeichen."

Stiles starrte ihn abwartend an. „Und was passiert dann? Einfach 'PUFF' oder was?"
Deaton lächelte amüsiert. „Ja etwa in dieser Art. Es wird sie nicht wirklich töten, aber sie wieder dorthin schicken, vorher sie gekommen ist. Sie wird für die nächsten paar tausend Jahre nicht die Kraft haben aus ihrem Grab zu entfliehen.", erläuterte er.

„Krank aber okay. Das kriegen wir hin, oder Derek? Ein wenig Blut, ein Zeichen aufmalen und tadaaa! Weg ist die Götterschlampe!", meinte Stiles begeistert.
„Und wie wollen wir sie dort hin bekommen, ohne dass sie Verdacht schöpft?", fragte Derek ,der nun auch mal seinen Senf dazu gab.
„Wir sind wie Diamanten in einem Haufen von Steinen. Ich denke, sie wird uns auf Schritt und Tritt verfolgen. Wahrscheinlich weiss sie jetzt schon die ganze Zeit wo wir uns aufhalten...O M G!"

Derek rollte mit den Augen, kam aber näher und verschränkte seine Finger unauffällig mit denen des durchdrehenden Jungen. „Wieso müssen wir immer in der Schusslinie stehen?", meinte Stiles und lehnte sich gegen Dereks Brust. „Weil niemand uns unser Glück gönnen möchte. Jeder ist im Notfall selbstsüchtig und alle schauen nur für sich selbst.", murmelte Derek in Stiles' Ohr und küsste dann kurz seine Stirn. Sie standen immer noch vor Deaton. Dieser beobachtete sie nur mit diesem wissenden Lächeln.

„Weisst du was? Geh schon mal ins Auto. Ich frage, ob er uns eine Kopie der Buchseite machen kann, damit wir das Symbol lernen können.", schlug Derek vor. Stiles nickte ein wenig abwesend und bewegte sich langsam Richtung Ausgang, während Derek und Deaton ins Büro gingen. Aber Stiles ging nicht aus der Praxis. Er wusste, etwas stimmte mit Derek nicht hundertprozentig und er musste herausfinden, was es war.





-Derek-



Er ging mit Deaton ins Büro der Praxis, wo ein Kopierer stand. Derek fühlte sich schlecht, dass er es noch nicht Stiles gesagt hatte, aber zuerst brauchte er Antworten und er hoffte, sie würden positiver ausfallen, als er sich fühlte.
„Was möchtest du wissen, Derek?", fragte der Druide. Der Werwolf wunderte sich gar nicht darüber, dass er es ihm ansehen konnte.

„Ich...Seit mein Herz wieder schlägt, hat sich etwas verändert. Ich weiss nicht, was es ist oder ob ich etwas dagegen tun kann. Es hängt zusammen mit einer Art Panikattacke, die sich permanent wiederholt, Kälte, die mich immer wieder erfasst und es fühlt sich an, als würde ein Teil von mir fehlen.", erzählte der Beta, versuchte seinen Zustand zu erläutern.

Deaton legte das Buch auf den Scanner und drückte den grünen Kopf auf dem Gerät.
„Fühlst du es nun auch?"
Derek sah den Druiden hilfesuchend an.

„Nein. Wenn Stiles bei mir ist, spüre ich all das nicht mehr. Dann bin ich während er bei mir ist wie ...geheilt." Er wusste, dass er wie ein hilfloser Welpe klang, aber er benötigt die Antworten und er wollte, dass es aufhörte.
„Aber er ist gerade nicht hier.", meinte Deaton Stirn runzelnd.

„Die Verbindung zu ihm...sie ist noch genug stark. Er sitzt nur draussen im Auto. Daran halte ich mich fest. Aber wenn er...zu weit weg ist, kann ich sie nicht mehr greifen...ich..."

Das Gefühl zu zerbersten baute sich in Derek auf. Als wäre er aus Glas das bei dem hohen Klang von Schmerz auseinander sprang und sich nicht mehr zusammenfügen liess. Er konnte Stiles diese Last nicht aufbürden, wenn er ihm sagen würde, was mit ihm los war. Wenn er einen Ausweg sah, dann konnte er es ihm begreiflich machen, ohne das sein Partner sich zu grosse Sorgen machte.

„Der Grund für deinen Zustand ist begreifbar. Deine Seele hat sich von deinem Körper getrennt, um in die Zwischenwelt zu gelangen, doch sie konnte die Barriere zwischen Leben und Tod nie ganz durchbrechen, da Stiles dich auf dieser Seite hier festgehalten hat. Deine Seele wurde von Stiles angezogen, aber auch von der anderen Seite. Sie wurde auseinander gezogen, da sie sich nicht entscheiden konnte zwischen Menschenverstand und Bindung. Das Einfachste, dass sie tun konnte war, sich zu teilen. Ein Teil deiner Seele, deines gesamten Wesen ist so zurückgelassen worden. Darum das Gefühl als würde dir etwas fehlen. Ich weiß, es ist kompliziert, das irgendwie zu verstehen, aber es ist nicht gerade ein gutes Zeichen, Derek. Dein Körper wird schwächer werden. Die ersten Anzeichen zeigen sich schon in der fehlenden Körperwärme und der Panikattacken."

Ein bedauernder, sorgenvoller Blick lag auf Derek und die Verzweiflung machte sich nun spürbar.
„Was...was kann ich dagegen tun?"

Er versuchte die Panik in seiner Stimme zu unterdrücken, aber sie drückte sich durch die Wand hindurch, die Derek errichten wollte.
Der Tierarzt beantwortete die Frage nach kurzen Überlegungen mit einer Gegenfrage.

„Wie hast du Stiles an dich gebunden?"
Ein verwirrter Ausdruck schlich sich über die Panik und Derek musste sich zuerst darauf einstellen.
„Ich...die Bissmarkierung am Halsansatz und...naja, als wir miteinander geschlafen haben, da..."

Derek wurde gegen Ende leiser, er wollte dem Druiden nicht sein ganzes Liebesleben im Detail verraten. Es war höchst intim und war nicht für fremde Ohren bestimmt. Dies war etwas, dass er nur mit Stiles teilte.
Doch Deaton verstand und lächelte ihn wissend an.
„Du hast ihn an dich gebunden, ja. Aber die Bindung ist noch nicht vollständig, wie es aussieht."

Der Werwolf verstand nicht ganz. Wie sollte er Stiles denn noch an ihn binden? Und wofür musste die Bindung noch stärker werden? Nicht, dass er es nicht wollte, im Gegenteil, er würde Stiles auf alle jeglichen Arten an sich binden.

„Ich sehe, dass du nicht ganz verstehst, was ich meine. Wenn du die Bindung vollendest und damit Stiles für immer an dich gebunden ist, sogar bis in den Tod, kann man den verlorenen Teil deiner Seele zurückgewinnen. Dieser Teil wird zwar nicht wieder zu dir zurückkehren, aber Stiles Seele ergänzt dann die deine."
Derek hatte die Arme vor der Brust verschränkt und hatte konzentriert zugehört. Jedoch wusste er nicht, ob Stiles dazu bereit wäre. Er wollte ihm nicht zu viel zumuten, sein ganzes Leben hatte der Junge noch vor sich. Der Werwolf war sich sicher, dass Stiles ihn nie verlassen wollen würde, aber wenn es mal eine Möglichkeit gäbe Stiles zu retten, indem er starb...

Er konnte das dem Jüngeren nicht antun. Die Bindung würde noch immer bestehen und vielleicht konnte er Derek dann noch spüren. Das war Folter.
„Ich...ich weiß nicht, ob Stiles das wollen würde.", murmelte Derek, „Er ist noch so jung!"

Deaton sah ihn verständnisvoll an und entnahm dem Kopierer die Kopie und hielt sie Derek hin. „Es ist eine Entscheidung, die du nicht für ihn treffen kannst. Konfrontiere ihn damit, erkläre ihm, um was es geht. Nur er selbst kann entscheiden, ob er es will oder nicht. Wenn die Bindung vollständig ist, kann sie nicht mehr gebrochen werden. Auch wenn der eine von euch noch lebt und der andere schon lange tot ist, seit ihr aneinander gebunden. Ich weiß nicht, ob es auch mit Schmerzen oder gar Qualen verbunden ist, aber eine Bindung wie diese existiert nicht oft."

Derek sah verkrampft zu Boden und blickte dann gebrochen zu Deaton auf.
„Dann entscheidet er über mein Leben."
Der Tierarzt nickte langsam und endgültig.
„Es liegt in seinen Händen."





-Stiles-



Er hatte die Hand vor den Mund geschlagen und lehnte an der Wand die ihre beiden Räume voneinander trennte. Derek hätte ihn eigentlich irgendwann bemerken müssen, davon war Stiles ausgegangen. Aber die Tatsache, dass der geborene Wolf ihn nicht ertappt hatte, verriet dem Jungen, dass er wirklich verzweifelt war, dass es ihm beschissen ging.

Stiles musste seinen stockenden Atem ruhig halten und er versuchte sich zu beruhigen, doch die Tränen liefen seine Wangen unaufhaltsam hinunter. Er fühlte sich schwach, aber er musste so schnell wie möglich zurück ins Auto, bevor sie aus dem Raum kamen. Leise schlich er sich aus der Klinik und buxierte sich in den schwarzen Wagen. Hektisch wischte er sich die Tränen von den Wangen, doch schon liefen weitere nach. Irgendwie musste er sich in den Griff kriegen, bevor Derek auftauchte. Schniefend und völlig überfordert mit all dem schlug er in die Armatur des Autos. Ein schmerzvolles Stöhnen kam über seine Lippen, als er sich die Hand rieb. Verdammt!

Mehrmals fuhr er sich durch die Haare, atmete langsam ein und aus, drängte sein Herz die Schlagfrequenz zu mindern. Als Derek sich in den Fahrersitz niederliess, sass Stiles ausdruckslos neben ihm. Der Junge wusste, dass Derek die salzigen Tränen von vorher riechen konnte und die Überforderung das ganze Auto füllte. Aber der Werwolf sagte nichts, spielte nur gedankenverloren mit dem Schlüssel.

„Warum hast du nichts gesagt?", fragte Stiles in die Stille hinein. Seine Stimme kam ihm übermässig laut vor.
Zuerst sagte Derek nichts, sah nur auf seine Hände, die den Schlüssel hielten.

„Weil ich dir nicht zusätzlich zur Last fallen wollte.", flüsterte er gebrochen.
Stiles hasste sich dafür, dass er genau so reagierte wie es Derek erwartet hatte. Aber wie sollte man da ruhig bleiben? Er hatte Derek schon einmal verloren und das waren die schlimmsten Stunden seines Lebens gewesen, er konnte ihn nicht nochmal verlieren. Das würde er nicht verkraften.

„Ich...ich weiss nicht, was ich tun soll, Derek...es ist...", stotterte er gehetzt. Er musste eine Entscheidung fällen und die entschied, ob Derek lebte oder starb. Für ihn war die Antwort klar, aber es war schwer sie durchzuführen, sie wahrzunehmen und es durchzuziehen.

„Das musst du auch nicht. Ich wollte dir diese Bürde nie auferlegen, okay? Aber jetzt liegt sie auf uns beiden und wir müssen eine Antwort finden. Aber verlegen wird das auf später. Zuerst müssen wir Gaia ausschalten." Derek sagte das mit solch einer Ruhe, als hätten sie alle Zeit der Welt. Aber ihnen rann die Zeit unaufhaltsam durch die Finger und sie konnten nichts machen, um es aufzuhalten. Sie konnten nur zusehen und hoffen, dass sich alles am richtigen Zeitpunkt ergab, bevor sie ihnen ausgegangen war.

The RevengeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt