Èrchomai

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-Stiles-

Stiles hatte es sich auf dem Sofa gemütlich gemacht und kuschelte sich an Derek, der ihn seit sie im Loft angekommen waren nicht mehr losgelassen hatte. Er wusste nicht warum sein Sourwolf plötzlich so anhänglich war, doch ihn störte es nicht sonderlich, im Gegenteil, jetzt war er mal nicht derjenige, der wie eine Klette an seinem Gefährten klebte.

Derek hatte die Nase in seinen Haaren vergraben und seine Arme um den dünnen Jungen gelegt. Es fühlte sich nach zu Hause an, nach Geborgenheit, doch das Gefühl nichts tun zu dürfen, sich nicht mehr einmischen zu dürfen, obwohl man selbst im Mittelpunkt des Chaos war, ließ Stiles rastlos werden. Das Gefühl etwas Wichtiges verpasst zu haben erdrückte ihn innerlich. Am liebsten würde er aufspringen und in den Wald nach Anzeichen suchen, sich selbst der Gefahr stellen und nicht auf Scotts Anruf warten, der vielleicht nicht die gewünschten Informationen für Stiles' unstillbare Wissbegierde zur Verfügung hatte.

Derek bemerkte wahrscheinlich diese Unruhe und hielt in seiner Bewegung inne, hörte auf Stiles' Arm zu streicheln.
„Ich kann die Zahnräder in deinem Kopf auf Hochtouren arbeiten hören. Was ist los?", fragte Derek hinter ihm und küsste sein Haar.

„Ich hasse es hier zu warten und nichts zu tun! Scott hat noch nicht angerufen und deine Erklärung über diese Göttin Gaia war auch nicht sehr Nerven beruhigend. Ich meine sie will höchstwahrscheinlich immer noch unseren Tod und wir sitzen hier, schauen 'Spongebob' im Fernsehen, obwohl du diese Serie hasst! Lydia ist immer noch im Krankenhaus und ich hab sie nicht einmal angerufen!", erläuterte Stiles und fühlte sich plötzlich eingeengt.
Mit wedelnden Armen und Beinen befreite er sich aus Dereks Umarmung und lief auf und ab.

Zu viel Energie sprudelte durch seinen Körper und das Bedürfnis eben dieser Energie freien Lauf zu lassen, brodelte in ihm. Doch in dem Moment als Derek ihn schon daran hindern wollte irgendetwas in seinem Übermut zu zerdeppern, klingelte Stiles' Handy. Alles blieb für einen kurzen Moment unbeweglich, als wäre die Zeit stehen geblieben, bis er zum Tisch hechtete und das Handy annahm.
„Scott?", fragte er erwartungsvoll.

„Ja, ich bin's. Tut mir leid, ich habe mich erst bei Deaton gemeldet und so wie es aussieht seid ihr in Gefahr.", ertönte Scotts besorgte Stimme durch das Mobiltelefon.
„Du hast erst Deaton angerufen, ohne vorher mir Bescheid zu sagen?", fragte Stiles aufgebracht.

„Ja, du möchtest ja einen ausführlichen Bericht. Mach es nicht kompliziert."
Kompliziert? Er und kompliziert?! Nope, ne, ne, ne, NOH!

„Stiles beruhige dich! Ich kann deinen Herzschlag schon fast durchs Handy springen hören."

Er atmete tief durch und versuchte sich zu beruhigen. Derek strich ihm sachte über den Unterarm und legte ihm die Arme um den Bauch, schmiegte sich von hinten an seinen Rücken, hielt in sanft fest. Stiles atmete den Duft von nasser Erde, Tannennadeln und etwas Herberem ein, gemischt mit Dereks eigenem Geruch. Ihn durchlief ein angenehmer Schauer.

„Okay, hab mich beruhigt. Was ist los? Was hat Deaton gesagt? Werden wir alle draufgehen?", wollte Stiles ernsthaft wissen, schließlich wollte man doch auf das Ende seines mickrigen Lebens vorbereitet sein, auch wenn man nicht so einfach aufgeben würde. Er wusste nicht, ob er eine Chance gegen eine Göttin hätte, selbst wenn ein starker Werwolf an seiner Seite kämpfte. Immerhin?! Weil?! Hallo?! Sie kann grüne Wälder in schwarze Löcher verwandeln!Das war ein Grund zur Panik, definitiv!

Doch seine Gedankengänge schweiften ab, abgelenkt von Dereks Berührungen. Schon erstaunlich, dass er sich immer noch nicht an die Nähe und Liebkosungen des Werwolfs gewöhnt hatte.

„Ich denke...wir...Was?!" Die Verbindung hatte plötzlich kleine Unterbrechungen und man hörte schwache Protestlaute.
„Scott? Hey, Scott! Was ist bei euch los? Scott!", rief Stiles in den Hörer, doch er bekam keine klare Antwort, aber es drangen Wortfetzen, die nicht an ihn gerichtet waren.

„Stiles...Sie! Gaia!"
Ein hoher, ohrenbetäubender Laut ertönte und Stiles ließ sein Handy fallen, um sich die Ohren zuzuhalten. Derek ging zu Boden, krümmte sich keuchend zusammen, die Hände auf seine empfindlichen Ohren gepresst. Das Glas der Fenster konnte man bersten hören. Der Ton stoppte so abrupt wie er begonnen hatte und die Verbindung war nun ganz unterbrochen. Stiles richtete sich schwankend auf und sah sich desorientiert um.

Das Klingeln in seinen Ohren ließ langsam nach und die Geräusche seines laut klopfenden Herzens und das Knistern von Scherben unter seinen Schuhen drangen dumpf zu ihm durch. Die Gläser und die Vase auf dem Tisch hatten dem Geräusch auch nicht standhalten können.
Der Werwolf lag bewusstlos auf dem Holzparkett. Blut rann aus seinen Ohren den Hals hinab und klebte an seinen erschlafften Händen.

„Derek.", keuchte Stiles leise.
Der Junge kniete sich neben den bewusstlosen Mann und legte seine Hände auf seine vom Bart rauen Wangen.
„Derek, wach auf!", flehte Stiles schwach. Seit Derek gestorben war, machte er sich nur noch mehr Sorgen um den ehemaligen Alpha. Er hatte bemerkt, dass Derek sich ein wenig anders verhielt und ihm etwas verheimlichte. Aber es war egal, so lange ihm nichts schlimmes mehr passierte.

Aber es war wieder ihm widerfahren. Wieso musste immer er leiden? Warum traf es immer Derek? Sanft rüttelte er an dem ohnmächtigen Werwolf und versuchte ihn aufzuwecken.

„Verdammt, komm schon!"
Seine Finger krallten sich in das Blut verschmierte Hanley und er wollte gerade daran zerren, als Derek nach seinem Handgelenk griff. Blaue, elektrisierende Augen blickten ihm entgegen und Erleichterung durchströmte ihn.

„Hey, Derek. Kannst du mich hören? Bitte, bitte sei nicht taub..."
Derek setzte sich auf und rieb sich die Stirn.
„Nein, ich kann dich hören. Es heilt."

Sein Handgelenk wurde immer noch von dem Älteren umklammert und der Druck wurde leicht verstärkt, als der ehemalige Alpha gebannt an die riesige Fensterfront starrte. Stiles drehte fragend seinen Kopf, der immer noch schmerzte.

Die ganze Front war mit spinnennetzartigen Rissen versehen und die Sonne teilte sich in den Unebenheiten. Es hätte schön aussehen können, vielleicht auch prächtig, doch das war nicht der Grund warum sie den Blick nicht abwenden konnten. Gegen Mitte verdichteten sich die Konturen zu einem einzigen Satz:
Érchomai.
Ich komme.





-Lydia-

Sie spürte eine kleine Wärmequelle an ihrem Unterarm, als sie langsam die Augen öffnete und gegen das helle Weißlicht des Krankenhauses blinzelte. Ihre Sicht klärte sich langsam und als sie den Kopf drehte erkannte sie Ethan, der seine Hand auf ihrem Arm gelegt hatte. Er lächelte sie zwar an, während er sie ansah , doch sein Blick war besorgt, rastlos.

„Hey, Dornröschen.", begrüßte er Lydia glücklich. „Endlich bist du wach. Geht es dir schon besser?"

„Erstens, nenn' mich nicht so und zweitens, wie lange habe ich geschlafen?", fragte sie. Ihre normalerweise melodische Stimme war rau und kratzig, als hätte sie zu lange geschrien. Sie wollte sich gerade ein wenig aufsetzen, als ein stechender Schmerz durch ihre Seite schoss. Murren sank sie wieder zurück in ihre vorherige Position.

„Hey, hey, hey. Du wirst schön liegen bleiben. Deine Wunde ist noch nicht verheilt und die Fäden müssen noch gezogen werden, bevor du hier verschwindest.", ermahnte Ethan sie und schaute immer wieder flüchtig auf sein Handy. Lydia beäugte ihn forschend.

„Was ist los? Wie lange habe ich geschlafen, Ethan? Was ist passiert?", wollte die Banshee wissen, während sich ein ungutes Gefühl in ihrem Magen festsetzte.
„Du warst einen ganzen Tag weg...", gab Ethan zu.
Einen ganzen Tag, das bedeutete auch, dass sie den Vollmond verschlafen hatte.
„Ethan, was ist passiert, sind alle noch am Leben?"

Lydias Stimme hatte einen warnenden, fast schon gefährlichen Unterton angenommen. Die Frage war dumm, denn sie als Banshee sollte es wohl als erste erfahren, wenn jemand starb. Doch sie wollte auf Nummer sicher gehen.
Der Werwolf ergab sich seufzend.

„Nachdem du uns gesagt hattest, dass es Parrish war, waren alle dabei Stiles zu finden. Ich half ihnen und wir haben ihn tatsächlich gefunden. Aber es war eine Falle und wir mussten uns in einem Kampf gegen Parrish stellen. Alle überlebten bis auf Derek und Peter hat Parrish getötet und...", begann er zu erzählen, wurde aber von Lydia sogleich unterbrochen.

„Derek ist tot?!", fragte sie geschockt. Wie tief hatte sie geschlafen? War sie bewusstlos gewesen?
„Könntest du mir einfach zuhören? Keine Unterbrechungen.", verlangte Ethan müde.
Erst jetzt fiel Lydia auf, dass er dunkle Augenringe hatte und er saß mit zusammengesackten Schultern da.

„Und nein, Derek ist nicht tot. Er ist wieder am Leben, durch Stiles. Kompliziert, sie sind so was wie Gefährten. Jetzt will ihnen irgendeine Göttin an den Kragen. Scott wollte mich anrufen sobald er etwas weiß, aber er ruft nicht an und ich sitze hier und warte und..."
Ein lauter Knall ertönte aus dem Inneren des Krankenhauses und unterbrach Ethans Redefluss.

„Was war das?", wollte Lydia wissen und hielt den Ärmel des Werwolfs fest, damit er sie nicht alleine ließ.
Er löste sich aus dem Griff der erdbeerblonden Banshee, ging langsam auf die Tür zu, die die Schreie und Geräusche auf dem Gang abdämpfte.
„Was hast du vor?", fragte Lydia ängstlich.
„Ich möchten nur nachsehen, was da draußen los ist.", antwortete er leise, als das Licht im Gang erlosch und es still wurde.

„Ethan, nicht."
Lydia hatte ein ganz schlechtes Gefühl dabei. Irgendetwas lief hier vollkommen falsch.
Als Ethan die Hand auf den Türgriff legte, bereit hinaus zu springen und zu kämpfen, schoss die Tür aus den Angeln und der Werwolf wurde zurück ins Zimmer geschleudert. Regungslos blieb er liegen.

Lydia schreite auf und ihr Herz raste, sprang ihr fast aus der Brust.
Eine große, in Grün gekleidete Frau mit olivfarbener Haut betrat den Raum und richtete ihre stechend grünen Augen auf die Banshee. Ein abfälliges, überhebliches Lächeln zierte ihre glänzenden Lippen.
Der Anblick dieser Dame fesselte Lydia. Gelähmt vor Angst blickte sie in das perfekte Gesicht.

Die Frau bewegte sich mit eleganten, bedachten Schritten auf die Banshee zu und erst jetzt fiel Lydia auf, dass ihr zwei fast unsichtbare Schatten folgten, als wären sie aus purer Dunkelheit die kein Lichtstrahl je berührt hatte, erschaffen worden. Man sah nur die glühend kalten, gelben Augen die ihr aus den dichten Schwaden des schwarzen Nebels entgegen starrten.
„Du weißt, wer ich bin, nicht wahr?"

Die melodische, umschwärmende Stimme stach eiskalt in Lydias Ohren. Doch sie zwang sich ihr in die Augen zu sehen und die Angst, dir ihren Körper lähmte zu verdrängen.
„Ich kenne Legenden, Bücher.", meinte Lydia leise.

„Dann weißt du auch, was für unermessliche Fähigkeiten ich besitze.", die Schönheit in Grün setzte sich auf Lydias Bettkante. In der Schule würde Lydia sie als Konkurrenz betrachten, da sie wirklich wunderschön und perfekt aussah, doch im Moment fühlte sie sich eingeschüchtert, denn sie wusste, eine falsche Bewegung und sie würde nicht mal mehr schreien können.

Sie schielte zu Ethan hinüber, der immer noch bewusstlos auf dem sterilen Krankenhausboden lag.
„Was sollen Sie?", wollte das erdbeerblonde Mädchen wissen.
Die Göttin strich lächelnd mit ihren Fingern über die weiße Bettdecke, den Blick auf ihre Hand gerichtet.

Die Schatten an ihrer Seite bewegten sich wie lauernde Hyänen, bereit blitzschnell anzugreifen und alles zu verschlingen.
Als Gaia den Blick hob, bohrten sich ihre stählernen grünen Augen, die wie Smaragde leuchteten in die von Lydia.

„Du hast mir gute Dienste geleistet, meine Süße. Auch wenn nicht alles ganz nach Plan verlief, hast du mir dennoch geholfen. Nicht freiwillig, aber wer hält sich schon mit Details auf? Ich lasse dich leben, wenn du mir noch einen kleinen Gefallen erweist."

Die Göttin lehnte sich nach vorne, bis ihre Lippen fast Lydias Ohr streiften.
Regungslos und starr, saß sie im Bett und hielt die Luft an. Ihre Lippen fest aufeinander gepresst.
„Ich möchte, dass du für mich schreist, Lydia. Schrei für mich und tu allen Kund, dass deine Gefährten-Freunde bald das Zeitliche segnen werden.", flüsterte sie zuckersüß und Lydia konnte ihr kaltes Lächeln spüren.

Die langen, perfekten Fingerspitzen der Göttin strichen ihr über den Unterarm und hinterließen ein Schaudern. Sie biss sich auf die Lippen, versuchte den Laut zurück zu halten. Aber es würde so oder so passieren. Also schrie sie. Sie schrie, dass sich ihre Augen schlossen, Tränen rannen die blassen Wangen hinunter, kraftlos. Sie tat es schon wieder. Doch sie würde nichts gegen den Tod tun können. Er ist ein Teil von ihr, der sie von Innen irgendwann zerstören würde. Sie spürte, wer es sein würde, wen es treffen sollte.

Sie fühlte, wie das Band dieser beiden Personen in Stücke gerissen werden sollte und die Kälte breitete sich in ihrem ganzen Körper aus. Ein melodisches und dennoch so perfide klingendes Lachen und gelbe, hungrige Augen waren das Letzte, das sie wahrnahm, bis sie zurück ins Kissen sank.

The RevengeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt