Gute und böse Flammen

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-Derek-

Er hatte fast die ganze Nacht an die Zimmerdecke gestarrt, gehofft, Stiles würde sich noch um entscheiden und bei ihm bleiben. Ihm war bewusst, wie wichtig es seinem Gefährten war bei seinem Vater vorbeizuschauen. Aber er hatte auch die unterdrückte Wut des Jungen wahrgenommen.

Als er dann eingeschlafen war, hatte die Sonne schon angefangen den Horizont zu erklimmen und Derek wachte bald, erschöpfter als zuvor, auf.
Er versuchte sich abzulenken und Stiles seinen Tag mit seinem Vater zu lassen, aber ein ungutes Gefühl beschlich ihn. Diesen Drang, ihn in seiner Nähe zu wissen zu unterdrücken, war nervenaufreibend und ließ ihn unruhig werden.

Irgendwann hielt er es nicht mehr aus. Er musste sein kleines Rotkäppchen wieder um sich haben, sonst würde er durchdrehen.
Derek schnappte seine Lederjacke und stürmte aus dem Loft.

Das Haus seines Jungen kam stetig näher und als er auf der Veranda ankam und schon Richtung Garten verschwinden wollte öffnete sich die Haustür. In der Hoffnung, dass es Stiles war, drehte sich Derek ruckartig um. Doch anstatt den energiegeladenen Jungen vorzufinden, stand dort dessen Vater. Beide blickten sich überrascht an.

„Derek?"
Der Sheriff musterte ihn verwirrt.
„Was machst du hier? Suchst du Stiles?"
Derek löste sich aus seiner Starre.
„Ähm, ja! Ist er da?"

Doch bevor er die Frage ausgesprochen hatte, wusste er bereits das Stiles weg war. Kein zweiter Herzschlag, kein Jeep, der in der Ausfahrt stand.
„Nein. Er ist früh aus dem Haus gestürmt um Scott abzuholen."
Derek murmelte einen Dank und wollte schon los rennen, um Stiles zu finden, als der Sheriff ihn aufhielt.

„Derek?"
Er klang besorgt und erschöpft. Der Werwolf drehte sich um und wartete.
„Es geht ihm gut oder? Du passt auf ihn auf, damit er sich nicht in Schwierigkeiten bringt. Auch wenn er sich bemuttert fühlt, lass ihn nicht aus den Augen, ja?", bat er ihn sorgenvoll.

Der nickte ernst und ließ den Sheriff stehen. Panik fing sich an, sich in seinen Körper auszubreiten und er rannte schneller. Das, was der Sheriff ihm gesagt hatte, ließ ihn nicht mehr los. Waren es Schuldgefühle, die er bei dem Gespräch verspürt hatte? Angst um Stiles? Oder die Erkenntnis, dass er etwas falsch gemacht hatte? Er musste ihn finden.

Schließlich fand er Stiles' Jeep am Waldrand und Scotts Geruch war auch dabei.
Derek vernahm ein Knacken im Wald und zwei Herzschläge. Stiles' schelle Schritte und Scotts schlürfende Füsse. Die beiden traten aus dem Gebüsch und Derek sah Stiles an, dass er frustriert war. Scott war der erste, der den ehemaligen Alpha bemerkte und zog an Stiles' Jacke. Der Junge hob fragend seinen Kopf und starrte ihn verblüfft an.

Derek ging auf die beiden zu und aus Besorgnis wurde Ärger.
„Scheiße...", hörte er Stiles fluchen.
Er blickte streng auf seinen Gefährten hinab, als er sich vor den beiden aufstellte.
„Was macht ihr mitten im Wald? Seid ihr lebensmüde!? Was fällt euch eigentlich ein!?", knurrte er und ließ seiner Wut freien Lauf.
Stiles wurde nun auch wütend und trat einen Schritt auf den Älteren zu.

„Scott war dabei, okay? Ich war sicher! Wir waren nur knappe zehn Minuten da draußen!", brüllte Stiles zurück.
Scott? Dass ich nicht lache! Er kippt vor Müdigkeit fast zur Seite! Scott hätte niemandem standgehalten, ihr seid ein leichtes Ziel! Du hast mir nicht mal was gesagt!"

Derek brodelte innerlich. Er war wütend auf Stiles, weil er sein Leben leichtsinnig aufs Spiel setzte. Dieser Junge würde ihm irgendwann noch einen Herzinfarkt versetzten, wenn er so weitermachte.

„Derek, hör auf mich kontrollieren zu wollen! Ich habe ein eigenes Leben und du würdest mich nicht mal aus deinem Loft lassen! Ja, es könnte mich jemand angreifen oder töten, aber so ist das Leben Derek! Es ist gefährlich und undurchschaubar und ich könnte auch genauso gut von einem Auto überfahren werden! Ich hasse es festgehalten zu werden und du hast mir nichts zu sagen! Ich kann mich selbst verteidigen."

Stiles blickte ihn wutentbrannt an, raufte sich die Haare und drehte sich von Derek weg und er atmete schwer. Scott beobachtete alles geschockt und starrte die Beiden an. Man sah die Sorge um Stiles in seinem Gesicht stehen. Aber er mischte sich nicht ein, da Derek ihm einen warnenden Blick zugeworfen hatte.
„Nein, Stiles! Du kannst dich eben nicht selbst verteidigen! Du bist ein Mensch, du hast gegen das Übernatürliche keine Chance!", meinte Derek laut.
Stiles wendete sich wieder Derek zu, machte einen Schritt und drückte seinen Finger gegen Dereks Brust.

„Ich brauche dich nicht.", sagte er gefährlich ruhig und zähneknirschend und seine Augen glänzten verräterisch.

Es traf ihn wie ein Schlag in die Magengrube.
Dereks Wut war verraucht und der Leere gewichen, die ihn nun einnahm. Er roch den Schmerz und die salzigen Tränen, die nur darauf warteten freigelassen zu werden. Der verletzte Junge packte Scott am Ärmel, zog ihn zu seinem Jeep und bevor sich Derek versah, waren sie schon davongefahren. Das leere Gefühl breitete sich ihn all seinen Gliedern aus und lähmte ihn so, dass er dem Auto nur nach starren konnte, bis es aus seinem Blickfeld verschwand.





-Stiles-

Er fuhr schneller als erlaubt war, doch das war ihm egal. Hauptsache so schnell wie möglich weg von Derek.
Stiles musste sich zusammenreißen, um nicht in Tränen auszubrechen. Denn wenn er einmal mit dem Weinen angefangen hätte, würde er nicht mehr so schnell damit aufhören können. Also blickte er mit starrem Blick auf die Straße und raste vor sich hin.

„Alles in Ordnung?", fragte Scott leise und besorgt.
Stiles musste sich zuerst sammeln, bevor er antwortete.
„Ja, alles bestens!", bluffte er Scott an, ohne ihn eines Blickes zu würdigen.
Er sah die Augen von Derek vor sich, als er ihm diesen Satz direkt ins Gesicht geschleudert hatte. Überraschung lag zuerst darin und dann Schmerz. Nur kurz aufgeflackert und dann gleich wieder erloschen, aber es war da gewesen.

Es war nicht seine Absicht gewesen ihn so zu verletzten. Die Wut hatte die Kontrolle übernommen und er redete ohne nachzudenken. Doch ihm fiel auf, dass er genau das gesagt hatte, was er Derek schon mal erzählen wollte. Außer der letzte Satz, derjenige, der alles zerstörte. Geschah ihm recht, dachte Stiles, während er die Schuldgefühle versuchte mit der abebbenden Wut auf den Wolf zu unterdrücken.

Er hielt harsch vor Scotts Haus an.
„Stiles...Du weißt, dass ich immer für dich da bin, ja? Melde dich bitte, wenn was ist, okay?"
Ein besorgter Hundeblick war auf ihn gerichtet, doch er wollte kein Mitleid.
Ein knappes Nicken kam von dem Fahrer und er brachte ein kurzes 'Auf Wiedersehen' hervor.

Als er zu Hause ankam, parkte er und presste die Lippen aufeinander. Das Gesicht von Trauer verzogen, doch die Tränen blieben noch aus.
Er schlug mit Wucht gegen sein Lenkrad, was ihm einen Schmerzensschrei entlockte. Jetzt war er auch noch sauer auf sich selbst. Seine Hand pochte schmerzhaft, gekonnt ignorierte er es.

An der Tür angekommen schloss er auf, ließ die Türe hinter sich krachen und rannte in sein Zimmer. Erst als er auf seinem Bett gelandet war und sein Gesicht in das Kissen vergraben hatte, ließ er den schon lang zurückgehaltenen Tränen freien Lauf.

Sie durchtränkten sein Kissen und die Schluchzer wurden durch den Stoff gedämpft. Er fühlte sich hilflos, verletzt, gebrochen. So musste sich Liebeskummer anfühlen, dachte er. Stiles fühlte sich schuldig. Derek wollte ihn doch nur beschützen und er gab ihm so eine Abfuhr.

Aber wenn er ehrlich war verdiente das der Werwolf, denn dieser merkte nicht, wann er jemanden verletzte. Derek konnte mit Gefühlen nicht so offen und selbstverständlich umgehen wie andere.
Stiles war hin und her gerissen. Was war richtig, was falsch?

Er kam zu dem Entschluss, dass es besser so war. Der Wolf glaubte ihm nicht, vertraute ihm nicht bedingungslos, was Stiles erwartet hatte. Musste das unter Gefährten nicht so sein? Einander die Wahrheit sagen, einander blind zu vertrauen, keine Zweifel? Anscheinend nicht, denn Derek hielt diese Grundsätze nicht ein. Gefährten, dass er nicht lachte.

Stiles verkroch sich den ganzen restlichen Tag unter seiner Decke und bereitete noch das Abendessen für seinen Dad vor, um sich ein wenig abzulenken. Funktionierte aber nicht so wie gewollt. Immer wieder kullerten Tränen seine Wangen hinunter und er fühlte sich taub, leer, alles, was Platz fand, war der Schmerz.

Die Erkenntnis, dass er Derek nicht so wichtig war wie Derek ihm. Das Vertrauen, das auf der anderen Seite gar nicht zu bestehen schien, war verloren gegangen. Stiles fühlte sich unwichtig, weggeworfen. Obwohl er derjenige war, der davon gestürmt war. Doch Derek hatte ihn nicht aufgehalten.

Am Abend legte er sich ins Bett. Er wollte nicht mit seinem Vater zu Abend essen. Denn sein Dad würde es spüren, dass es ihm nicht gut ging und er hatte keine Lust mit seinem Vater über Beziehung und Liebeskummer zu reden. Appetit hatte er auch keinen.
Als er sich in seine Decke eingewickelt hatte, damit diese ihm wenigsten ein wenig Trost spenden konnte, weinte er sich leise in den Schlaf.




Stiles schaute sich um. Er war wieder auf dieser gottverdammten Lichtung!
Langsam war er es leid durch diesen Wald zu rennen und nach Lydia zu suchen, nur um dann wieder schweißüberströmt aufzuwachen. Auch diese Stille, die alles übertönte. Nicht mal seine eigenen Schritte konnte er hören, obwohl er auf Waldboden ging, der mit Blättern und Ästen übersät war. Wind kam auf und wehte durch Stiles' Haare und das dünne T-Shirt.

„Stiles..."

Lydias Stimme war glasklar, doch Stiles wollte es nicht hören. Nicht schon wieder.

„Lass mich.", befahl Stiles und hielt sich die Ohren zu.

„Bitte Stiles!"

Ohne Stiles' Erlaubnis liefen seine Füße in Richtung von Lydias Stimme. Verblüfft hielt er sich an einem Ast fest, doch dieser brach.

„Was soll das?!"

Seine Beine waren nicht aufzuhalten, also fügte er sich und folgte dem Wind und Lydias Klang.

„Finde mich! Du musst mich finden!"

Er wurde schneller und brach durch Geäst und Gebüsch. Dieses Mal änderte die Stimme nie die Richtung und irgendwann stieß Stiles auf einen kleine Trampelweg, den er fast übersehen hatte. Hoffnung keimte auf und er rannte dem Weg entlang.

„Lydia! Wo bist du?"

Am Fuß eines kleinen Hügels blieb er stehen und lauschte. Seine Knöchel waren aufgeschnitten durch Dornen und stachelige Büsche. Die Wunden fingen an zu brennen, doch er versuchte sich auf die Stille zu konzentrieren.

„Komm schon. Nicht schon wieder! Lydia!", schrie er in die Dunkelheit.

„Stiles..."

Das Flüstern kam von ganz in der Nähe, da war sich Stiles sicher, aber sie wurde schwächer. Das hieß, es blieb ihm nicht viel Zeit.
Er untersuchte den Boden, die Sträucher. Dann fing er an den kleinen Hügel zu erklimmen, um einen besseren Überblick zu haben, da verhakte sich sein Schnürsenkel im Gras.

Stiles fiel unsanft auf den Arm und er jauchzte vor Schmerz auf.
„Verdammt!", fluchte er, als er sah, wo genau sich sein Schuh verfangen hatte.
Ein ganz kleiner, grüner Hebel ragte aus der Erde. Stiles befreite das verhedderte Schnürsenklende und befreite den Hebel von Erde und Gras. Kräftig zog er daran und tatsächlich öffnete sich eine kleine Luke im Boden.

„Lydia? Bist du da unten?", flüsterte Stiles in das Loch hinein. Aber nichts als Schwärze konnte er erkennen und keine Antwort der Banshee.
Ein warmer Wind schob sich das Loch hinauf und Stiles beugte sich weiter hinab, um etwas erkennen zu können. Etwas leuchtete auf.
„Was..."
Das letzte, das Stiles sah, waren zwei glühende Augen und Feuer, das ihn verschluckte.

Er wachte schwer atmend auf und sein T-Shirt war schweißdurchtränkt. Doch der Schock legte sich schnell und machte Erleichterung und Hoffnung Platz.
Es war drei Uhr morgens, doch das war ihm in diesem Moment, scheiß egal.

Stiles griff nach seinem Handy und wählte Scotts Nummer. Eine verschlafene und leicht verärgerte Stimme meldete sich am anderen Ende der Leitung.

„Stiles! Ich hoffe, du hast einen verdammt guten Grund mich so früh am Morgen anzurufen!", murrte Scott in den Hörer.
„Und wie! Ich habe Lydia gefunden!"

The RevengeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt