Nehmen wir doch den Fahrstuhl

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Seit Lora aus dieser durchweg seltsamen Stadt zu entkommen versucht hatte, wären fast drei Männer mit Äxten und Brechstangen über sie hergefallen. Und als hätte dieser Schreck nicht gereicht, wurde sie anschließend von einem nahezu zyklopischen Kerl mit einem verdammten Eisenkäfig auf den Schultern zuerst gewürgt und dann weggeschlossen. Wohl möglich hatte er vorgehabt sein reizendes Metzgerschürzchen bei Gelegenheit um ein paar Lagen zu erweitern.
Doch nun wandelte sie mit Zwei vollkommen Fremden durch eine geschlossene Irrenanstalt, ohne Aussicht auf eine wirkliche Rückkehr nach Hause. Keiner hatte schließlich behauptet es würde irgendwann wieder bergauf gehen!
John und Adam schienen jedoch relativ normal, im Gegensatz zu den anderen Begegnungen dieses Albtraums zu sein, obwohl Adam sich offenkundig als ein Bewohner dieser Stadt herausgestellt hatte. Es schien ihn nicht zu wundern, wovon Lora und John ihm berichteten. Für ihn waren diese Monster, diese prompte Wandlung der Stadt in einen Ort der Verdammnis ,vollkommen gewöhnlich. Adam blieb am Treppenaufgang unerwartet stehen und stöhnte genervt aus, bevor er sich zu John und Lora umwand, die in einiger Entfernung hinter ihm liefen. Während John sich forschend in den Gängen umsah, musterte Lora den blonden Pessimisten, mit einer Skeptischen Miene. Sie mochte ihn nicht. Das wusste sie jetzt schon. Aber sie konnte momentan nun wirklich nicht wählerisch im Umgang ihrer Mitmenschen sein. Generell war sie ja schon froh überhaupt Menschen gefunden zu haben, die ihr offensichtlich ausnahmsweise nicht an den Kragen wollten.
„Was ist los?" wollte die junge Studentin wissen. Sie blieb nicht weit von Adam, nahe der Aufzüge stehen.
„Der Treppenaufgang ist versperrt." Murrte Adam. Er war noch nicht mal in der Nähe der Türklinke gewesen. Woher nahm er also diese Gewissheit?
„Du meinst, so wie die Tür in meiner Zelle?" spottete Lora und schlug die Arme übereinander.
„Witzig."
„Was ist mit den Aufzügen?" warf der ebenfalls in Silent Hill gestrandete Student, John ein. Ohne Rücksicht auf Verluste, schlug er mit der Faust auf den Aufzugsknopf. Konnte zumindest nicht schaden.
„Das würde ich lassen." Ergänzte Adam, schloss aber dennoch zu den Beiden auf. Diese Idioten waren viel zu unbekümmert. Lora verzog die Augenbrauen. Wie konnte man eigentlich dermaßen negativ eingestellt sein? Als der Aufzug sich tatsächlich in Bewegung setzte und mit einem 'DING' in der obersten Etage ankam, bedachten die beiden Studenten Adam mit einem süffisantem Blick.
Die Aufzugstür öffnete sich stockend. In ihm jedoch eine merkwürdige Gestalt, die mit dem Rücken zu ihnen stand.
„Verdammt, was ist das denn?" Lora zog ihre Waffe und richtete sie direkt auf das Innere des Aufzugs.
„Ladys first..." flüsterte Adam, bevor er einen Schritt zur Seite tat, damit Lora zuerst in den Aufzug steigen konnte. Das menschenähnliche Wesen wand sich jäh zu den Dreien um. Es schien recht ungelenk zu sein. Ihm fehlten die Arme. Zudem besaß es zwar einen Kopf aber das Gesicht war schlicht nicht existent. Man musste fast Mitleid damit haben. Stattdessen fing es noch im Aufzug an wie wild zu zappeln als es die Anderen bemerkte. Lora und John waren zwar schockiert, bewegten sich allerdings kein Stück vom Fleck, während Adam ihnen riet aus dem Weg zu gehen. Gerade als sich bei der leidvollen Kreatur der Brustkorb öffnete, entschied sich der Aufzug wohl, dass das Maximalgewicht überschritten worden war. Man hörte zuerst einen lauten Knall ,den die berstenden Stahlseile von sich gaben und anschließend ein furchterregendes Quietschen, nachdem der Aufzug sich in seiner Verankerung löste und mitsamt der wild zappelnden Kreatur gen Erdgeschoss raste. 'DINGDINGDINGDINGDING' kündigte der Fahrstuhl noch im Fall an, bevor er im Erdgeschoss aufschlug. Eine grausam Dicke Staubwolke kam aus der nunmehr offenen Liftöffnung und die Türen schlossen sich wieder als wäre nie etwas gewesen.
„Okay?!" murmelte John. Er wusste gerade wirklich nicht was er dazu noch sagen sollte.
„Dann also doch die Treppe..." ergänzte Adam als er die Gesichter seiner beiden Begleiter eingehend musterte. Ihm war zum ersten Mal an diesem Tag wirklich zum Lachen zumute.
„Adam, WAS war DAS?!" wollte Lora wissen, nachdem Adam ja scheinbar keinerlei Angst davor gehabt hatte.
„Wir nennen sie, die Lästernden." Begann Adam. Er legte sein Ohr an die Tür, die zum Treppenaufgang führte und lauschte. Es gefiel ihm genauso wenig wie den Anderen, wenn man auf irgendeines dieser Wesen traf, allerdings brachte es ihm persönlich nicht viel, in Angst und Schrecken davon zu laufen. Er bevorzugte einfach den leisen Rückzug. Für gewöhnlich hatte man da weniger Kollateralschäden vorzuweisen. Er hatte Verständnis dafür ,wenn andere diese Vorgehensweise ratifizierten, immerhin gab ihm dies die Möglichkeit sich selbst klammheimlich in Sicherheit zu bringen.
„Die Lästernden?" wiederholte John verwirrt. Dieses Vieh wirkte nicht so als könne es über irgendjemanden Lästern. Wie denn auch? Ohne Gesicht.
„Angeblich, waren sie damals normale Bürger. Verbreiteten Lügen über..."
„Über was?" harkte Lora nach.
„Der Punkt ist, sobald sich ihr Brustkorb öffnet, versprühen sie Säure. Unschön! Kommt ihnen nicht zu nahe, dann passiert euch nichts." Schloss Adam ab. Er sah sich auf dem Gang um und griff nach einer Eisenstange die am Ende so verformt war ,dass sie als Brechstange herhalten würde können.
„Herzallerliebst. Und jetzt? Wenn wir nicht mal in den Gebäuden sicher sind, wo sollen wir dann überhaupt hin?" Lora war genervt. All das hier war doch durch und durch reihenweg Absurd. Doch John schaffte es erneut sie wieder aufzumuntern.
„Adam erwähnte etwas von einer Kirche. Angeblich können diese Dinger dort nicht hinein. Eine Art Zufluchtsstätte." Erklärte John und lehnte sich an die Wand.
Vielleicht würden sie dort ja sogar etwas zu Essen finden.
„Zuerst müssen wir aus dieser Anstalt raus." Adam wurden diese Gespräche zusehends unangenehm. Zumal er nicht erwähnt hatte, was seine Begleiter in der Zufluchtsstätte erwarten würde. Er wuchtete das schmale Ende der Eisenstange in den Türschlitz und hebelte sie unter minimaler Kraftanstrengung auf.

...

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