Vorahnung

65 4 0
                                    

„Verdammt", zischte sie. Sie konnte es immer noch glauben: Sie hatte ihn verloren, dessen war sie sich bewusst – Den Hasen, der ihr all die Zeit nur etwas vorgespielt hatte. Der Hase, der Hase, der ihr einst das Herz gebrochen hatte – Der Hase, der so viel Unheil in ihr Leben gebracht hatte. Der Hase, der ihren besten Freund – Nein, ihre große Liebe verletzt hatte, gar vielleicht auch getötet. Sie musste ihn so schnell finden, wie irgendwie möglich.

Sie wollte Rache. Rache für Nick. Rache für ihre Kinder. Rache für sich selbst. Das schwor sie sich und wenn es das Letzte war, was sie in ihrem Leben vollbringen würde – ‚Nein' schoss es ihr durch den Kopf. Das könnte sie ihren Kindern niemals antun. Dann würden sie ganz ohne Eltern sein. Tief atmend, zog sie die Luft ein. Zurück erinnere sich zu zurück an ihre Herreise. An die klemmende Stille und Einsamkeit. Ganz allein saß sie in dem Abteil. Sie sah die Berge und Meere an sich vorbeiziehen, ihre Heimat hinter sich lassen. Für Nick und ihre gemeinsamen Kinder. Es war der einzige Weg für sie zurück in die Realität.

Realität – Ein gutes Sprichwort – Die eigene Realität hatte sie verlassen und gegen die der Menschen eingetauscht gehabt. Sie blickte an sich herunter. Auch sie war nun ein Mensch. So richtig glauben konnte sie es noch nicht. Sie holte ihr Smartphone hervor. Es ging tatsächlich an. Dort sofort sprang ihr das Hintergrundbild ins Auge. Sie war dort mit den Kindern und Nick zusehen. Ihre wahre Familie – Urplötzlich verlor sie ihr Gleichgewicht. Sie war angerempelt worden. „Die heutige Jugend nur noch am Handy", beschwerte sich der Täter leicht erzürnt.

Alles ging so schnell, dass sie nicht mehr reagieren konnte. Das einzige, was sie hervorbringen konnte, war: „Tut mir leid.." Das war typisch für sie. Erst an alle Anderen denken, dann erst an sich selber. So war sie eben einfach mal. Kurz darauf steckte sie ihr Handy weg. Dabei fuhr sie mit ihren schmächtigen Händen ihren Körper hinab. ‚Komisch, warum bin ich so..', konnte sie sich keinen Reim machen – Menschen waren schon ziemlich komische Geschöpfe – ‚Wir Hasen, nein, wir alle sind nicht so gebaut wie..', verstand den menschlichen Körper nicht ganz.

„Wir bitten um Ihre Aufmerksamkeit!", ertönte eine laute Ansage und riss sie aus ihrer Gedankenwelt. Ein Nachrichtensprecher war auf dem Monitor aufgetaucht, der daraufhin fortfuhr: „Wir müssen Ihnen leider mitteilen, dass Sie unser Bahnhofsgebäude vorerst nicht verlassen können. Das benachbarte Hotel hat Feuer gefangen und es wird wohl eine Zeit lang dauern, bis die Feuer den Brand unter Kontrolle bekommt." Binnen weniger Sekunden blitzte eine Erinnerung in ihr hervor: „Das Hotel meiner Eltern heißt Hotel zur Rheinmosel."

Judy wusste jetzt schon, was vorgefallen war.

Recht schnell entschied sie sich, etwas zu unternehmen. Dafür müsste sie erst einmal hier herauskommen. Verzweifelt lief sie auf und ab. Es war das Hotel, welches Felix Eltern gehörte, was da brannte. Da war sie sicher. Er hatte ein wenig davon erzählt gehabt „Es mag zwar nicht wirklich groß sein, dennoch ist es ein Schmuckstück. Es ist der ganze Stolz der Familie" – Der Stolz war gerade am Brennen. Wieder würde Felix alles verlieren: „Meine Familie ist tot, meinen leiblichen Vater habe ich niemals kennengelernt, jetzt habe ich nur noch meine Adoptivfamilie." Nick erwiderte: „Und uns natürlich!" „Euch natürlich auch", nickte Felix schmunzelnd.

Zoology - das Quartett (Zoomania)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt