Kapitel ⇴9

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»Darf ich dich küssen?«
John zuckte zusammen, als er die Worte seines Gegenübers, aus dem Nichts heraus, zu hören bekam. Sein Körper erstarrte noch im selben Augenblick als Sherlock auf ihn zukam und eine Hand an seine glühende Wange legte. Das kleine, leise Kaminfeuer neben ihnen war das einzige was ihnen Licht spendete.
Sie wurden von einer Seite in ein goldenes, warmes Licht getaucht während die andere Seite in das kalte Dunkel der Wohnung tauchte.
John war heiß und kalt zu gleich, seine Beine fühlten sich an wie Gummi und sein Herz sprang ihm jeden Moment aus der Brust.
"Nein! Nein, verdammt nochmal!" Schrie sein Verstand ihn an, so laut, dass er glaubte Sherlock hörte es. Trotz dessen, dass er sich gegen all das hier sträubte, konnte er sich nicht bewegen. Auch nicht, als Sherlock nun so nah war, das es nur noch eine Fingerbreite brauchte, dass sich ihre Lippen berührten.
John atmete langsam aus, legte seine Hände auf Sherlocks Brust und...
Schob ihn weg.
»Du bist betrunken Sherlock. Das würdest du nicht wollen.« Er behielt seine Handflächen auf die sich gleichmäßig hebende und senkende Brust des etwas verwirrten Detektivs.
»Geh schlafen.« Mit diesen Worten verschwand John ohne ein weiteres Wort aus der Tür und kam erst am nächsten Morgen wieder.
Er hatte die Nacht bei Molly verbracht, die ihm als Freundin zur Seite stand, obwohl sie nicht wusste was los war. Er hatte kein Auge zu getan und nur versucht seine Gedanken und Gefühle zu ordnen. John kam zu dem Schluss, dass das gestern nur einer von Sherlocks vielen Seltsamkeiten war und er nicht weiter darüber nachdenken sollte.
Ja, er war nicht dumm. Er wusste das irgendwo tief in ihm sich Gefühle für seinen besten Freund angehäuft hatten, aber so schlimm war es nicht, sagte er sich, das würde sowieso wieder vergehen. Da nützt die Mühe auch nicht sich an Sherlock heranzumachen, das war doch kindisch.

Als er allerdings am nächsten Morgen mit einer Tüte Brötchen in der Hand pfeifend die Stufen hoch schlenderte und sich verwirrt in der leeren Wohnung umsah, war Sherlock nicht aufzufinden. Weder in seinem Zimmer, noch sonst irgendwo in der Wohnung laut Mrs Hudson.

»Er wurde entführt.«
»Was?!« John sprang von seinem Platz auf, während sich beinahe in derselben Sekunde noch Panik in ihm breitmachte. Mycroft, der ihn kurz nach seiner Ankunft in der Bakerstreet anrief und ihn zu sich bestellte, drehte Däumchen und sah den herumtigernen John mit wartender Miene dabei zu wie er sich immer weiter in die Angst hereinschaukelte.
»Wie können Sie da so ruhig bleiben?« John setzte sich wieder, um herunterzukommen.
»Ich habe eine Nachricht von dem Entführer erhalten. Sie, John, sollen sich alleine um Punkt 12:24 Uhr in einer alten Lagerhalle außerhalb Londons mit ihm treffen. Er hatte die exakten Koordinaten aufgeschrieben...«
»Das macht die Sache nicht besser!« Unterbrach der aufbrausende Watson den leicht genervten Holmes Bruder. »Das heißt für dich einfach nur, du spielst den Lockvogel und ich mache die restliche Arbeit.« John schüttelte den Kopf und runzelte die Stirn. »Glauben Sie er ist so dumm sich einfach so hintergehen zu lassen? Das ist schon fast zu leicht.«
»Und wenn schon. Es ist Sherlock Holmes! Mein Bruder hat schon weit schlimmere Situationen durchgestanden als ein kleiner Moriarty-Abklatsch, der sich auf schlau tut.«
»Sie wissen von dem Zettel?« Daraufhin zwinkerte Mycroft einfach nur, stand auf und verabschiedete sich im Herausgehen, mit der Information, dass er John weitere Anweisungen zukommen lassen würde.

John glaubte ja, dass Mycroft das viel zu leicht hin nähme und doch musste er ihn wohl oder übel vertrauen.
Bis kurz vor 12Uhr war keine Sekunde vergangen in der John nicht aufgebracht und besorgt in der kleinen Wohnung zwischen dem Sofa und dem voll gestellten Kamin hin und herging, wie in einer Trance, während er an Sherlock dachte. Er könnte jetzt in diesem Moment eingesperrt und verletzt irgendwo im nirgendwo herumliegen oder viel schlimmer vielleicht wurde er gefoltert? Was, wenn er tot war, oder kurz davor? John raufte sich die Haare und setzte sich zum ersten Mal in zwei Stunden hin. Es war nicht seine Art einfach herumzusitzen und abzuwarten, normalerweise hätte er schon die ganze Erdkugel auf den Kopf gestellt auf der Suche nach Sherlock.
Genau im richtigen Moment kam Mrs Hudson herein und tratschte etwas von einer Fremden, die ihr einen Brief ohne Adressaten überreicht hatte.
»Der Platz steht Ihnen übrigens nicht.« Lächelte die alte Dame kopfschüttelnd und verschwand wieder nach unten.
John sah ihr verwirrt mit dem Zettel in den Händen nach, lehnte sich nach hinten und sah vor sich seinen grauen Sessel. Tatsächlich, er hatte sich versehentlich auf Sherlocks Platz gesetzt.

𝘮𝘢𝘥𝘦 𝘧𝘰𝘳 𝘭𝘰𝘷𝘪𝘯𝘨 𝘺𝘰𝘶 ʲᵒʰᶰˡᵒᶜᵏWo Geschichten leben. Entdecke jetzt