Erpressung

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35. Kapitel

Kjell

Ich treffe mich am Samstag mit Thorvi, weil mich Milans anstehender Kampf gegen den Typen, der ihn beim letzten Mal krankenhausreif geschlagen hat, nervös macht. Aber es ist nicht nur das. Es ist auch, dass sich irgendwas an Milan verändert hat. Weil er mir versprochen hat zu reden, wobei ich zum jetzigen Stand nicht davon ausgehe, dass es passieren wird. Vielleicht wird er den Stand der Dinge irgendwie abtun. Er hat gesagt, dass das womöglich sein letzter Kampf im Pix sein wird und er nicht weiß, was er dann tun wird.

Das klingt viel zu schwammig.

Vielleicht bin ich aber auch nur ein pessimistischer Trottel, der nicht damit umgehen kann, wenn der eigene Freund sich normal verhält.

Ich liege mit dem Rücken auf dem Bett von Vi und habe die Arme hinter meinem Kopf verschränkt. Sie sitzt am Bettende und zieht Perlen auf feinem Band auf, um Armbänder daraus zu machen. Wir trinken Weinschorle, um uns zu entspannen, aber gleichzeitig versuchen wir uns nicht zu betrinken.

„Ihr seid jetzt also richtig zusammen?", hakt Vi nochmal nach, nachdem ich ihr alles erzählt habe, was zwischen Milan und mir gelaufen ist. Im Nachhinein halte ich es für eine dumme Entscheidung all das vor ihr verheimlicht zu haben. Denn Thorvi ist ein Draufgänger. Sie hätte mich nicht getadelt oder angeschnauzt, weil ich mich im Pix nicht an ihre Regeln gehalten und einem super hotten MMA-Kämpfer in die Arme gelaufen bin, der jetzt mein Freund ist. Im Gegenteil. Es hätte mir vermutlich sehr viel Kopfschmerzen abgenommen, weil es guttut, jemandem alles zu erzählen.

„Schätze ja."

„Du schätzt?" Sie ringt sich dazu durch mir einen kritischen Blick zuzuwerfen, bevor sie ihre Finger zurück in die Perlen taucht, die vor ihr liegen. „Hattet ihr schon sex?"

Ich schlucke. „Was hat das damit zu tun?"

„Nichts." Ich beobachte, wie sie grinst. „Interessiert mich nur."

Ich verdrehe die Augen und beiße mir auf die Unterlippe, während mein Hirn Flashbacks von Donnerstag-Nachmittag hervorkramt, als Milan und ich in der Dusche rumgemacht haben. Das war so intensiv wie lange davor nichts. Und trotzdem schleppe ich seitdem so ein elendiges, bleischweres Gefühl im Magen mit mir herum. Ein Teil dieses Gewichts kommt wohl von der Tatsache, dass ich bereits meinen Rückflug nach Deutschland gebucht habe. Ich fliege in etwa vier Wochen und bis jetzt haben Milan und ich nicht einmal darüber gesprochen, wie das mit uns überhaupt weitergehen soll. Ich möchte, dass es weitergeht. Aber ist eine Beziehung auf diese Distanz überhaupt möglich? Noch dazu sind selbst Besuche keine spontanen Aktionen. Alles muss geplant. Ein Visum beantragt. Geld gespart werden. Es gibt so viel, was man bedenken muss, bevor wir uns sehen können. Also, wie bitte sollen wir so funktionieren?

„Ich bin mir nicht sicher, ob ich das kann", gebe ich zu und fummle mit den Fingern am Saum meines Pullovers herum, um Thorvis Blick nicht begegnen zu müssen.

„Mit ihm schlafen?"

Ich verdrehe die Augen und werfe eines der Kissen nach ihr, was sie mit einem kreischenden „Vorsicht, die Perleeen!" quittiert. Ich muss lachen, aber auch das ebbt schnell wieder ab.

„Ich fliege bald zurück nach Deutschland. Was dann?"

Ich sehe, wie sie mit den Schultern zuckt. „Hallo? Gen Z, es gibt Facetime."

Das reicht mir nicht. „Du hast recht."

„Ihr werdet das schon hinbekommen, wenn ihr wirklich wollt. Wie steht Milan dazu?"

„Wir haben bisher nicht darüber gesprochen."

„Aber er weiß, dass du zurück nach Deutschland musst? Also .. nicht, dass ich was dagegen hätte, wenn du einfach dauerhaft hierbleibst."

To be RecklessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt