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38. Kapitel

Kjell

Milan und ich sind allein, als es schon spät ist. Er telefoniert im Schlafzimmer lautstark mit Josh, während ich auf dem Rand seiner Badewanne sitze und an die grauen Fliesen starre, die vom Duschen feucht sind. Eigentlich bin ich fertig. Fertig angezogen. Fertig mit den Nerven. Fertig fürs Bett.

Trotzdem bleibe ich sitzen. Nicht um zu lauschen. Aber um Milan Raum zu geben, um mir Raum zu geben. Wir haben nicht viel miteinander gesprochen, seit wir uns im Pix von den anderen verabschiedet haben und zu ihm gefahren sind. Während ich Duschen gegangen bin, hat er uns Essen bestellt und dann angefangen mit Josh zu telefonieren. Jetzt warte ich quasi nur darauf, dass mein feiger Arsch sich dazu aufrafft, das sichere Badezimmer wieder zu verlassen. In meinem Kopf spielen sich immer wieder die Momente ab, in denen Milan von Iljas Fäusten getroffen wurde. Ich weiß gar nicht, warum ich Trottel jedes Mal so intensiv den Kampf betrachte, obwohl mir doch klar ist, was passieren wird. Tue ich das immer noch, aus den anfänglichen Gründen meiner Flucht aus meinem langweiligen Leben in Deutschland? Denn gerade wünsche ich mir nichts sehnlicher als Langeweile und Tristheit.

Ich bemerke gar nicht, dass es nebenan still wird. Das nehme ich erst wahr, als ein stilles Klopfen an der Badezimmertür ertönt und sich die Tür öffnet. Milan kommt in den kleinen Raum hinein und hockt sich vor mich. Seine Knie stoßen gegen meine Schienbeine, während seine Finger meinen Kiefer finden und mich dazu bringen ihn anzusehen. Wie jedes Mal pocht mein Herz sofort in einem unruhigen Takt, weil die Berührung seiner Fingerkuppen auf meiner Haut Brandnarben hinterlassen. Milan sieht mich an und auf seinen Lippen hängt ein mattes Lächeln. Er sieht verschlafen und müde aus, während seine Augen energiereich glitzern.

„Ich habe gute Neuigkeiten", sagt er sanft. In meiner Magengegend bewegt sich was, das sich nach Übelkeit anfühlt. Aber mein Körper lässt sich Zeit. Gibt Milan die Chance mir eine positive Reaktion zu entlocken, wo doch gute Neuigkeiten etwas sind, worauf man ein Lächeln erwidern sollte.

Doch ich schaffe es nicht zu lächeln.

Milan seufzt leise, ohne vorwurfsvoll zu klingen. „Ich weiß, dass ich in letzter Zeit nicht sonderlich fair zu dir war. Eigentlich .. noch nie so richtig. Und ich verlange nicht von dir, dass du mir glaubst, wenn ich dir sage, dass ich das nur aus Zuneigung zu dir tue. Dass ich ein Trottel bin und oft nicht weiß, wie ich mit dir umgehen soll. Aber vielleicht kann ich dich – fürs erste – darum bitten mir zu glauben, dass ich mich bemühe das mit uns hinzubekommen?"

Das klingt nach Ehrlichkeit und gefällt mir. Es ist nicht so, als hätte Milan irgendwas getan, dass mein Vertrauen ihm gegenüber in Frage gestellt hat. Die Aktion mit meinem Job im Pix war scheiße. Aber ehrlich gesagt hat mich die Tatsache, dass ich mir einen neuen Job suchen muss, mehr gewurmt als der Verrat. Darüber war ich schnell hinweg. Was mich allerdings stört ist, dass ich das Gefühl habe bei Milan und seinem Leben nur auf der Oberfläche zu schwimmen. Und, dass er mit allen Mitteln dafür sorgt, dass ich genau dortbleibe. Sicherheit? Fehlanzeige.

„Ich hab so viele Fragen", sage ich leise.

Milan lächelt mild. „Ich weiß. Ich kann deinem Kopf dabei zusehen, wie er sich dreht und kurz vorm Platzen ist. Das kann ich übrigens seit Wochen schon."

„Und du lässt mich trotzdem zappeln?"

Seine linke Hand legt sich auf meinen Oberschenkel und sein Zeigefinger beginnt Kreise auf meiner nackten Haut zu fahren. Ich trage Boxershorts und ein T-Shirt. Damit habe ich weniger an als Milan, der in Jogginghose und Pullover steckt.

„Mir fällt es schwer herauszufinden welche Antworten dich zufriedenstellen", gibt er zu. Ich halte seinem Blick stand, während meine Lippen nach seinen verlangen. Er ist mir so nah, gleichzeitig halten wir uns beide auf Abstand.

To be RecklessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt