Wunderbar

1K 43 4
                                    

Eigentlich hätte es mir viel früher auffallen müssen. Es erklärte einfach alles. Das komische Gefühl in meinem Bauch, das Kribbeln, das Gefühl, welches ich für Schuld gehalten hatte, das ich Misty nicht ausstehen konnte, dass Will mir auf einmal nichts mehr bedeutete und dass ich ihn vorhin geküsst hatte.
Ich senkte meine Gesicht und meine nassen Haare fielen wie ein Vorhang vor mein Gesicht. Es war einfach unmöglich. Ausgerechnet in ihn. Nach allem, was geschehen war. Jahrelang war er mir hinterhergelaufen und ich verliebte mich jetzt in ihn. Nachdem ich ihm das Herz gebrochen hatte. Ihn geradezu zwang mich zu hassen.
So etwas konnte doch wirklich nur mir passieren. Bestimmt war es meine Strafe dafür ihn so hintergangen zu haben. Merlin oder Karma auf jeden Fall.
Das eiskalte Wasser prasselte noch immer erbarmungslos auf mich herab, doch die Kälte schien mich jetzt erst zu erreichen. Ich merkte, dass ich am gesamten Körper zitterte und schlang meine Arme um meine nassen Schultern. Unsicher kam ich wieder auf die Beine und schaltete die Dusche aus. Ich trat aus der Kabine und tropfte mit meinen triefenden Haaren und Klamotten den Boden voll. Eine kleine Ewigkeit stand ich eifach dort und fror, während sich zu meinen Füßen eine kleine Pfütze bildete.
Dann schien ich endlich wieder zu mir zu kommen und entledigter mich meiner vollgesogenen Kleidung. Achtlos warf ich sie zu Boden und schnappte mir das erstbeste Handtuch. Fest schlang ich es um meinen zitternden Körper. Ich war auch der einzige Mensch, der auf die unfassbar dämliche Idee kam mitten in der Nacht duschen zu gehen. Auf kältester Stufe. Im Winter.
Leise öffnete ich die Badtür und tapste barfuß durch den dunklen Gemeinschaftsraum. Meine nassen Haare hinterließen eine Tröpfchenspur auf dem Weg zu meinem Zimmer. Fast hatte ich mein Zimmer erreicht, als ich plötzlich etwas hinter mir hörte. „Lily.", hauchte eine Stimme hinter mir. Seine Stimme.
Erschrocken fuhr ich herum und hätte beinahe mein Handtuch fallen gelassen. „J–James! Du hast mich ja erschreckt.", stammelte ich und versuchte ein erleichtertes Lachen hervorzubringen, das mir jedoch im hals stecken blieb. James hatte wohl gerade auf dem Sofa gesessen, denn er stand direkt davor und blickte mich verwundert an. Unwohl zog ich das Handtuch noch enger um mich und verkrampfte Meine Hände im rauen Stoff. „Was machst du hier?", fragte ich nervös. Doch er schien mich nicht gehört zu haben, sondern starrte mich nur an, wie eine Erscheinung. „Ähm James? Alles gut?", unsicher trat ich einen Schritt auf ihn zu. „Ja, klar.", James fing sich wieder. „Was machst du hier?", wiederholte ich meine Frage. „Konnte nicht schlafen.", antwortete er knapp. „Klar, du hast ja schon den halben Tag geschlafen.", lachte ich krampfhaft. In meinem Bett. Musste ich wirklich daran erinnern? Am liebsten hätte ich mir eine verpasst, doch das hätte diese Situation nicht gerade weniger unangenehm gemacht. „Und du warst duschen?", erkannte er das offensichtliche und klang dabei etwas belustigt. Ich nickte stumm. „Machst du das ab jetzt immer um ein Uhr morgens?", jetzt machte er sich über mich lustig. „Nein, ich konnte nur auch nicht schlafen und da dachte ich...", hilflos zuckte ich mit den Schultern. James lächelte leicht. Eines seiner wunderschönen ehrlichen Lächeln. Begann ich gerade ernsthaft zu schmachte? Nur weil ich mir eingestanden hatte, dass ich ihn mehr als nur mochte, musste ich noch lange kein Klischee erden! Wütend über mich selber schüttelte ich leicht den Kopf. Ein Tropen löste sich aus meinen Haaren. Rann meinen Hals hinab, über meine Schulter hinweg, blieb kurz am Ansatz meines Schlüsselbeins hängen und versiegte dann im Stoff des Handtuchs. Die ganze Zeit spürte ich, wie James' Blick dem Tropfen folgte. Wenn ich noch keine Gänsehaut gehabt hätte, wäre es spätestens jetzt soweit gewesen. Unwohl trat ich auf der Stelle. „Ich gehe mich mal anziehen", murmelte ich und eilte in mein Zimmer.
Als ich die Tür hinter mir geschlossen hatte, atmete ich erleichtert auf. Das war echt schrecklich gewesen!
Ich öffnete meinen Kleiderschrank, zog ein zu großes T–Shirt und eine weite Stoffhose hervor und schlüpfte hinein. Mit meinem Zauberstab trocknete ich meine Haare und fühlte mich nun endlich nicht mehr, wie eine unterkühlte Leiche. Dann stand ich in meinem Zimmer und dachte angestrengt nach. Entweder ich konnte jetzt stundenlang wachliegen und verzweifelt versuchen einzuschlafen, oder ich konnte in den Gemeinschaftsraum zurück gehen und...Genau, was dann? Sollte ich James sagen „ach übrigens, nachdem ich dich jetzt sechseinhalb Jahre gehasst habe bin ich jetzt in dich verliebt, toll oder?" Ganz sicher nicht! Trotzdem zog es mich zurück zu ihm. Seufzend gab ich auf, atmete nochmals kurz durch und verließ mein Zimmer.
James saß wieder auf dem Sofa und blickte überrascht herüber, als ich den Raum betrat. Mit rasendem Herzen ging ich geradewegs auf ihn zu und setzte mich neben ihn. James zog eine Augenbraue hoch, sagte jedoch nichts. Ich sammelte mich kurz und überlegte, was ich ihm sagen wollte. „Wir sollten reden.", ja das war ein guter Anfang, „Weißt du, ich denke nachdem...nach allem, was wir gemacht haben, sollten wir uns wenigstens einmal aussprechen ich halte es nicht aus, so wie es gerade ist." James sah mich durchdringend an und nickte. Neuer Mut erfüllte mich „Wir haben in letzter Zeit beide Dinge getan auf die wir nicht stolz sind. Und es ist jetzt auch egal warum wir es gemacht haben. Tatsache ist, wir waren beide nicht sonderlich nett zueinander und mir zumindest tut es verdammt leid.", betreten schwieg ich. „Mir tut auch leid, was ich gemacht habe, das war echt nicht okay.", sprachJames jetzt weiter, „Und ich wollte dir nur sagen, ich verstehe, warum du das getan hast." Ich wagte es nicht ihn anzublicken. „Also wenn wir beide einsehen, das wir Fehler gemacht haben...ich denke...wir sollten versuchen das alles hinter uns zulassen und vergessen. Manche Dinge haben es nicht verdient, dass man sich an sie erinnert.", fuhr ich mit zittriger Stimme fort. Unsicher blickte ich zu ihm. James nickte leicht. „Wir sollten nach all den Jahren diese alberne Feindschaft zu begraben und könnten versuchen...", ich zögerte, das würde jetzt wehtun, „Einfach...Freunde zu sein.", Nie zuvor hatte ich das Wort „Freunde" so sehr verabscheut. „Freunde.", lachte James. Für einen Moment glaubte ich Bitterkeit aus seiner Stimme zu hören. „Das klingt garnichtmal so schlecht." Sah er das wirklich so? Ich lächelte, doch am liebsten hätte ich eigentlich angefangen zu weinen. Das tat einfach zu sehr weh. „Also dann, Freundin", das letzte Wort betonte er besonders. Ein stich in mein Herz. „Wir sollten langsam mal versuchen zu schlafen", meinte James und erhob sich. Ich murmelte etwas zustimmendes, doch etwas musste ich noch loswerden. „James?" „Ja?" „Es ist nur...wegen Misty. Es kann sein, dass ich falsch liege, aber ich hatte von Anfang an das Gefühl du bist nur mit ihr zusammen um mir etwas zu beweisen. Und...du bist zu gut für sowas. Du verdienst mehr. Mach dich nicht kaputt um mir eins auszuwischen, dafür bist du zu viel wert." Darauf brauchte ich keine Antwort, ich wusste, dass es so war. „Gute Nacht.", murmelte ich noch und ging dann in mein Zimmer.
Nach diesem Gespräch fühlte ich mich endlich erschöpft genug um einen weiteren Versuch zu starten einzuschlafen. Ich legte mich in mein Bett. Die Matratze war wieder kalt und sein Geruch war verflogen. Und genauso sehr, wie ich es vorhin weghaben wollte, wünschte ich es mir jetzt wieder zurück.
Das große Bett war so leer und fühlte mich so klein.
Wahrscheinlich hatte ich das hier einfach verdient.

Wie Lily James endgültig loswerden wollte ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt