Schrecklich

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Die nächsten Tage waren herrlich. Zwar schienen die Lehrer zu denken, wir hätten die Hausaufgaben über die Ferien vermisst, doch die Tatsache, dass ich sie mit Will machen konnte war aufheiternd. Nach den Stunden holte er mich ab und brachte mich zu meinen nächsten Fächern. Wir verbrachten jede freie Minute miteinander. Und immer, wenn wir getrennt waren vermisste ich ihn. So wie jetzt. Ich saß in einer unglaublich langweiligen Stunde Geschichte der Zauberei und starrte gelangweilt aus dem Fenster. Meine Gedanken flogen sofort zu Will. Ob er gerade auch an mich dachte? Seufzend wandte ich mich wieder Professor Binns zu, der irgendwelchen Zeitdaten herunterleierte. „Und 1593 gelang es..." Plötzlich tippte mich jemand von hinten an. Ich drehte mich um und blickte in Potters Gesicht, der mir einen Zettel vor die Nase hielt. Perplex nahm ich den Zettel und drehte mich wieder nach vorne. Binns hatte zum Glück nichts bemerkt, er war ja aber auch schwer damit beschäftigt langweilig zu sein. Vorsichtig öffnete ich den Zettel. Dort stand in Potters krakeliger Schrift: „Hey Evans! Wie wärs mit heute Abend? Ich..." Ich musste nicht weiterlesen um zu wissen, was dort stand. Wütend riss ich ein Stück von einem aus Langeweile bemalten Pergament ab und kritzelte schnell „Nein, Potter, ich geh nicht mit dir aus! Wann kapierst du es endlich?" darauf. Dann warf ich den Zettel über meine Schulter und betete, dass ich traf. Da ich niemanden Aufstehen hörte, nahm ich dies an und beglückwünschte mich selber für meine vortrefflichen Zielkünste. Es dauerte nicht lange, da landete vor mir auf dem Tisch ein weiterer Zettel. Potter konnte anscheinend auch werfen. „Ähm, Evans, hast du dir den Zettel ganz durchgelesen? Oder willst du so gerne ein Date, dass du liest, was du wills?", stand auf dem kleinen Pergamentstück. Eine ungute Vorahnung durchschoss mich. Schnell griff ich nach dem ersten Zettel und las dort weiter, wo ich aufgehört hatte. „...wollte besprechen, was wir beim Vertrauensschülertreffen alles sagen. Sagen wir um 7 in unserem Gemeinschaftsraum?" Ouh! War mein ziemlich geistreicher Gedanke. Ich spürte, wie mir die Röte ins Gesicht stieg. Mir war klar, dass ich mich entschuldigen sollte, aber diese Blöße wollte ich mir nicht geben. Und Potter würde eh nur den überheblichen Macho raushängen lassen. Aber mein Gewissen ließ nicht locker und so schrieb ich schließlich doch eine Entschuldigung auf mein Pergament: „Tut mir leid, Potter. Ich hätte nicht so voreilig sein sollen. 5 Uhr wär bei mir besser, ich wollte noch nach Hogsmead." Diesmal beobachtete ich seine Reaktion, als er das Geschriebene las. Bei den ersten Sätzen runzelte er Stirn. Natürlich rechnete er nicht damit, dass ich mich bei ihm entschuldigen würde. Nachdem er fertig gelesen hatte schrieb er mir zurück: „5 Uhr geht klar. Mit wem gehst du denn nach Hogsmead?" „Wüsste nicht, was dich das angeht!" „Komm schon, Evans." „Wenn ich es dir nicht sage wirst du mich immer weiter nerven, oder?" „Stimmt genau!" „Mit Will." „Will Lewis!? Aha." Ich hätte ihn noch gefragt, was sein „Aha" bedeuten sollte, aber in dem Moment klingelte es und ich musste mich beeilen meine Sachen einzupacken. Vor dem Klassensaal wartete wie immer Will schon auf mich. Wir begrüßten uns und machten uns dann mit Kate und Claire auf den Weg zum Mittagessen. „Wie man sieht schreiben die Herren Schulsprecher schon miteinander. Das muss ja sehr wichtig gewesen sein.", Claire musste mich natürlich mal wieder zu Tode nerven. „Es ging nur um das Vertrauensschülertreffen am Montag.", erklärte ich und drückte Wills Hand. Außer Kate schien der Rest meiner Freunde wenig interessiert an Wills und meiner Beziehung. Trotz meiner Erklärung zwinkerte Claire so oft verschwörerisch, dass mir die Augen, vor lauter Rollen, fast aus dem Kopf fielen.

Nach dem Mittagessen verbrachten wir den restlichen Nachmittag am See, da sich die Lehrer merkwürdigerweise im Hinblick auf das anstehende Wochenende sehr milde gezeigt hatten, was Hausaufgaben anging. Es war einer der letzten sommerlichen Tage in diesem Jahr und wir genossen ihn in vollen Zügen. Gegen halb fünf machte ich mich auf zum ersten Schulsprechertreffen und Will begleitete mich wie immer. An der Ritterrüstung angekommen sagte ich das Passwort und der Zugang öffnete sich. „Na dann bis später.", verabschiedete ich mich „Ja ich komm dich dann so in einer Stunde abholen. Viel Spaß!" Will zog mich in eine feste Umarmung und lächelte mich nochmals an. Er winkte mir und hinter ihm schloss sich der Eingang. Ich atmete einmal tief durch, um das kribbeln in meinem Bauch loszuwerden und ging dann zum Sofa, auf dem Potter sich schon niedergelassen hatte. Auf dem Beistelltisch lagen Pergament und Feder, welche ich mir nahm und in meiner ordentlichen Handschrift „1. Schulsprechertreffen–Protokoll"schrieb. „Also ich hab schonmal drei Pogrammpunkte: 1. Vertrauensschülertreffen, 2. Hogsmeadwochenenden und 3. Nächtliche Rundgänge" zählte und schrieb ich auf. „Beginnen wir mit dem ersten Punkt. Die Treffen sollten allmonatlich stattfinden. Am besten immer an einem Montag, sodass man für die kommende Woche motiviert ist. Als Treffpunkt würde ich das Pokalzimmer vorschlagen, das hat sowas stolzes und...hörst du mir überhaupt zu?" Ich unterbrach meinen Redefluss und blickte Potter entrüstet an. Dieser starrte abgelenkt ins nichts. „Lily?", fragte er abwesend. „Evans!" verbesserte ich. Doch er schien mich garnicht gehört zu haben und fragte weiter: „Was läuft da zwischen dir und Lewis?" Jetzt blickte er mich an, in seinen Augen sah ich tiefen Schmerz. „Das geht dich mal sowas von nichts an, Potter!", zischte ich. „Doch!", widersprach er. Ich lachte auf „Ach ja? Und warum, wenn ich bitten darf." „Weil ich dich liebe!",flüsterte Potter. Ich wollte etwas bissiges antworten, doch der Kommentar blieb mir im Hals stecken. „Nein, Potter! Nicht das schon wieder! Hör auf dir einzubilden, dass du mich wirklich...magst! Schau mal: du glaubst nur, dass du mich magst, weil ich dich eben NICHT mag. Und das stört dich. Du, der großartige James Potter, kommst mit meiner Ablehnung nicht klar, denn sonst bekommst du nämlich jede rum. Aber ich bin nicht so eine von deinen Bettgeschichten und dein übergroßes Ego kommt damit einfach nicht klar!", versuchte ich ihm zu erklären, obwohl ich wusste das es aussichtslos war. Natürlich dachte er, dass er Recht hätte. Wir schwiegen eine gefühlte Ewigkeit. Dann räusperte ich mich. „Wir...wir sollten weitermachen.", flüsterte ich und er nickte nur.
Nach diesen anfänglichen Schwierigkeiten kamen wir doch ziemlich gut voran. Einen Punkt der Liste nach dem anderen arbeiteten wir ab und am Ende war das Pergament auf Vorder– und Rückseite voll beschrieben. Als wir fertig waren schaute ich auf die Uhr: es war zehn vor sechs. „Ich geh mich mal fertig machen, Will kommt gleich. Könntest du ihn bitte reinlassen, wenn er klopft?"bat ich Potter, welcher stumm nickte. Also verschwand ich in meinem Zimmer und durchsuchte meinen Kleiderschrank nach etwas passendem für mein erstes Date mit Will. Während ich noch etwas suchte, hörte ich ein Geräusch, als würde die Wand einbrechen. Das muss Will sein, schoss es mir durch den Kopf und in meinem Bauch begann es leicht zu kribbeln. Schnell entschied ich mich, was ich anziehen wollte und wechselte dann schnell meine Schuluniform gegen ein bequemes Sommerkleid. Ich kämmte mir noch einmal schnell die Haare dann eilte ich zurück in den Gemeinschaftsraum. Doch dort war kein Will. Nur Potter saß auf dem Sofa und blätterte gelangweilt in einem Buch. „Ist Will noch nicht da?", fragte ich verwirrt. „Nö", antwortete Potter ohne aufzublicken. Ich ließ mich in einen Sessel fallen und wartete. Und wartete. Und wartete. Um halb sieben stöhnte ich frustriert auf. „Vielleicht hat dein Will dich ja versetzt.",überlegte Potter laut. „Quatsch!", murmelte ich, doch seine Worte verunsicherten mich. Will war eigentlich immer pünktlich, vor allem in so einem Fall würde er sich doch beeilen. „Also ich würde so ein schönes Mädchen wie dich niemals sitzen lassen.", merkte Potter an. Genervt fuhr ich zu ihm herum. „Schön für dich!", knurrte ich ihn an. „Falls er nicht mehr kommt könnte ich dich auch gerne begleiten!" Potter hatte mal wieder sein selbstgefälligstes Grinsen aufgesetzt. „Ich könnte dir viel mehr bieten als dieser..." „Potter, es reicht! Du musst nicht darauf rumreiten, dass mein Freund mich zu unserem ersten Date versetzt hat!", mir stiegen Tränen, in die Augen, als ich es sagte, mir laut eingestand. Ohne nachzudenken rannte ich in mein Zimmer. „Lily!", hörte ich Potter erschrocken hinter mir rufen, doch ich ignorierte ihn. In meinem Zimmer ließ ich mich aufs Bett fallen und weinte meinen ganzen Frust, meine Wut, meine Enttäuschung und meinen Schmerz ins Kissen. Manchmal war die Welt einfach nur schrecklich.

Wie Lily James endgültig loswerden wollte ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt