SEPTEMBER:
Es war komisch, aber das heutige Aufwachen war anders. Ich war, man kann fast sagen, glücklich. Lange war ich nicht mehr so schnell eingeschlafen. Es war Freitag, der erste Freitag im neuen Schuljahr, bald würde das erste Wochenende kommen. Und was ist so toll am Wochenende? Ich zuckte die Schultern. Schriftlich arbeitete ich gut mit, Hausaufgaben hatte ich, doch sobald es zum reden kam, schaltete ich ab. Beim reden konnte ich etwas falsch machen, konnte nicht korrigieren.
Joey schien verstanden zu haben, dass ich nicht reden wollte. Er nahm am Unterricht teil, und schien mich zu ignorieren, obwohl ich mir da manchmal nicht ganz so sicher war.
Heute schien er keine Aufmerksamkeit für mich zu haben. Gut so. Ich glaube nicht, dass du das so toll findest, sonst würdest du nicht sagen, dass er dich ignoriert. Mein Gott, du nervst. Also als Gott must mich nun nicht gleich bezeichnen, eure Hoheit würde vollkommen reichen. Klappe halten.
Es klingelte und alle strömten in die Klasse, genau der richtige Zeitpunkt um unbemerkt in die Klasse zu kommen.
Joey saß schon, als ich hereinkam. Du denkst schon wieder an ihn. Es war nur eine nüchterne Anmerkung. Schon klar, und das soll ich dir glauben. Ich beachtete sie nicht weiter und setzte mich neben den Jungen.
"Guten Morgen, Hal", sagte er freundlich. Ignorieren oder nicht? Keine Ahnung, mach doch so ein Mittelding. Und das wäre? Keine Ahnung, lass dir etwas einfallen. Na toll.
"Morgen", antwortete ich nüchtern. Das nennst du Mittelding? Ja, wieso. Nur so.
Mehr sagte er nicht. OK, abgewimmelt.
Als die ersten beiden Stunden vorbei waren, wollte ich mich auf den weg machen, zu meinem Lieblingsplatz in der Ecke des Schulhofes, aber jemand fasste mir an die Schulter und hielt mich auf. Ohoh. Ich fuhr mich herum, war schon dabei mir eine Standpauke zurechtzulegen. Wenn es etwas gab, was ich noch mehr hasste als reden, dann war es von jemand anderem angefasst zu werden. Ich machte gerade den Mund auf, als ich bemerkte, wer da vor mir stand, Joey. Verdattert sah ich ihn an, alles was ich mir eben noch zurechtgelegt hatte, war weg, ausradiert. Unverrichteter Dinge schloss sich mein Mund wieder.
"Ich wollte dich fragen, wo du jede Pause hingehst."
"Auf den Schulhof."
"Könnte ich", er stockte. "Könnte ich vielleicht mitbekommen, ich kenne mich hier noch nicht so gut aus und ..."
Ich nickte nur. Autsch. Was ist denn mit dir los, dass, Haley, war eine Einladung. Und was weißt du über Freundschaft? Sie tut weh, Akira, ich weiß. Nur, ... Nur was? Er hat Recht, er ist neu und kennt sich noch nicht aus. Tolle Ausrede. Ich konnte förmlich spüren, wie sie die Augen verdrehte.
Er ließ mich los und zusammen gingen wir zu meinem Lieblingsplatz in der Ecke des Schulhofes.
"Schön hier", sagte er. Ich nickte, ja es war schön, hier konnte man denken.
"Du redest nicht gerne." Wieder nickte ich.
"Weißt du, ich möchte jetzt nicht aufdringlich sein, aber du scheinst mir nicht so wie eine Verschlossene, eine Stille. Du siehst eher aus wie die Wilde." Ich schaute ihn lange an, sagte aber nichts. Ja, ich war die Wilde gewesen. Mit Cleo, meiner Cleo, hatte ich so allerhand Mist gebaut, verrückte Sachen, coole Sachen. Aber jetzt ...
"Es ist OK wenn du jetzt nicht darüber reden möchtest, nur wenn du jemanden brauchst, ich ..."
"Danke", sagte ich, dann ließ ich ihn stehen und ging weg. Richtung Schulgebäude. Was war das denn? Es hat mir Angst gemacht, ... Er ist zu weit gegangen. Er wollte nett sein. Eben, nett heißt Verpflichtungen, nett ist der Vorgänger von Freundschaft. Er würde dich nicht im Stich lassen. Das wollte Cleo auch nicht, und doch hat sie es getan.
Es klingelte, Erlösung, auf jeden Fall klang es so. Du bist ihm Rechenschaft schuldig. Wieso? Du hast ihn verletzt. Sicher? Finde es heraus.
Joey kam knapp vor dem Lehrer ins Zimmer. Er sah mich traurig an und ich dachte, ich hätte sogar eine Träne in seinen grauen Augen gesehen. Ich drehte mich weg, sonst hätte ich wahrscheinlich noch alle Vorsichtsmaßnahmen fallen gelassen. Er Ist verletzt, stellte Akira fest. Entschuldige dich. Nach dem Unterricht. Abgemacht. Mir gefiel dieser Ausgang gar nicht, ganz und gar nicht. Es ist sind bloß drei Wörter, du wirst es überleben.
Als die letzte Stunde überstanden war, sah ich wie Joey den Klassenraum verließ. Ich hinterher. Er blieb stehen und drehte sich zu mir um. Drei Wörter Haley, drei Wörter.
"Tut mir leid", sagte ich, dann ließ ich ihn abermals stehen und versuchte so schnell wie möglich möglichst viel Raum zwischen uns beide zu bekommen.
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Am Ende meiner Reise (Loki FF)
Short Story(ehemals You, at the end of my journey) Die Eltern ließen sich scheiden, die Freundin zog in die Schweiz und der Glaube an Gott verließ Haley nicht nur langsam, sondern rasend schnell. Sie vertraute niemandem mehr, redete nicht, saß ihre Tage ab, do...