...There is hope after all...

1K 120 5
                                    

MITTE OKTOBER:

Ich schaute aus meinem Fenster. Es war Samstag und es regnete, was mich aber nicht besonders störte. Die warmen Tage waren vorüber. Jedenfalls sah es so aus. Seit über einer Woche regnete es, und die Bäume waren schon bunt gefärbt. Jede Pause war ich nun mit Joey bei unserem Platz gewesen. Er hatte geredet, ich zugehört. Er erzählte aus der Schweiz, passte aber auf, dass er keine Grenze überschritt, was ich ihm hoch anrechnete.

Der Wind peitschte den Regen an mein Fenster, und man hörte ihn durch die Bäume heulen.

Bei Joey war ich anders. Offener. Allen anderen gegenüber behielt ich meine Verschlossenheit. Bei Joey fühlte ich mich sicher, geborgen. Mein Vater hatte sich nicht mehr gemeldet. Meine Mutter arbeitete fast jeden Tag und sonst schlief sie. Ich war ihr nicht mehr wütend. Ich wusste was sie leistete. Bei Joey konnte ich frei sein, konnte ich Ich sein, musste keine Angst haben, konnte lachen. Lachen, ja, bei Joey kann ich lachen. Bei Loki kann ich lachen. Loki kann ich vertrauen, Loki würde mich nicht verraten, Loki würde mich nicht auslachen. Bei Loki muss ich keine Angst haben.
"Er ist der Gott der Heiterkeit, Helfer und Zerstörer!", spukte es mir Großvaters Worte durch den Kopf.

"Ich schaute ihn an, direkt in die Augen, und mir kam es vor, als ob die grünen Adern sich vermehrt hätten."

"Der Junge winkte mir zu, und ich hatte das Gefühl, als würde dabei etwas grünes in seinen Augen aufblitzen."

"Wenn da nicht etwas war, was meine Aufmerksamkeit noch mehr beanspruchte, seine Augen. So ein leuchten hatte ich noch niemals erlebt, es schien, als würde sich das Muster ständig bewegen und verändern, soviel Leben war in ihnen. Es war ein wunderschönes Grün, ein grün, wie man es aus Bilderbüchern kennt."

"... und ein freudiger Funke huschte über seine unnatürlich grünen Augen."

Die Bruchstücke der Vergangenheit stürmten auf mich ein. "Die Augen sind der Schlüssel zur Seele."

Ich schüttelte den Kopf. versuchte die Gedanken aus meinem Kopf herauszubekommen. Aber ganz tief in meinem Innern bewahrte ich sie auf. "Es gibt immer Hoffnung!"

Das Telefon klingelte und riss mich aus meinen wirren Gedanken. Ich versuchte es zu ignorieren, doch es klingelte penetrant weiter, bis ich irgendwann genervt aufstand um zu sehen wer da störte.

Ich nahm den Hörer ab und wollte schon irgendwas in die Muschel hinein blöken, als die Stimme am anderen Ende der Leitung mich verstummen ließ: "Hey Haley, ich weiß nicht, ob du Lust hast, aber hättest du am Wochenende Zeit."

Ich überlegte einen Moment, wollte absagen. Ich würde hingehen. Meinst du? Ja, er ist ein netter Junge, vertraue ihm.

"Wenn du nicht möchtest ist auch OK."

"Ich habe Zeit." Geschafft.

"Morgen soll das Wetter besser werden. Um zwei? Ich hole dich ab."

"OK", sagte ich nur, mehr war nicht nötig.

Ich lächelte: "Bis Morgen."

"Bis Morgen", antwortete er mir.

Ich legte auf. Ein warmes Gefühl stieg in mir auf. Ich habe es geschafft. Irgendwann kann ich mit der Vergangenheit abschließen. Ja, irgendwann. Jetzt musst du nur noch das zwischen dir und deinem Vater klären! Ich atmete einmal tief ein und aus, dann griff ich wieder zu dem Hörer. Ja, du hast Recht, da muss noch was geklärt werden. Die Geräusche der Tasten hörten sich unnatürlich laut an. Die Angst kam zurück. Die "Was wäre wenn ..." - Fragen kamen zurück. Ich nahm den Hörer in die Hand. Sein Handy war der einzige Kontaktpunkt den ich hatte. Bitte. "Kein Anschluss unter dieser Kummer!", knarrte die Computerstimme. "Verdammt, er hat ne neue Sim-Karte." Mein Mut schwand. Ich lief nach oben. Sprang auf mein Bett. Ich versuchte die kommenden Tränen gar nicht erst aufzuhalten. "Wo bist du?", fragte ich leise. Der Wind heulte noch immer, aber der Regen hatte aufgehört.

Ich hob den Kopf, es war, als hätte ich etwas gehört. Versuchte verzweifelt durch meine vergeulten Augen etwas zu sehen, vergebens. "Ist da wer?" Meine Stimme klang schrecklich. Mit dem Ärmel meines Pullovers wischte ich mir die Augen frei. Da war niemand. Dafür fiel mein Blick aber auf eine meiner Zeichnungen an der Wand. Genau neben dem Bild von Joey hing eine Zeichnung von Loki. Der vernarbte Mund lächelte mich verschmitzt an. Ich konnte nicht anders, als zurückzulächeln. Die Trauer war verpufft. Weg. Vom Winde verweht.

Am Ende meiner Reise (Loki FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt