"Meine Fresse...»
Erneut blieb Čert stehen, um die Gurte seines Rucksacks nachzuziehen. Leider hatten die Plastikverschlussteile letztens beschlossen, ausleiern zu wollen, und seitdem versuchte sein Gepäck abzuhauen. Wo sollte er überhaupt einen neuen Rucksack herbekommen in dieser Grössenklasse? Hatte da jemand dran gedacht, ja? Der Mist war teuer.
Seine Hündin liess sich daneben auf ihr graugelbes Hinterteil fallen und sah ihm zu.
'Immerhin hält deine Reparatur aus Panzertape, mein Teufel', bemerkte sie spöttisch in seinem Kopf. Blödes Vieh.
Čert grollte. "Noch." Vielleicht konnte er den Rucksack, wenn die Gurte endgültig schrott waren, auf dem Kopf tragen - nein, besser, er würde ihn Hexe auf den Rücken binden.
'Bloss nicht', jaulte sie und bleckte die Zähne.
"Du musst nur kurz stillhalten", Čert grinste und haschte nach seiner Hündin, aber sie hüpfte auf ihre Pfoten und lief ein paar Schritte weg, dorthin, wo die Strassenlaternen sie nicht erreichten. 'Gehen wir weiter? Sonst frierst du hier fest.'
"Ahahaha." Er zog eine Augenbraue hoch. Als ob er je irgendwo festgefroren wäre - gut, seine Fähigkeit, die Temperatur zu senken, hatte er nicht ganz im Griff, nur so schlecht dann doch wieder nicht. Auch wenn es in der Tat lausig kalt war heute. "Ich werde nirgends festfrieren, wenn mich dein Fellchen warmhält, nachdem ich es dir über die Ohren gezogen habe."
Seine Stimme klang unwahrscheinlich laut, was nicht nur daran lag, dass er ein bisschen angetrunken war. Totenstill war es in dieser Ecke Gaulewins. Wäre sein Gehör feiner, könnte er die Schneeflocken beim Fallen schreien hören. Um die Uhrzeit war auch nichts anderes zu erwarten. Als Čert das letzte Mal nachgeguckt hatte: 02:27 Uhr. Zum Glück musste er morgen nicht früh aufstehen. Als ob er das je müsste.
Er erhob sich und schulterte den Rucksack. Links und rechts der Strasse kauerten drei-, seltener vierstöckige Häuser, grau, frierend und nichtssagend, Schafe. Irgendwo weiter hinten würden die Häuser weniger werden und die Strasse schlussendlich ganz alleine einen bewaldeten Hügel hinaufführen, dann wieder hinab, wieder hinauf... willkommen im elsässischen Kaff Gaulewin. Fehlte nur der böse Wolf. Wenn die Rolle noch frei war, durfte er sich bestimmt bewerben. Gab es da Geld für?
Čert blinzelte gegen das Licht einer Strassenlaterne. Es war goldfarben und wollte sich aurengleich über ihn legen. Man konnte ihn aber nicht heiligsprechen, Hölle, es wäre eine herrliche Ironie gewesen. Ein heiliger Untoter. Bei der Farbe musste er ausserdem spontan an Urin denken. „Wer ist eigentlich so blöd und lässt hier sein Fenster offen?"
Mit einem Heulen antwortete der Wind anstatt Hexe, die ihre Nase in einen kleinen, dreckigen Schneehaufen gesteckt hatte. Half ihm nicht weiter. Sein Blick kletterte über die Fassade des Hauses: Helle Wand, noch hellere Fensterläden, das ganze Ding eingequetscht zwischen seinen Nachbarn. Tatsächlich, das Haus kannte er doch. Hier wohnte diese widerlich niedliche Familie mit dem Vater, der nicht da gewesen war, der Mutter, die Hunde mochte und der Tochter, die ihn nicht mochte. Es war schade, dass er an dem Abend nicht länger hatte bleiben können. Zu welchem Zimmer das Fenster dort oben wohl gehörte? Er wollte nur einmal noch ein bisschen in dieser heilen Welt stöbern, ja? Vielleicht herumliegende Süssigkeiten klauen. Wer sein Fenster offen liess, musste eben mit einem zweiten Besuch rechnen. Dass er nichts kaputt machte, da würde er sich auch Mühe geben.
Für weniger als einen Herzschlag schien Čerts Gestalt mitsamt Rucksack grösser zu werden, dann implodierte sie zu einer Wolke aus tausenden Teilchen, die leise raschelnd nach oben sausten und durch das Fenster verschwanden. Hexe tat es ihm gleich. Auf der Strasse blieb nichts ausser ihren Fussstapfen im Schnee, die rasch überdeckt wurden. -
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Siebeneinhalb Dämonen
Fantasy"Die Nashornentführung hätte man sich, ähm, hätte man sich sparen können." - Rasputin "Ich würde ja etwas von wegen "feingeistiges Porträt sympathisch verschrobener Charaktere" erzählen, nur ich finde die anderen weder alle sympathisch noch jedwedes...