Der Charakter "Domi" gehört zu OutOfIdeasNRoom. -
Čert stand vor einem Spiegel, darin sein eigenes Gesicht. Es hatte eine ganz gewöhnliche Hautfarbe, blasses Beige, und etwas kürzere Haare als er, die nur auf die Schultern reichten. Sie waren ungekämmt und rankten von hinten über seinen Kopf, als wollten sie ihn verschlingen. Čert sah in blaue Augen, oh so blaue Augen. Weisst du, wo ich bin?
Ich weiss es nicht, meine Liebe, antwortete sein Spiegelbild. Der Raum dahinter: Dunkelgrau. Herumliegende Fetzen auf dem Boden, Papier, Stoff, vielleicht auch Haut. Wer wusste das schon, Satan.
Witzig, so hab ich auch mal ausgesehen, sagte Čert. Das Spiegelbild hatte solche Kulleraugen, ein Stupsnäschen und volle, geschwungene Lippen. Wobei, hatte er wirklich je so ausgesehen? Čert drehte den Kopf leicht. Sein Gegenüber folgte ihm nur tieftraurig mit dem Blick und seufzte leise. Weinerliches Weichei.
Čert streckte die Hand nach dem Spiegelglas aus - es war so ein billiges Ikea-Ding ohne Rahmen -, mit der anderen auf das grau verschmierte Waschbecken gestützt. Vielleicht löste sich sein Spiegelbild auf, wenn er es berührte, ja? Dann musste er diese engelshafte Fresse nicht mehr angucken.
Das Glas fing an zu zittern, sobald Čert sich ihm näherte. Immer stärker, bis er die Hand wegnahm. Sein Spiegelbild zu verscheuchen: Da wurde ihm doch plötzlich unwohl. Čert knurrte leise. Was sollte er auch tun, ja? Es war ein Spiegelbild, die mussten da sein. Am liebsten hätte er die Weltordnung auf den Kopf geschmissen.
Sein Spiegelbild hob die kokett geformten Augenbrauen. Du bist etwas blau im Gesicht, sagte es. So eine sanfte, schmeichelnde, elende Stimme.
Čert fasste sich an die Wange, spürte die Haut abblättern. Sag bloss. Als er sprach, klang er einfach nur heiser. Er blickte auf die Reste seiner Selbst, zerrieb sie zwischen den Fingern. Da war sie, seine Hand, die Venen hervorquellend wie Würmer unter einer kränklich blauen, fahlen Oberfläche. Lass mich raten, ja - deine Hand ist viel weicher und schlanker?
Sein Spiegelbild hob die Hand und wackelte mit den Fingern. Čert winkte nicht zurück. Wenn er das verglich: Um sie herum war alles schummrig, der Raum im Hintergrund nur angedeutet. Das Gesicht seines Spiegelbilds aber leuchtete hübsch und hell. Verdammte Schleimerin.
Du hast da was, sagte sein Spiegelbild, liess dekorativ die Wimpern flattern.
Čert griff sich erneut ins Gesicht und stellte fest, dass er keine Nase hatte. -
Mit einem Schlag war er wach. Über ihm war es schwarz, aus der Ferne hörte er Hexe im Schlaf schnaufen. Es dauerte ein bisschen, bis Čert erkannte, dass sie über seinen Füssen lag. Langsam wurde das Schwarz blasser, die in seiner Brust nagende, feucht umherkriechende Nacktschnecke von einem Alptraum hingegen nicht. Satan.
Irgendwo hatte er doch – Čert rollte an die Bettkante und tastete nach seinem Zeug, tat sich schwer, seine Hand gerade zu halten. Er konnte sie einfach nicht halten, verdammt. Dann hatte er das gesuchte Fläschchen, musste die Augen schliessen. Fauchte die Traumbilder beiseite, verpasste ihnen einen linken Haken. Verpisst euch, ihr könnt mir gar nichts, ja? Augen wieder auf, Flasche auch. Er nahm einen Schluck und verzog das Gesicht, als seine Speiseröhre anfing zu brennen. Satan, dieser Whiskey war so widerlich... und er endgültig wach. Gut so, gut so. Čert drehte sich auf den Rücken, wischte sich Schlafsabber aus dem Mundwinkel. Die Haare klebten ihm im Nacken und an der Stirn, pieksten, als hätte er geschwitzt, aber warm war ihm nicht. War ihm eigentlich nie. Aus dem Augenwinkel sah er die Vorhänge, unscharf und bleich.
Der Nachgeschmack des Whiskeys geisterte über seine Zunge, der des Alptraums durch seinen Kopf, ob er wollte oder nicht, Teufel. Beschissenes Gefühl, vor seiner persönlichen Edition Engel zu stehen, während er selbst in die gröbste und abstossendste Fassung gezwängt war, die es von ihm gab. Diese Fassung des Čerts: Dorian Gray, nur dass der echte Čert vergammelte und auseinanderfiel, während sein Spiegelbild immer heller und höhnischer strahlte. Wenn er daran dachte, der echte Čert vergammelte wirklich. Irgendwo in tschechischer Erde lag seine Leiche. Er war schliesslich untot.
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Siebeneinhalb Dämonen
Fantasy"Die Nashornentführung hätte man sich, ähm, hätte man sich sparen können." - Rasputin "Ich würde ja etwas von wegen "feingeistiges Porträt sympathisch verschrobener Charaktere" erzählen, nur ich finde die anderen weder alle sympathisch noch jedwedes...