19,96

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Ich konnte mir ein lautes aufschreien nicht verkneifen, als ich die Nachricht gelesen hatte. Der feine Herr Produzent sah also Potential in mir. Diese Zeilen hoben mein Selbstbewusstsein in ungeahnte Höhe und ich schrieb sofort zurück.

Hi Vincent.
Es freut mich wirklich sehr, dass meine Musik dir doch gefällt, obwohl es sich erst ganz anders angehört hatte. 😉
Meld dich einfach, wenn du Zeit hast und ich werde Berge versetzen, damit ich dann auch Zeit habe.
Lg Lotte

Sein Status war noch immer online, sodass die beiden Haken hinter der Nachricht sofort blau wurden. Die Schrift "online" änderte sich in "schreibt..." und ich konnte mein Telefon nicht aus der Hand legen. Also stand ich mit Sneakern und Handtasche in meinem Flur und starrte auf meinen Bildschirm.

Selbst schuld, wenn man lauscht 😉
Ich würde ja gerne noch weiter mit dir
Texten, aber die Pflicht ruft.
Bis bald

Grinsend steckte ich mein Handy in die Hosentasche und hing endlich meine Handtasche an die Garderobe. Meine Sneaker stellte ich achtlos in die Ecke und ging ins Bad um zu duschen.
Nur mit Bademantel bekleidet saß ich eine halbe Stunde später auf dem Sofa und aß einen Fertigsalat, während ich durch das Fernsehprogramm zappte. „Es wird Zeit, dass ich endlich den Router bekomme. Das normale Fernsehen kann sich ja keiner mehr ansehen" dachte ich und schaltete die Glotze aus, um mich mit YouTube abzulenken.
Natürlich bekam ich nach kurzer Zeit die Nachricht, dass ich ab jetzt nur noch mit gedrosselter Geschwindigkeit streamen konnte, da mein Datenvolumen aufgebraucht war. Mit einem Ächzen stand ich auf und ging schlafen.

„Das macht dann bitte 19,96" sagte ich am Nächsten Tag freundlich zu der älteren Kundin, die an meiner Kasse stand.
Während sie durch ihr Portemonnaie wühlte um mir den Betrag passend zu geben, hörte ich von weiter hinten in der Schlange eine bekannte Stimme leise singen.
„Meine Freundin ist weg und bräunt sich"
Ich drehte meinen Kopf und sah Dag breit grinsend am Kassenband stehen und konnte mir ebenfalls ein Lächeln nicht unterdrücken.
„Dich hab ich ja hier noch nie gesehen" sagte der sportliche Berliner, als er an der Reihe war und ich seine Waren über den Scanner zog.
„Liegt wahrscheinlich daran, dass ich erst seit dieser Woche hier bin. Hast du was größeres vor, dieses Wochenende?" kicherte ich und schaute in seinen Wagen, der gefüllt war mit Bier, Schnaps und allerlei Knabberkram.
„Jupp, ich Feier heute in meinen Geburtstag rein. Die Jungs haben immer viel Durst" lachte er und steckte seine Karte in das dafür vorgesehene Gerät.
„Dann wünsch ich dir viel Spaß und ein schönes Wochenende" Dag winkte mir einmal zu und wünschte mir das gleiche.

Vincent:

Mit einem Bier in der Hand saß ich auf Dags Couch und unterhielt mich mit Raphael, unserem Bassisten. Scheinbar war ich aber nicht ganz bei der Sache, denn er schnipste plötzlich vor meinem Gesicht herum. „Erde an Whynee, bist du noch bei mir?" lachte er und ich zuckte zusammen.
„Äh, sorry, was hast du gesagt?" stotterte ich und fuhr mit der Hand durch mein Gesicht.
„Ich habe gesagt, dass das neue Album wieder mal Hammermäßig wird und ich es kaum erwarten kann, wieder live zu spielen"
„Klar, live ist immer wieder geil." antwortete ich abwesend und stieß mit ihm an.
„Mach dir keine Gedanken, Rapha. unser Musikfachchinese ist bestimmt mit den Gedanken bei dem neusten Sternchen am Pophimmel." mit einem lauten Lachen stieß Dag mir so fest mit dem Ellenbogen in die Rippen, dass ich mich verschluckte.
Damit war natürlich das Interesse der anderen an Lotte geweckt, also erzählten wir in kurzen Sätzen alles, was wir über sie wussten.
„Uh, also lange schwarze Haare, braune Augen und eine Figur zum daniederliegen? Wenn das mal nicht genau das Beuteschema des Herrn Stein ist" bemerkte Hannes und hatte die Lacher damit auf seiner Seite.
„Leute, ich will die kleine Produzieren und mich nicht mit ihr REproduzieren" sagte ich leicht genervt und stand auf um an die Frische Luft zu gehen. Auf dieses vorpupertäre Rumgealbere hatte ich wirklich keine Lust, zumal unser Gitarrist nicht unrecht mit seiner Behauptung hatte. Sie war wirklich genau mein Typ, aber ich hatte im Moment keine Zeit für eine Beziehung, beziehungsweise wollte meine Freiheiten nicht für eine Frau verlieren.
Da es Mitte Juli war, war es draußen noch immer angenehm und ich lauschte den Klängen der Stadt, bis Thilo kam und mich reinrief, da es kurz vor 0:00 war.
Nachdem ich meinen besten Freund seit Kindertagen fest umarmt hatte und ihm meine Glückwünsche überbracht hatte, klingelte mein Handy.
„Wie komme ich denn zu der Ehre?" fragte ich freudig, als ich das Telefonat annahm.
„Hi, Vincent. Ich wollte Dag zum Geburtstag gratulieren und dachte mir, dass du bestimmt auf seiner Party sein würdest. Könntest du mich kurz weiterreichen?" erklang Lottes Stimme aus dem Lautsprecher und meine Mundwinkel, die bei dem Anblick ihres Namens auf meinem Display nach oben gestiegen waren, fielen schlagartig nach unten. Kommentarlos reichte ich meinem Kumpel das Smartphone.

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