Jamsession

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Lotte:
Immer und immer wieder las ich die Zeilen auf dem Bildschirm meines Handys.

Hey, kleine.
Sorry, dass ich solange nicht von mir hören gelassen habe. Arbeitsstress usw. Aber ich hab heute einen Beat gebastelt, der bestimmt gut zu deiner Stimmfarbe passt. Wenn du Bock hast, und noch nicht an Pennen bist, könntest du ins Studio kommen und wir schauen mal, ob wir zusammen einen Text geschrieben bekommen. Meld dich einfach.
Lg Vince

Ich schaute auf die Uhr. Es war gerade einmal 21:30 und morgen hatte ich frei. Also zog ich mich schnell an und schrieb, während ich auf mein Taxi wartete eine Antwort.
„Wenn das so weitergeht, brauch ich dringend ein Auto, oder eine Monatskarte für die Öffis" dachte ich, als ich auf den Taxameter schaute.
Aber wie schon beim letzten Mal wartete Vincent draußen und übernahm die Fahrtkosten.
„Das musst du nicht jedesmal machen. Ich habe einen Job und verdiene mein eigenes Geld." sagte ich kleinlaut. Ich wollte nicht, dass der Produzent dachte, dass ich ihn ausnehmen wollte.
„Ich muss nicht, aber ich möchte. Immerhin habe ich ja gesagt, du sollst herkommen." damit war das Thema für Vincent vom Tisch und er führte mich in den obersten Stock seines Studios.
Auf dem Bildschirm war das absolute Chaos von bunten Balken. Scheinbar war das der Beat den er gebaut hatte, aber für mich war dieser ganze Computerkram komplett unverständlich. Ich schrieb meine Melodien ganz old School auf Notenblättern auf, wenn ich sie überhaupt mal aufschrieb.
„Setz dich. Willst du was trinken?" fragte Vincent und ich bat ihn um eine Cola.
„Pass auf, es ist nicht ganz das, was du mir schon gezeigt hast, aber es passt garantiert zu dir. Vertraust du mir?" hibbelig wie ein kleines Kind saß er auf seinem Bürostuhl und schaute mich erwartungsvoll an. Dieser Anblick ließ es um mein Herz warm werden. Es war toll ihn so aufgeregt zu sehen.
„Wenn nicht dir, wem sonst?" grinste ich und zeigte auf die ganzen Auszeichnungen an der Wand.
Der Berliner drückte ein paar Tasten und schon konnte ich die tragende Melodie hören. Unterbewusst bewegte ich meinen Kopf im Takt und nach dem dritten Mal durchhören, bat ich ihn zu pausieren.
„Ich hab einen Text im Kopf, eventuell müssen wir da aber noch ein bisschen dran schrauben." sagte ich und bekam ein „lass hören" zur Antwort.
Wieder ließ er den Track laufen und ich gab meinen Text zum besten.

So much pressure, why so loud?
If you don't like my sound, you can turn it down
I gotta roll
And I walk it alone
Uphill battle, I look good when I climb
I'm ferocious precocious
I get braggadocios, I'm not gonna stop
I like the view from the top
You talk that
Blah blah that la la, that rah rah sh
And I'm so done, I'm so over it
Sometimes I mess up, I eff up, I hit and miss
But I'm okay, I'm cool with it
I still fall on my face sometimes and I
Can't color inside the lines 'cause
I'm perfectly incomplete
I'm still working on my masterpiece and I
I wanna hang with the greatest gotta
Way to go, but it's worth the wait, no
You haven't seen the best of me
I'm still working on my masterpiece*

Mit geschlossenen Augen sang ich den Text und merkte erst, als ich meine Augen wieder öffnete, dass Vincent immer näher zu mir gerückt war und nun sein Gesicht nur einen Wimpernschlag von meinem entfernt war.
In meinem Bauch spürte ich ein kribbeln und ich wollte gerade die letzten Millimeter zwischen uns überbrücken, als der schrille Klingelton von Vincents Handy die Stimmung zu Nichte machte.
„Sorry, da muss ich rangehen" sagte er, hörbar genervt, und rollte mit dem Stuhl wieder zurück. Ich verharrte allerdings in meiner Position, nicht fähig mich zu rühren.
„Das war Dag. Er ist in ner Bar abgestürzt. Ich muss ihn abholen. Soll ich dich nach Hause bringen? Immerhin ist es schon gleich eins" etwas trübsinnigeres Schwang in seiner Stimme mit, so dass ich das Gefühl hatte, er hätte mich wirklich gerne geküsst.
„Das wäre Nett, aber nur, wenn das kein allzu großer Umweg für dich ist." Ich stand auf und nahm meine Handtasche.
„Vielleicht sollten wir mal essen gehen, oder so. Damit wir uns besser kennenlernen" sagte Vincent, als er vor meiner Wohnung parkte.
„Gerne" ich lehnte mich zur Fahrerseite und umarmte ihn zum Abschied.
„Was war das?" dachte ich, als ich meine Wohnungstür schloss und lehnte mich lächelnd an das weiße Holz.

*Masterpiece - Jessi J

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