Ungewohnte Situationen

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Lotte:
Völlig entspannt bewegte ich mich zu den wummernden Bässen in der größten Dicothek, die ich je betreten hatte. In der Stadt, nahe meines Heimatortes, gab es zwar auch einen Standort einer relativ bekannten Discokette, aber dieser Schuppen war nicht ansatzweise hiermit zu vergleichen.
Noch ein Vorteil jetzt in der Landeshauptstadt zu leben.
„Noch ne Runde?" rief Anna mir über die laute Musik zu und ich nickte nur. Da ich wusste, dass sie noch eine ganze Weile brauchen würde, bis sie die Getränke bekommen würde, blieb ich auf der Tanzfläche und ließ mich wieder in den Bann der bekannten Klänge des Rihanna Hits ziehen.

It goes one by one even two by two
Everybody on di floor let me show you how we do
Let's go, dip it low, din you bring it up slow
Whine it up one time, whine it back once more*

Erst als der Song zu Ende war, tänzelte ich zu der Sitzgruppe, die wir uns, als wir vor zwei Stunden hier ankamen, gesichert hatten.
„Lasst mal ein Selfie machen, Mädels" sagte Lina und hielt ihr Handy in die Höhe. Wir rutschten auf der Bank ein bisschen zusammen und lächelten in die Kamera. Kurze Zeit später hatte sie jedem von uns das Bild geschickt und ich postet es sofort auf meinem Instagramprofil.

Dag:
Ich saß, oder lag vielmehr, bei meinem besten Freund auf der Couch und schaute mit ihm einen alten Horrorfilm.
Immer wieder machte ich dumme Sprüche über den Killer, oder die Opfer, die sich, typisch für dieses Genre, extrem dämlich benahmen. Normalerweise hatte Vincent zu jedem dieser Sprüche eine passende Antwort, aber der Produzent war ungewöhnlich still.
Als ich meinen Blick zu ihm wendete, sah ich auch warum.
„Dein Ernst, Alter?" sagte ich etwas lauter als nötig, was ihn zum zusammenzucken brachte.
„Was denn? Spinnst du mich so zu erschrecken?" mit weit aufgerissenen Augen schaute er mich an.
„Wir wollten den Film gucken. Was ist denn jetzt auf deinem Handy wieder interessanter?"
„Nichts, reg dich ab" provokant legte er sein Smartphone neben sich, verschränkte die Arme und schaute zum gefühlt ersten Mal auf den Bildschirm seines großen Fernsehers.
„Come on, das kannst du deiner Großmutter erzählen. Zeig her" ich dachte, oder hoffte vielmehr, dass er mit Lotte textete.
„Es ist nichts! Lass uns weitergucken" fuhr er mich an.
„Dickerchen... Verarsch mich nicht." mit einem Grinsen hielt ich ihm meine Hand entgegen und mit einem Schnaufen gab er mir sein entsperrtes Telefon.
„Dude! Du stalkst ihr Instagram? Dich hat es wohl echt erwischt." lachte ich, als ich sah, was ihn abgelenkt hatte.
„Aber jetzt weißt du wenigstens, dass sie die Wahrheit gesagt hat und mit den Mädels feiern ist" Ich gab Vincent das Device wieder.
„Was hälst du davon, auch feiern zu gehen?" platzte es plötzlich aus meinem Kumpel heraus.
„Du? In einem Club? Das hast du bestimmt schon ein Jahr nicht mehr gemacht. Lass mich raten, du willst auch ins Matrix?" ich konnte mich kaum halten vor Lachen.

Lotte:
„Fünf Wodka-E, bitte" brüllte ich dem Barkeeper zu, der nur nickte, wohl als Zeichen, dass er mich verstanden hatte.
Wie bestellt und nicht abgeholt stand ich am Tresen und wartete auf meine Bestellung, als ich eine Gestalt neben mir wahrnahm, die sich zu mir lehnte.
„Bist du öfter hier?" lallte der Mann in mein Ohr und bei dem Gestank seiner Fahne wäre ich fast in Ohnmacht gefallen.
„Nein, zum ersten Mal" gab ich ihm als kurze, dennoch freundliche Antwort. „Ich bin jeden Samstag hier, ich bin Nico" taumelnd hielt er mir seine Hand entgegen. Ich hasste solche Situationen, weil ich nie wusste, wie ich mich genau verhalten sollte.
Hilfesuchend schaute ich zu den Mädels, die lachend in der Ecke an unserem Tisch saßen.
„Du bist echt ne hübsche, dein Arsch ist der Wahnsinn. So wie du eben getanzt hast, weißt du wie man sich bewegt. Ich kann mir vorstellen, wie du im Bett die Hüften kreisen lässt." der besoffene Typ ließ nicht locker und kam mir immer näher.

Vincent:
„Warum habe ich mich selbst in diese Scheiße geritten?" dachte ich, als ich mit Dag in der Schlange vor dem Club stand. Es war mitten in der Nacht und trotz dass es Sommer war, war es jetzt ziemlich kühl. Ich steckte meine Hände in die Taschen meiner Jeans und hob die Schultern nach oben, während ich mein Gewicht abwechselnd von einem Bein auf das andere verlagerte.
„Habt ihr Frauen dabei?" fragte der Türsteher und ich sah fragend hinter mich. „Ähm, Nein?" war meine Antwort. „Dann kann ich euch leider nicht reinlassen" der bullige Kerl nickte zur Seite und zeigte mir, dass ich gehen soll. „Was soll das denn jetzt? Ich bin noch nie nicht in eine Disco gekommen" waren meine Gedanken, aber zum Glück hatte ich ja Dag dabei.
„Komm schon, lass uns rein. Wir können auch posten, dass wir hier sind. Glaub mir, dann kommen mehr Frauen als du zählen kannst" selbstgefällig blickte mein Kumpel den Securitymann an.
Gerade als der Muskulöse Mann in der schwarzen Bomberjacke Dag sagen wollte, er sollte sich verpissen, kamen wie auf Kommando drei junge Mädels auf uns zu. „Oh mein Gott! Ihr seid SDP! Können wir bitte, bitte, bitte ein Foto machen?" quietschten sie im Chor. Natürlich schlugen wir ihnen ihre bitte nicht ab und ohne ein weiteres Wort wurden wir von dem Türsteher reingelassen.
„Jetzt müssen wir deine Süße nur noch finden" schrie Dag in mein Ohr, als wir den Floor betraten.
Ich scannte die Lage mit meinem Blick. „Hey, da!" Ich schlug Meinem Kumpel mit der Rückseite meiner Hand auf die Brust und zeigte in Richtung Bar.

* Pon de replay - Rihanna

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