Freude, Zweifel und ein bisschen Kopfschmerz

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Dag:
Ich hielt mich an der kleinen Mauer vor der Kneipe fest, damit ich nicht umfiel. Es war mal wieder einer dieser Tage, an denen ich es mit dem Alkohol mehr als übertrieben hatte.
In meinem Kopf drehte sich alles und die Zeit die mein Kumpel brauchte um mich abzuholen, zog sich ins Unermessliche.
Endlich sah ich den schwarzen BMW von Vincent, der genau vor mir zum halten kam. Langsam torkelte ich zur Beifahrerseite und plumpste relativ unsanft in den Ledersitz.
„Wenn du in mein Auto kotzt, rasier ich dir das nächste mal die Haare ab" knurrte der Brünette Mann mich an.
„Woah, wie wäre es erst einmal mit einem Hallo?" lallte ich Vincent entgegen, der mit einem Gesichtsausdruck wie sieben Tage Regenwetter, links blinkte und sich in den Verkehr einfädelte.
„Whynee, was ist los? Das ist doch nicht das erste mal, dass du mich abholst. So wie ich dich kenne, hast du eh noch vor deinem Rechner gesessen und gearbeitet" versuchte ich die Schuld für seine schlechte Laune von mir abzuwenden.
„Nee, es ist nicht das erste mal, dass ich deinen Besoffenen Arsch mitten in der Nacht abhole und ja, ich war im Studio, aber nicht alleine" schrie Vincent mir schon fast entgegen. Diese laute Stimme machte meine Kopfschmerzen nur noch schlimmer.
Ich wollte weiter nachfragen, aber biss mir auf die Zunge. Noch mehr Stress konnte ich jetzt nicht vertragen.
„Danke, Und sorry nochmal, dass ich dich gestört habe"
Eine Antwort bekam ich nicht, denn Vince war schon wieder losgefahren.

Vincent:
Ich war sauer. So unglaublich sauer auf meinen besten Freund.
Natürlich konnte er nicht ahnen, dass Lotte und ich kurz davor waren uns zu küssen, aber trotzdem hätte er fast keinen schlechteren Zeitpunkt finden können, um mich anzurufen.
Starr blickte ich auf die Straße, die mich nach Hause brachte. Mein Weg führte mich wieder an ihrer Wohnung vorbei und ohne es zu wollen löste sich mein Fuß immer mehr vom Gaspedal und mein Wagen wurde langsamer. Ich blinkte und parkte an der selben Stelle wie vorhin. Wie ferngesteuert stieg ich aus meinem Wagen und schaute an der Fassade hoch, aber in keinem der Fenster war noch Licht auszumachen.
Kopfschüttelnd stieg ich wieder ein. Was sollte ich auch machen, ich kannte ja noch nicht mal ihren Nachnamen.

Lotte:
Hellwach lag ich in meinem Bett und starrte in die Dunkelheit. Immer wenn ich meine Augen schloss, sah ich Vincent, wie er kurz davor war, mich zu küssen. Jedes mal wenn ich an seinen Atem auf meiner Haut dachte, lief mir ein Schauer über den Rücken. Nicht so ein unangenehmer, wie wenn man Angst vor etwas hatte, oder sich gruselte. Sondern einer, der sich anfühlte wie ein warmer Sommerregen.
Alles abstreiten nutzte nichts, ich war in den großen Berliner verliebt, oder zumindest verknallt. Und wenn ich die Zeichen richtig deutete, war auch er von mir nicht abgeneigt.
Eine Zeit schwelgte ich in diesen schönen Gefühlen des verliebt seins, aber plötzlich hörte ich eine kleine Stimme in meinem Kopf, die meine Luftblase zum platzen brachte.
„Er soll dein Produzent werden. Wenn ihr beide zusammen seid, wird die ganze Welt glauben, dass du nur dadurch eine Chance bekommen hast. Keiner wird dich im Musik-Business ernst nehmen" mit diesen Gedanken fiel ich in einen unerholsamen Schlaf.
Es war schon Mittag, als ich meine Augen aufschlug und als erstes zu meinem Handy griff.
Mit einem Klick hatte ich die Nachrichten geöffnet um mich zu vergewissern, dass nicht alles nur ein Traum war.

„Na? Vermisst du uns schon?" fragte meine Kollegin, als ich am Nachmittag meines freien Tages unsere Filiale betrat. „So schlimm ist es noch nicht, aber ich kann leider nicht nur von Luft und Liebe Leben" lachte ich zurück und schob meinen Einkaufswagen durch die Gänge. An der Kühlung sah ich eine Gestalt, die mich sehr an Dag erinnerte. Als der Mann sich umdrehte, war ich mir sicher, dass es der Musiker war.
Mit Sonnenbrille und Jogginganzug stand er vor den Joghurts.
„Na? Du siehst ja aus als hättest du den Kater des Jahrhunderts" neckte ich ihn, als ich direkt hinter ihm stand. „Boah, nicht so laut. Kopfschmerzen" antwortete er gequält. „Ok, sorry" flüsterte ich kichernd.
„Hi Lotte. Alles gut bei dir?" fing er den Smalltalk an, aber irgendwie hatte ich das Gefühl, dass er sich für etwas schämte. Wusste er von Vincent und mir? Natürlich wusste er davon! Dachte ich und nickte nur kurz.
„Wie ich sehe, hat Vincent dich ja heile nach Hause gebracht." versuchte ich das Gespräch am laufen zu halten.
Nachdem ich den Satz beendet hatte, viel dem sportlichen Mann die Kinnlade herunter. „Du? Du warst bei ihm im Studio? Jetzt weiß ich auch, warum er so pissig war, als er mich abgeholt hat. Fuck, Sorry" stotterte er.
„Alles gut, Dag. Wir haben nur etwas rumgesponnen mit einem Song." das er uns die Tour vermasselt hat, musste er ja nicht wissen.
„Ich glaub ich muss mal mit ihm reden. Mach's gut, kleine" so schnell wie er in seiner Situation nur konnte, war Dag verschwunden.

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