Es wurde schon wieder hell und noch immer hatte Isabella kein Auge zugetan. Die Geschehnisse des letzten Tages beschäftigten sie sehr und sobald sie an ihre Eltern dachte, schossen ihr wieder die Tränen in die mittlerweile dauerhaft geschwollenen Augen. Sie fühlte sich miserabel. In ihrem Kopf waren die Gedanken so laut, dass sie glaubte, er würde explodieren. Außerdem tat ihr linkes Auge nun höllisch weh. Es pochte in regelmäßigen Abständen. Auch die Situation mit Anna und Diana nahm sie sehr mit, denn es handelte sich um ein Missverständnis, doch die Unterrichtspraktikantin schien das nicht verstehen zu wollen, denn sie antwortete einfach nicht auf Isas Telefonterror. Sie gab dem Mädchen nicht einmal die Chance, sich zu erklären. Isabella fühlte sich wie in einem schlechten Film, in dem der betrügende Ehemann seiner Frau das „Es ist nicht, wonach es aussieht" entgegenwirft, nachdem sie ihn in flagranti mit einer anderen erwischt hat, mit dem einzigen Unterschied, dass der Kuss ja wirklich nicht das gewesen war, wonach es ausgesehen hatte. Zwar wusste Isabella noch immer nicht, welche Tarantel Diana da gestochen hatte, dass sie so verzweifelt versuchte, sie zu küssen. Was sie aber sehr wohl wusste war, dass da überhaupt keine romantischen Gefühle im Spiel gewesen waren. Doch wie sollte das alles trotzdem bloß weitergehen! Sie liebte Anna und sie liebte ihre beste Freundin auf diese andere, liebevolle Art und dass die beiden sie nun offenbar hassten, brachte sie dazu, sich selbst zu hassen. Sie würde am liebsten abhauen. Irgendwohin. Weit weg. Doch von ihren Problemen davonzulaufen, würde diese nicht lösen. Sie würden sie, wenn sie dann außer Atem irgendwann am unbekannten Ziel angekommen wäre, früher der später einholen und ihre gesamte Vergangenheit mitanschleppen. Es gab kein Entrinnen. Sie musste eine andere Lösung finden.
Isa wurde nun von ungeheurem Durst geplagt, weshalb sie von der Couch kroch, um sich in der Küche ein Glas Wasser zu holen. Am Rückweg fiel ihr dann ein kleines Körbchen auf, in dem eine schwarze Katze schlief. Sie sah wirklich niedlich aus und das Mädchen konnte einfach nicht anders, als sie zu streicheln. Es hatte etwas Beruhigendes, die Hand im flauschigen Fell zu vergraben und das Schnurren des Tiers zu spüren. Sie vermisste ihre Katze, die sie weggegeben hatten, als Isa ins Internat gekommen war, weil ihre Eltern sich nicht um sie kümmern hatten wollen. Und jetzt realisierte das Mädchen erst, was für grausame Menschen diese eigentlich waren. Ihre Mutter liebte Katzen doch eigentlich! Sie hatte immer gemeint, schwarze Katzen würden Glück bringen, man müsse nur daran glauben. Sie war überzeugt davon gewesen, Angst vor diesen Tieren zu haben, nur weil ein Aberglaube dies riet, wäre unfair und in gewisser Weise auch rassistisch. Und beim Gedanken daran, dass ihre Mutter auf Tiere bezogen sehr wohl Akzeptanz predigen konnte, ihre eigene Tochter jedoch verachtete, weil sie liebte, weil sie aufrichtige, ehrliche Gefühle für jemanden aufbrachte, zerstörte sie. Ihr Brustkorb schien sich mit einem Mal wieder zu verengen und somit ihre Lunge zu zerquetschen, sodass jeder Atemzug mühsam war und sich anfühlte, als bliebe ihr der so ersehnte Sauerstoff verwehrt. Sie meinte wieder, ersticken zu müssen, erhob sich schwer nach Luft ringend vom Boden und klammerte sich krampfhaft an die die Kante des Küchentresens.
Isabella musste dann irgendwann auch wirklich noch eingeschlafen sein, denn jetzt wurde sie wach und blinzelte der Sonne entgegen, die durch das bodenlange Fenster ihr gegenüber schien und den schönen Garten, den das Mädchen bis dato noch nicht entdeckt gehabt hatte, in ein warmes Licht tauchte. Sie war kurz ein wenig verwirrt, wusste nicht, wo sie sich befand, doch dann fiel ihr alles wieder ein und sie ließ sich seufzend zurück auf ihr Kissen fallen. „Ah, guten Morgen, Isabella! Wie war deine Nacht? Hast du ein bisschen geschlafen?" Isa drehte sich ruckartig nach links und blickte in Schusters Augen, die sie äußerst besorgt musterten. „Ich... äh... Guten Morgen. Nicht wirklich viel, um ehrlich zu sein..." Danny berührte mit außerordentlicher Sorgfalt Isas schmerzendes Auge und stellte dann fest, dass es mittlerweile von einem blauen Veilchen geziert war. Sie brachte ihrer Schülerin etwas zum Kühlen, auch wenn das nicht mehr viel helfen würde und bat sie dann zu Tisch, denn sie hatte ihr Frühstück gemacht. Es war zwar schon fast Mittag, denn das Paar hatte die junge Dame schlafen lassen, solange es möglich gewesen war, doch zu Frühstück sagte Isa trotzdem nicht nein. Sie hatte schon echt lange nichts mehr gegessen, wenn sie so darüber nachdachte. Darum schmeckte es ihr heute umso besser und auch ihr Appetit war endlich zurückgekehrt. Gestern noch hätte sie sich nur beim Gedanken an Essen nämlich am liebsten übergeben, doch sie konnte nicht ewig hungern. Das würde ihr Körper nicht mitmachen. „Wir werden gegen vier wegfahren, wenn das für dich in Ordnung ist", klärte die Lehrerin sie nun auf. „Vorher haben wir den ganzen Tag Zeit, um uns deiner Probleme anzunehmen. Iss mal und dann trinken wir ein Glas Wein hätte ich vorgeschlagen." Isabella fühlte sich in diesem Haus wirklich wohl und vor allem willkommen. Dieses Gefühl hatte sie nicht mal gehabt, als sie für die Sommerferien wieder zu ihren Eltern gefahren war. War es verwerflich, so schlecht über diese zu denken? Sie hatten ihr doch all das angetan, oder?
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Und ja, ich glaube an Schicksal
Teen Fiction[Abgeschlossen] „Glaubst du an Schicksal?" Sobald sie es ausgesprochen hatte, kam es ihr fast ein wenig blöd vor, dass sie nicht einfach etwas Banales für den Anfang gewählt hatte, sondern gleich so in die Tiefe gehen hatte müssen, doch Isa lächelt...