Louis' erste Idee war etwas einfaches, aber er bezweifelte, dass es so klappen würde wie er es sich vorgestellt hatte. "Du hast doch bestimmt irgendwo ein paar Bilder rumliegen? Von deiner Familie oder so?", fragte Louis nach, aber versuchte trotzdem so nett wie möglich zu klingen, denn er hatte keine Ahnung, ob es zu weit gehen würde, nach Bildern von ihm und seiner Familie zu fragen. "Ich habe zwei Bilder", antwortete der Größere und verschwand kurz in einem Raum. Louis wartete geduldig, aber fragte sich trotzdem, ob er in sein Schlafzimmer verschwunden war. Er wettete schon fast, dass es genauso leer und kahl aussah wie der Flur der Wohnung und die Küche war auch weit entfernt von einer schönen Raumgestaltung. Fünf Minuten später tauchte Harry wieder im Flur auf und reichte Louis zwei Bilder. Ein Bild zeigte nur Harry und eine Frau, die ungefähr in seinem Alter zu sein schien. War es seine Freundin? Schwester? Das zweite Bild zeigte Harry, die gleiche Frau und anscheinend Harrys Mutter. Der Mann sah Harry nicht ähnlich, also schloss Louis, dass es wahrscheinlich sein Stiefvater war. Der Lockenkopf räusperte sich und zeigte auf die Frau von dem ersten Bild. "Das ist meine Schwester. Gemma", erklärte er und ein Lächeln erschien auf seinen Lippen, das Louis etwas schmunzeln ließ. Vielleicht verstand sich Harry genauso gut mit seiner Schwester wie Louis es mit seinen eigenen Geschwistern tat.
"Jetzt sehe ich schon ein wenig die Ähnlichkeit", nickte Louis und sah Harry wieder richtig an. "Ich habe sechs Geschwister", fügte er hinzu und wie erwartet, schien Harry davon überrascht. Jeder wirkte immer ziemlich überrascht, wenn Louis dieses Detail über sich erzählte. "Unser Haus ist ein reines Chaos, aber ich liebe trotzdem jeden in meiner Familie."
Harry mochte es jetzt schon Louis' Lachen zu hören. Es war sanft und so voller Freude, dass er stundenlang zuhören könnte. Trotzdem versuchte er, den kleinen Mann nicht zu sehr anzustarren oder zu aufdringlich zu wirken. Oft genug hatte er von Gemma und seiner Mutter gesagt bekommen, wie er unbeabsichtigt jemanden anstarre. "Sechs Geschwister sind ziemlich viel. Ich glaube, dass ich das niemals ausgehalten hätte", gab Harry zu, bevor Louis die Stirn runzelte. "Es ist eigentlich gar nicht so schlimm. Manchmal wünscht man sich schon Ruhe, aber irgendwie kann es auch echt spaßig sein."
Harry beschloss, es nicht zu sehr zu hinterfragen. Louis wirkte viel offener als er es jemals sein könnte und gleichzeitig auch nicht so naiv wie Harry es manchmal war. Der Lockenkopf nickte und sah dann Louis an. "Wo hängen wir die Bilder dann auf?", fragte er nach und sah sich im langen Flur um. Louis wusste schon genau, wie er den Flur gestalten wollte. "Die Bilder kommen in die Mitte", begann er und sah Harry noch einmal an. "Ich brauche schon noch einen Hammer und Nägel", schmunzelte er und ließ Harrys Wangen wieder ein wenig rot anlaufen. Natürlich brauchte er Werkzeug. "Kommt sofort", nickte Harry und verschwand wieder in dem selben Raum, aus dem er die Bilder gebracht hatte. Diesmal konnte Louis sich nicht zurückhalten und machte ein paar Schritte nach vorne um einen Blick in den Raum zu erhaschen. Leise seufzend musterte Louis den Raum, der nur mit einem Bett, einem Nachtschrank und einem Kleiderschrank gefüllt war. Und mit der unangenehmen Stimmung des Morgen. Das Loch in der Wand jagte Louis einen Schauer über den Rücken und er hörte den Schuss wieder durch sein Kopf hallen. Die Angst, die er heute Morgen gespürt hatte, bis in die letzte Faser seines Körpers, bildete einen starken Kontrast zu der unsicheren Art, die er jetzt an Harry entdeckt hatte. Es passte nicht mehr zusammen, dass es dieser Mann war, der ihm diese Angst eingejagt hatte. Die Puzzleteile wurden auseinander geworfen und jetzt konnte man sie nicht mehr zusammenfügen. Louis wollte am liebsten ein neues Puzzle beginnen, bei dem er Harry wieder zusammenfügen muss und ihm zur Seite stehen kann.
Kurz räusperte sich Louis und sorgte dafür, dass Harry sich wieder umdrehte und aufhörte, das Chaos in dem Kleiderschrank zu durchsuchen. Wieso suchte er überhaupt dort nach Werkzeug? "Vielleicht sollten wir zuerst die Wand reparieren", schlug Louis langsam und vorsichtig vor. Harry seufzte und sah die Stelle an, wo die Kugel eingeschlagen war. Er schien wieder die kalte Hand um seinen Hals zu fühlen, sein Herz begann schneller zu schlagen. Kurz schloss er die Augen und schüttelte den Kopf, versuchte sich auf etwas anderes zu konzentrieren. "Ich mach das schon irgendwann", murmelte er, seine Stimme rau. Louis wusste, dass er die falsche Sache angesprochen hatte und fühlte sich sofort schlecht, dafür verantwortlich, dass es Harry sofort wieder so schlecht zu gehen schien. "Es tut mir leid, Harry, ich hätte das nicht ansprechen sol-"
Der Lockenkopf unterbrach ihn mit einem wütenden Blick. Das Glitzern in seinen Augen war nicht mehr schmeichelnd oder süß. Es war ein wütendes Funkeln, während irgendetwas zu brechen schien. Stille legte sich über die Wohnung und Louis dachte darüber nach, die Bilder auf das Bett zu legen und Harry alleine zu lassen. Er hatte gerade den Entschluss gefasst, Harry helfen zu wollen und dann machte er sich einfach wieder aus dem Staub? Was sollte der Lockenkopf denken? Aber trotzdem hatte er Harry anscheinend an etwas erinnert, dass er vergessen wollte. Louis' Hände begannen wieder zu zittern und er stammelte etwas vor sich hin, was Harry auch wieder nervös machte. Was hatte er nur getan? Er hatte Louis tatsächlich Angst eingejagt. "Es tut mir leid." Der Blick des Lockenkopfs wurde wieder sanfter, einfühlsamer und langsam fuhr er sich durch die Haare. "Ich wollte nicht so wütend wirken. Lass uns einfach diesen Morgen", er deutete auf das Loch in der Wand, "und das vergessen." Er drehte sich noch einmal um und kramte wieder im Schrank herum, bevor er Louis ein paar Nägel und einen Hammer präsentierte. Der kleinere der beiden wusste nicht mehr, wie er mit der Situation umgehen sollte. Er konnte es Harry nicht übel nehmen, ihn so böse angeschaut zu haben. Aus Spaß schießt man nicht auf eine Wand... oder hat überhaupt eine Waffe daheim.
Der Lockenkopf ging geradewegs an ihm vorbei und in den Flur, während Louis ihm nur langsam nachging. Als er den Flur betrat, war Harry schon dabei, den Nagel in die Wand zu schlagen. Sollte Louis die Sache einfach ruhen lassen?
Harry wusste, dass er vielleicht etwas überreagiert hatte, aber dieser Morgen ging ihm nicht wirklich aus dem Kopf, der Traum ging ihm nicht aus dem Kopf. Er wusste, dass er all das Liam erzählen musste, wenn sie sich wieder trafen, aber bis dorthin müsste er noch irgendwie selbst mit der Situation klarkommen. Egal, wie schwer es sein würde. Vielleicht würde Louis ihn auch irgendwann als normal ansehen.
Louis hing die Bilder auf, sobald die beiden Nägel in der Wand waren. "Wir brauchen definitiv noch mehr Bilder", merkte er an und Harry sah zu dem Mann, der so nah an ihm stand, dass er jetzt wirklich erkennen konnte, wie groß der Größenunterschied zwischen ihnen war. "Ich gehe morgen welche ausdrucken." Der Grünäugige zuckte mit den Schultern, während sein Gast nickte und sich noch einmal umsah. "Wir besorgen morgen mehr Fotos und Haken für Jacken, sowie einen Schuhschrank", beschloss Louis und deutete auf den Bereich neben der Eingangstür. "Schuhschrank und Haken kommen dahin. Dann füllen wir einen großen Teil der Wand einfach mit Bildern. Hast du Landschaftsbilder?" Er wendete sich wieder Harry zu, der sich nervös am Hinterkopf kratzte und den Kopf schüttelte. "Nein, nicht das ich wüsste. Ich schieße einfach nachher noch ein paar Bilder."
Louis erinnerte sich an den kleinen, gebrochenen Teil in Harrys Augen, als er ihn auf den Morgen angesprochen hatte. Dieser Anblick hatte sich in seine Gedanken gebrannt und irgendwie wollte er reparieren, was er konnte. Irgendwo musste ein erster Schritt gemacht werde, der nicht auf dem Aufhüschem der Wohnung basierte.
"Lass uns jetzt einfach ein paar Bilder machen. London ist mir sowieso noch fremd, wieso gehen wir es dann nicht einfach erkunden?" Harry konnte gar nicht Nein sagen.
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Die Hälfte des Kapitels hatte ich schon vor zwei Tagen fertig, aber ich habe echt herumgetrödelt, es endlich fertig zu schreiben. Langsam kristallisieren sich Harrys Probleme richtig heraus ^_^Feedback, Gedanken, irgendwelche Anmerkungen, alles her damit.
Bleibt gesund und munter!
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Love and Tattoos | Larry [pausiert]
FanfictionLouis scheint nach seinem Umzug von einem kleinen Dorf in eine Großstadt ziemlich verloren zu sein. Während er sich immer noch nicht zurechtfindet, trifft er auf den Ex-Soldaten Harry, dessen Tattoos ein Rätsel sind, das Louis unbedingt lösen möchte...