Harry wusste nicht, wo er Louis zuerst hinbringen sollte. Sollten sie gemeinsam an den Fluss gehen oder sollte er ihm einfach ein paar schöne Straßen zeigen? Beide hatten ziemlich schnell ihre Jacken angezogen und hatten sich auf den Weg nach draußen gemacht. Die Sonne begann schon langsam unterzugehen, aber das würde ihnen nur ermöglichen Bilder vom Sonnenuntergang zu schießen. "Wo willst du zuerst hin?", fragte Harry den kleineren, der rechts neben ihm herlief. "Wir können an den Fluss oder einfach in die Stadt", schlug der Lockenkopf vor und wartete gespannt auf eine Antwort, während Louis sich immer noch umsah. All das war immer noch so neu für ihn, obwohl er selbst ein oder zwei Mal mit seiner Familie schon einen ganzen Tag in London verbracht hatte. "Ich habe keine Ahnung. Dort, wo es am schönsten ist, denke ich." Louis zuckte mit den Schultern, bevor er den Kopf nach hinten neigte, um Harry anzusehen. "Die ganze Stadt ist schön, Louis", schmunzelte der 28-jährige und deutete dann auf die nächste U-Bahn Station. "Wir nehmen die U-Bahn und dann zeige ich dir einfach mal was."
Louis lief weiter neben Harry her und vertraute ihm einfach, dass er sie nicht irgendwo hinbringen würde, wo es gefährlich werden könnte. Gemeinsam liefen sie die Stufen zur U-Bahn hinunter, kauften Tickets und warteten dann für die eigentliche Bahn. Stille lag wieder zwischen ihnen, aber es störte keinen von beiden wirklich. Es war mit Abstand nicht so unangenehm wie bei ihrem ersten richtigen Gespräch in Harrys Küche. Louis fragte sich immer noch, ob Harry nur bei ihm so nervös wurde oder immer so sehr damit zu kämpfen hatte. Nachzufragen traute sich Louis aber nicht. Er wollte nicht das Risiko eingehen, dass Harry sich wieder bedrängt fühlte oder einfach nur unwohl. Louis würde einfach warten, bis er ein Gespräch anfing.
Als die Bahn vor ihnen hielt, ließ Harry Louis zuerst einsteigen, der sofort einen Platz für beide sicherte, bevor Harry sich mit einem Lächeln neben ihn auf den Sitz fallen ließ. Louis mochte Harrys Lächeln. Es sah so viel besser aus als dieser besorgte oder nervöse Ausdruck, der sonst in seinem Gesicht zu sehen war. Louis wusste nicht, wie lange sie wieder still da saßen, aber irgendwann wollte er einfach wieder ein Gespräch führen und schmiss die Einstellung über Bord, auf Harry zu warten, bis dieser ein Gespräch anfängt. "Darf ich fragen, was das Kreuz auf deiner Hand bedeutet?", fragte Louis neugierig nach und deutete auf das kleine Kreuz neben Harrys Daumen. Harry drehte sich zu ihm und lächelte wieder. Wenn Louis noch niemals mit Harry gesprochen hätte und er dieses Lächeln von dem Lockenkopf gesehen hätte, wäre sein Herz wahrscheinlich eigenhändig aus seiner Brust gesprungen. Jetzt ließ es Louis' Wangen rot anlaufen , während er irgendwie versuchte, sich nicht abzuwenden. Vor ein paar Stunden verspürte Louis nichts als Panik, als er herausgefunden hatte, wer der Lockenkopf war und jetzt gingen seine Gefühle mit ihm durch. Harry schien zu erkennen, dass irgendetwas in Louis' Kopf vorging und runzelte die Stirn. "Alles okay? Ist dir zu warm?"
"Nein. Ja. Nein, eigentlich nicht", lachte der Kleinere nervös und schob die Ärmel seiner Jacke und des Pullovers nach oben. Harry machte sich Sorgen, wieso Louis ihn so anstarrte und rot anlief. Machte er ihn nervös? Zur Sicherheit rückte Harry ein wenig zur Seite, aber präsentierte dem Blauäugigen seine Hand. Er wusste nicht so recht, wie er die Bedeutung des Tattoos erklären sollte, ohne zu sehr ins Detail zu gehen, was seine Zeit beim Militär betraf. Er konnte nicht abschätzen, wie lange er über diese Zeit reden konnte ohne wieder die Luft geraubt zu bekommen. "Ich war mal ziemlich gläubig", begann Harry und fuhr sich kurz durch die Haare. Louis fiel auf, dass er das 'war' betonte und sofort kam in seinem Kopf die Frage auf, wieso er denn nicht mehr gläubig war. Er hatte jedoch genug Selbstbeherrschung und Anstand, Harry nicht zu unterbrechen und einfach zu warten, ob er darauf eingehen würde, was ihn von dieser Einstellung abgebracht hatte. "Meine Oma hatte mich als Kind oft mit in die Kirche genommen und irgendwie begann ich ebenfalls, mehr und mehr an all das zu glauben. Ich kannte es ja nicht anders", erklärte der Lockenkopf und legte die Hände wieder in seinen Schoß, während er die Ringe an seiner linken Hand hin und her schob. "Als ich 18 wurde, habe ich mir dann das Tattoo stechen lassen. Das war auch zwei Wochen bevor ich dem Militär beigetreten bin. Irgendwie hatte ich die Illusion, dass es mir Glück oder Schutz bringen würde", gab er zu und sah kurz wieder Louis an, der ihm aufmerksam zuhörte. "Überraschung, es brachte mir gar nichts. Ein paar Monate in Afghanistan und ich wurde angeschossen, erlitt einen Hörsturz nur vier Monate später." Ein Seufzen verließ seine Lippen und Louis schluckte schwer. "Du musst nicht mehr erzählen", stellte Louis klar und fühlte sich wieder etwas schuldig, dass er Harry all dies erzählen ließ, wenn es so viel in ihm auslösen könnte. "Schon gut. Ich war mir sicher, dass ich es Gott zu verdanken hatte, dass ich noch wieder zurück nach England kommen konnte. Vor fünf Jahren passierte das", seufzte er und schob den linken Ärmel seiner Jacke nach oben und zeigte Louis die Narben, die dem Kleineren schon bei ihrem ersten Treffen heute morgen aufgefallen waren. "Keine schöne Angelegenheit und ich will auch nicht zu sehr darauf eingehen, aber auf jeden Fall fragte ich mich, wieso ich nicht davor beschützt wurde. Ich wurde zurück nach England geschickt und wurde ein Jahr aus dem Dienst befreit. Dann starb meine Oma und ich wusste, dass es niemanden gab, der mich irgendwie vor Schmerz beschützte. Schlussendlich..." Langsam brach Harrys Stimme und er wusste nicht, ob er weitererzählen konnte und wollte. Deswegen fasste er sich kurz:" Ich kehrte in den Dienst zurück, bis ich nach einem speziellen Einsatz die Möglichkeit bekam, den Dienst komplett ruhen zu lassen und das tat ich. Aber dieser letzte Einsatz hatte mir gezeigt, dass es da niemand gibt, der auf dich aufpasst oder dir irgendwie zuhört."
Louis wusste nicht, wie er reagieren sollte. Er starrte Harry einfach nur an, der wieder zu Schmunzeln begann. "Wir kennen uns nur ein paar Stunden und du weißt schon mehr als jede andere Person, die ich in den letzten Monaten kennenlernen durfte."
"Werde ich das bereuen?" "Nein, ich denke nicht." Louis begann ebenfalls zu lächeln. Die Bahn stoppte an der Station des Piccadilly Circus und Harry stand auf, zog Louis sachte am Arm hinter sich her und rannte schon fast die Stufen hinauf. Der Himmel begann sich zu verfärben und Harry begann schneller zu laufen. "Komm schon, sonst klappt es nicht mehr", rief er Louis über die Schulter zu und hastete durch kleine Straßen und Gassen.
Louis folgte ihm etwas verwirrt, aber das Lächeln konnte er sich nicht mehr aus dem Gesicht zwingen.
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Ich wollte das Kapitel unbedingt noch heute hochladen, deswegen kommt es so spät, haha.
Ich hoffe, es geht euch gut und lasst mich gerne wissen, wie ihr das Kapitel findet!
Bleibt gesund x
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Love and Tattoos | Larry [pausiert]
FanfictionLouis scheint nach seinem Umzug von einem kleinen Dorf in eine Großstadt ziemlich verloren zu sein. Während er sich immer noch nicht zurechtfindet, trifft er auf den Ex-Soldaten Harry, dessen Tattoos ein Rätsel sind, das Louis unbedingt lösen möchte...