1 │ Der Mann von nebenan

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Louis' Hände zitterten und sein Herz schien ihm beinahe aus der Brust zu springen. Das Geräusch der vorbeifahrenden Autos kehrte langsam zurück, füllte wieder Louis Ohren, während er sich an der Tür des Kühlschrankes hinunter gleiten ließ. "Oh scheiße", flüsterte der Braunhaarige, starrte auf seine Hände, dann auf die Reste der Tasse, die so laut auf dem Boden zersprungen war. Sollte er aufstehen und helfen? War jemand verletzt? Natürlich war wahrscheinlich jemand verletzt. Seine Gedanken rasten, malten ihm ein Bild von den schrecklichsten Szenarien, die er sich vorstellen konnte. Es kostete ihn unendlich viel Kraft sich vom Boden zu erheben und langsam zu der Wohnungstür zu gehen. Es gab nur vier Wohnungen in dem ganzen Haus und davon stand eine leer. Vielleicht hatte die Hausbesitzerin aus dem oberen Stock schon die Polizei alarmiert oder einer der Nachbarn hatte das schon getan. Vielleicht auch jemand, der einfach gerade an dem Haus vorbeispaziert war. Die Stimme von Louis' Mutter tauchte in seinem Kopf auf. Immer wieder hatte sie ihm gesagt, dass er sich nicht ewig vor Sachen verstecken kann und mutig sein soll, Menschen helfen soll, wo er auch kann. Diese Stimme schubste ihn immer weiter zu der Tür, die ihn ins Treppenhaus bringen würde. Tief atmete Louis ein und aus, bevor er die Tür öffnete und auf die Wohnungstür gegenüber zuging. Direkt mit der Entscheidung konfrontiert zu sein, ob er klopft oder nicht, ließ seine Hände wieder mehr zittern und nur die lauten Schritte von dem Stockwerk über ihm rissen ihn aus der Starre, in der er sich befand. Die Hausbesitzerin war eine alte Dame, deren Mann schon vor ein paar Jahren gestorben war. Louis sollte definitiv nach ihr sehen und fragen, ob sie schon die Polizei gerufen hat. Oder sie sollten es dann eben zusammen tun. Mit hastigen Schritten ging er zu der Wohnung der Vermieterin und klopfte an der Tür. Schritte ertönten auf der anderen Seite der Tür und bald wurde die Tür schon geöffnet.

Die Frau sah Louis ein wenig verwirrt an, aber konnte sich schon schnell denken, wieso er hier war. Mit einem Räuspern forderte sie ihn auf einzutreten, was Louis auch sofort tat. Die gestaute Angst brach aus Louis heraus und etwas verzweifelt sah er die alte Dame an, die so unfassbar ruhig schien, obwohl gerade ein Schuss zu hören gewesen war. "Sie haben doch auch den Schuss gehört oder? Wir sollten die Polizei rufen, wenn Sie das noch nicht getan haben", brach es aus Louis heraus, bevor er sich nervös durch die Haare fuhr. Angst füllte seine Augen und Nervosität kitzelte in seinen Adern. Die Hausbesitzerin, Miss Barnes, legte eine Hand beruhigend auf Louis' Schulter, was den 22- jährigen nur noch mehr aus dem Konzept brachte. "Machen Sie sich keine Sorgen um diesen Schuss, mein Lieber", begann sie, aber das Klirren von Tellern ließ beide in Richtung Küche schauen, die am anderen Ende des Ganges zu sein schien. "Es tut mir so leid, Margaret!", rief eine männliche Stimme aus der Küche und in der nächsten Sekunde erschien ein Mann in der Tür.

Louis hatte ihn noch nie gesehen. Seine braunen Locken hingen ihm etwas ins Gesicht und schwarze Augenringe ließen die grünen Augen so müde und erschöpft aussehen. Wahrscheinlich hatte ihn dieser Schuss ebenfalls mitgenommen. Für einen kurzen Moment herrschte eine unangenehme Stille und der unbekannte Mann lachte nervös, schob die Ärmel seines roten Pullovers nach oben und ließ Louis über die Tattoos staunen. Und über die Narben, die sich dazwischen befanden.

"Mr Tomlinson, das ist Mr Styles. Er wohnt in der Wohnung neben ihnen", erklärte Miss Barnes und ließ Louis beinahe einen Herzinfarkt erleiden. "Der Schuss kam doch von seiner Wohnung!"

Hatte er immer noch eine Waffe? Aber wieso hätte Miss Barnes ihn dann hineingelassen? "Es tut mir leid... Mr Tomlinson", entschuldigte sich der Mann und trat etwas näher, was Louis einen Schritt zurückgehen ließ. "Es war ein Versehen, ich-" Die Stimme des Mannes brach, nervös kratzte er sich am Arm und schien versuchen, irgendwelche Worte zu finden. War Louis in einem Horrorfilm gelandet? War er einfach in eine Falle gelaufen? Wie konnte ein Schuss ein Versehen sein? Wieso hatte er überhaupt eine Waffe? Louis konnte gar nicht mehr wütend sein, er war einfach nur noch verzweifelt und die Angst nagte an ihm. Seine Beine schienen beinahe nachzugeben. "Kommen Sie mit mir", flüsterte die alte Dame und Louis konnte sich nicht dagegen wehren auf die weiche Couch gesetzt zu werden. Wo war er nur gelandet?

Der Mann setzte sich gegenüber von Louis in einen Sessel und fuhr sich nervös durch die Haare, bevor er zu reden begann. "Das ist nicht das erste Mal, dass so etwas passiert. Ich war 10 Jahre in der Army und ich bekomme auch eine Therapie und alles, aber manchmal habe ich immer noch solche Träume und-"

Louis konnte langsam verstehen, was passiert war und wieso die alte Dame anscheinend keine Angst vor dem Mann hatte oder die Polizei gerufen hatte. Mr Styles schien sich so unwohl in seiner Situation zu fühlen und Louis konnte es ihm nicht übel nehmen. Einem Wildfremden sollte er so etwas erklären. Obwohl es für Louis in gewisser Hinsicht immer noch wie ein Traum wirkte, sortierten sich seine Gedanken langsam und er sah die alte Dame an, bevor er wieder zu dem anderen Mann sah. "Ich bin immer noch geschockt, aber ich denke, dass ich jetzt verstehe, was hier los ist", sprach er leise. Erleichtert seufzte der große Mann und überschlug die Beine, rieb sich die Augen, schien sich wieder zu fassen. "Es tut mir wirklich leid, dass ich ihnen solche Angst eingejagt habe. Eigentlich wollte ich mich noch persönlich bei ihnen vorstellen und eine Vorwarnung geben, aber das hat nicht so wirklich funktioniert."

"Ja, das hat es wirklich nicht", lachte Louis nervös und bekam ein kleines Lächeln von dem Mann zurück. "Ich sollte mal wieder gehen", fügte Louis hinzu und erhob sich langsam. Seine Beine fühlten sich wenigstens nicht mehr wie Pudding an. "Ich gehe auch, Margaret", sprach der Mann wieder und erhob sich ebenfalls. Beide gingen zur Tür, wo Louis überraschenderweise sogar die Tür aufgehalten wurde. Mr Styles lächelte ihn an, entschuldigend und seine Augen schienen beinahe danach zu betteln, dass Louis ihm das alles nicht böse nehmen würde. Louis wusste nicht richtig, wie er mit der Situation umgehen sollte, da solche Vorfälle ja anscheinend häufiger passierten. Einfach ausziehen konnte er auch nicht. Schweigend gingen beide die Treppen wieder hinunter und bevor Louis seine Wohnung betreten konnte, brach der Mann das Schweigen. "Mein Name ist übrigens Harry. Ich.. kann ich es mit Kaffee und Kuchen wieder gut machen?", fragte er nervös und ließ Louis etwas perplex aussehen. Er wollte Abstand zu dem Mann halten, zu den Problemen, die er anscheinend hatte, aber er schien wirklich wieder das ganze gut machen zu wollen. "Gerne", seufzte der Kleinere dann doch und öffnete seine Wohnungstür. "Später um vier Uhr?", fragte Harry und Louis nickte nur zustimmend, bevor er in seiner Wohnung verschwand und die Tür hinter sich schloss. Er hoffte, dass alles gut gehen würde.

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Hier ist das erste Kapitel! Ich bin so gespannt, was ihr denkt.

Bleibt gesund!  

Love and Tattoos | Larry [pausiert]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt