Jasmine

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Lächelnd schaute sie auf ihre verschränkten Hände herunter. Sie konnte ihr Glück noch immer nicht fassen, jemand so tollen wie Mike an ihrer Seite zu haben.

Er machte ihr Leben tatsächlich ein riesengroßes Stückchen besser. Mit den aufmunternden Worten, dem zaghaften Lächeln und der Tatsache, dass er sie liebte und fest an sie glaubte, tat er mehr für sie als die meisten Menschen in ihrem Leben.

Wenn sie nur daran dachte wie es früher war. Vor wenigen Monaten noch, stand sie dem Abgrund so nahe wie noch nie zuvor in ihrem Leben. Und das in einem so jungen Alter. Mit frischen neunzehn Jahren sollte man nicht mit dem Gedanken wach werden, sterben zu wollen. Denn genau das wollte sie. Sie hegte tatsächlich Gedanken, für die sie sich einerseits sogar schämte.

Bilder schossen ihr durch den Kopf; Bilder die sie längst vergessen wollte.

Wie sie weinend auf den kalten terracottafarbenen Fliesen der Mädchentoilette in ihrer alten Schule sitzt. Umgeben von Mädchen die ihren gequälten Gesichtsausdruck und ihr Flehen sie in Ruhe zu lassen, bloß mit einem abschätzigen Lachen quittieren.

Wie sie Zuhause vor dem Spiegel ihre blauen Flecken an Armen, Schenkeln und am Bauch betrachtet.

Die Schläge und Tritte ihrer Mitschülerinnen hatten sie geprägt. Beleidigungen wurden ihr an den Kopf geworfen, sobald sie von den Mädchen gesichtet wurde. Ihre Mitschüler betitelten sie als Hure. Hatte doch tatsächlich einer von ihnen mit ihr gespielt, es gefilmt und seinen Freunden stolz präsentiert.

Sie fühlte sie wie auf dem Präsentierteller.

Man hat sie gehasst; Bloß weil sie nicht perfekt war.

Sie besaß halt nicht die perfekte Figur, war halt ein wenig dicker als die anderen Mädchen um sie herum; Sie hatte keine schönen gepflegten langen Haare, sondern kurze zottelige; Sie hatte nun mal einen anderen Musikgeschmack als die anderen, und hörte lieber die Hits der 80er als die Charts.

Doch waren das tatsächlich Gründe ein junges Mädchen dermaßen zu ärgern, und sich das Recht zu nehmen sie sogar körperlich zu misshandeln? Bloß, weil sie anders war als all die anderen um sie herum?

Nachdenklich schaute sie auf die untergehende Sonne.

Sie fühlte sich damals schlecht und kaputt; Wertlos und machte sich selbst und das was sie war schlecht. Sie wollte sich verändern, für diejenigen die mit ihr nicht klarkamen, wie sie war. Sie wollte das Risiko eingehen, sich selbst endgültig zu verlieren.

Bis sie Mike traf. Ironischerweise an dem Ort, der für sie die Hölle auf Erden war.

Er fand sie schluchzend auf der Mädchentoilette, schon lange nach Schulschluss. Er sagte immer, dass er dieses Bild niemals in seinem Leben vergessen wird.

Die Knie fest an ihre Brust gezogen und das Gesicht in den Händen vergraben. Wie das gebrochene Mädchen mit angsterfüllten und verweinten Augen, schluchzend zu ihm hoch schaut, als er sie sanft an der Schulter berührt.

Er hat sie gerettet, gerettet vor dem Abgrund; Vor dem Fall.

Die letzten Monate ist er ihr nicht von der Seite gewichen. Er hat sie zu einer Therapie begleitet, geholfen den Großteil des Geschehenen zu verarbeiten. Er hat ihr gezeigt, dass selbst nach dem größten Sturm die Sonne wieder scheint.

16th May 2020

Die Sonne hinter den Wolken ✔︎Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt