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Knapp zwei Wochen später stand ich mit den anderen Auszubildenden auf dem Trainingsplatz der südlichen Kaserne. Heute würde die 104. Trainingseinheit starten. Ich war zugegebener maßen aufgeregter als ich es mir selbst eingesehen wollte. Ein glatzköpfiger Typ mit bedrohlich wirkenden Augenringen stand vor uns. Er war bestimmt 2 Meter groß und wirkte sogar auf mich leicht einschüchternd. Ich stand in der vierten Reihe und kannte niemanden. Andere schienen sich schon zu kennen, da sie sich erregt unterhielten. Ein lautes Pfeifen durchschnitt das murmeln der Menge wie ein Säbel und es war schlagartig still. Regungslos standen wir in unseren Reihen. Die Spannung war zum greifen nah. Der Typ schrie jeden von uns nacheinander an, fragte was wir hier wollen und wie wir heißen. Ein Einschüchterungsverfahren um die, die bei dem Gebrüll schon heulend zusammenbrachen, wieder zurück in ihre Dreckshütten zu schicken. 

Nach dem ersten Trainingstag fühlte ich mich völlig ausgelaugt. Einerseits tat mir alles weh, -selbst stellen an denen ich nie Muskeln vermutet hätte-. Aber andererseits war es auch ein Gefühl, das ich nie zuvor erlebt hatte. Ich war glücklich und stolz auf mich, das ich durchgehalten habe. Die anderen Auszubildenden verschwanden in Grüppchen im Speisesaal. Ich trottete etwas ziellos hinterher und suchte nach einem freien Platz. "Möchtest du dich nicht zu uns setzten? Hier ist noch ein Platz frei." hörte ich plötzlich eine Stimme hinter mir. Ich drehte mich abrupt um und sah in das Gesicht eines Blonden jungen Mädchens mit großen blauen Augen. Was wollte sie hier? Sie sah viel zu jung klein und schwach aus, um zur Trainingseinheit zu gehören. "Ja gerne." ich nahm dankend an und setzte mich. "Ich heiße übrigens Christa. Und du?" sie sah mich fragend an. Ihre Augen hatten bestimmt noch wenig Leid und Elend gesehen. "Ich heiße Masha. " Antwortete ich. "Freut mich Masha. Das ist übrigens Ymir und das ist Sasha." sie deutete erst auf ein Mädchen, das mich finster ansah und anschließend auf eines, das wie ein Schwein Essen in sich reinschaufelte. "Hao Mscha" Sagte sie mit vollem Mund. Ekelhaft. Ich sah sie angewidert an, bereute es aber sofort wieder, da ich mich daran erinnerte, das Kenny mich früher genau so ansah, wenn ich abends ausgehungert meine tägliche Ration Essen wie ein Tier verschlang. "Friss gefällig nicht wie ein Schwein., wenn du nicht wie eins behandelt werden möchtest" dieser Satz hatte sich in mein Gedächtnis eingebrannt. Um mich von meinen Gedanken abzulenken Antwortete ich nur "Freut mich, euch kennen zu lernen." und widmete mich ganz dem Essen. Es gab altes Brot, das in Wasser aufgeweicht wurde und Kartoffeln. Das Brot schmeckte nach nassem Staub und hatte die Konsistenz eines alten Schwamms. Während wir aßen erfuhr ich, dass Christa tatsächlich zur Trainingseinheit gehörte, ich verkniff mir jedoch jeglichen Kommentar, da Ymir so aussah, als ob sie mir jeden Moment die Augen auskratzen könne. Als ich gesättigt mit Christa und ihren beiden Freundinnen auf das Zimmer ging waren die meisten Mädchen schon da und plauderten. Ich war nicht in plauder Stimmung also ging ich direkt in den Innenhof um mich am Brunnen zu Waschen und um Zähne zu Putzen. Zurück im Zimmer legte ich mich direkt ins Bett und tat so, als ob ich schlafen würde. "Willst du denn schon Schlafen?" fragte mich Christa. Ich sah zu ihr hoch und meinte, das ich müde sei. Sie nickte und wünschte mir eine Gute Nacht.

In den nächsten Monaten hatten wir Grundlagentraining. Der Alltag war ziemlich öde und eintönig. Wir trainierten, redeten aßen und fielen abends erschöpft in die Betten. Ich vergaß mit der Zeit sogar, warum ich überhaupt der Trainingseinheit beigetreten war. Christa war unglaublich nett und an Ymir gewöhnte ich mich auch langsam. Mit Sasha und Connie war es aber am lustigsten. In den Pausen saßen wir oft alle zusammen und erzählten uns Witze. Ich war ausgelassen in ihrer nähe und mit der Zeit passierte etwas, das nie hätte passieren sollen. Wir wurden echt gute Freunde. Das Problem dabei war nicht die Freundschaft, sondern die vielen lügen, die ich ihnen auftischen musste. Sie durfte um keinen Preis erfahren wer ich war und was mein Ziel war. Vielleicht würde sie es für einige Zeit für sich behalten, aber irgendwann, früher oder später, würde sie mich verraten. Dessen war ich mir sicher. Mir gingen Kennys Worte immer wieder durch den Kopf , die er mir vor meinem Aufbruch in mein Hirn einprügelte. "Mach dir in der Trainingseinheit keine Freunde. Denn Freunde werden schneller zu Feinden als du Denken kannst. Schreib dir das hinter deine verdammten Ohren hast du verstanden?" -- Ich war damals fest davon überzeugt, während den drei Jahren, mit keiner Menschenseele auch nur ein Wort zu wechseln. Und vier Wochen später hatte ich insgesamt schon mehr gelacht als in meinem ganzen Leben. Es fühlte sich gut an, mit jemandem zu lachen und zusammen Essen aus der Kammer zu klauen, bedacht darauf, auf keinen Fall erwischt zu werden. Es war fast schon normal, das Sasha immer unpünktlich zum Training kam und anfangs regte sich noch jeder auf, aber mit der Zeit merkte selbst Kommandant Shadis, dass es sich nicht mehr lohnte Sasha für ihre Unpünktlichkeit zu bestrafen.

Ein guter Soldat musste reiten können und so kam es, dass wir irgendwann das reiten und kämpfen auf Pferden lernten. Anfangs fiel jeder mindestens ein mal vom Pferd. Aber nach und nach wurden wir alle besser und geschickter. Unsere Pferde wuchsen uns ans Herz und wir behandelten sie wie Könige. Zwar ritten wir nur innerhalb der Mauern aber selbst das war ein Erlebnis. Aber am besten fand ich aber die Holztitanen, die es zu bekämpfen galt. Es gab 2 Gruppen. Abwechselnd durften wir die Riesigen Zielscheiben angreifen oder mussten die kaputten Holzaufsteller je nach Beschädigungsgrad entweder zu Feuerholz verarbeiten oder in die Werkstatt bringen, während die anderen mit kämpfen dran waren. Das verarbeiten war weniger unterhaltsam, aber das Angreifen hatte was. Vor allem die Attacken im Team waren toll. Unsere Teamarbeit war anfangs miserabel. Wir sprachen uns nie wirklich ab und rannten einfach drauf los. Aber von mal zu mal Koordinierten und Planten wir besser. Außer Annie. Sie griff ohne Absprache an und wenn sie überhaupt mal mit jemandem Sprach, dann nur mit Mikasa. Die ungeplanten Angriffe von Annie waren zwar effektiv, zerstörten aber meistens die Gruppendynamik. Die einzige die nie auf Annie sauer war, weil sie einfach drauflos sprang war Mikasa. Manche vermuteten, das zwischen den beiden was lief, aber ich konnte mir nicht vorstellen, dass Annie überhaupt beziehungsfähig war. Und vor allem nicht mit Mikasa. Die hing nur an Eren.  Eren war ein echter Trottel und eine Memme. Ich verstand nicht, was Mikasa an ihm fand. Er war kein besonders guter Kämpfer und hatte auch keine besonderen Stärken, die dem Team von nutzen sein könnten. Im Gegensatz zu Mikasa war er schwach. Aber er hatte eine Willenskraft die dreimal für das ganze Team reichen würde. Er aß immer mit Mikasa und einem kleinen Blondschopf. Die drei waren offensichtlich schon Freunde ehe sie der Einheit beitraten. Der Blondschopf sah, wie Christa, zu jung und schwach aus, um hier durchzuhalten. Aber wenn ich eines am eigenen Leib gelernt hatte, dann, dass man die schwach aussehenden unter keinen Umständen unterschätzen sollte.

Attack on Titan: Inside the WallsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt