Geschichte 8

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Die 5 Wörter: Schicksal/Sehnsucht/Erfüllung/Angst/Freundschaft

Wie oft habe ich das schon gehört? "Es ist Schicksal, es soll so sein. Du wirst es irgendwann verstehen."
Wieso? Muss ich es verstehen, ich denke nicht. Wer sagt, das ich meine Angst vor neuen Verlusten überwinden muss?
Jeder der behauptet, dass es mein Schicksal sein soll mein besten Freund zu verlieren, dann noch auf diese unglaublichen tragischen Weise, der hat keinen echten Freund verloren, in seinem Leben. Ich werde jeden Tag an ihn erinnert. Egal wo ich bin, mit wem ich unterwegs bin.
Früher habe ich das alles mit ihm gemacht. Wir haben über unsere Sehnsucht nach der Welt geteilt. Wir haben oft nächtelang geplant, wo wir zuerst hinreisen wollen.
Wir fieberten unserem achtzehnten Geburtstag entgegen. Weil dann kann unser Traum in Erfüllung gehen. Doch nun. Was mache ich nun?
Jeden verdammten Tag, stehe ich auf versuche, stark zu sein, für die anderen. Ich würde am liebsten alles hinschmeißen und gleich sofort auf die Reise gehen. Die Reise, die wir beide solange geplant haben. Wir sammelten jeden Euro und legten es auf ein Sparbuch. Damit wir genug Reisegeld haben. Schließlich ist so eine Weltreise teuer. 
Seit wir uns gekannt haben, haben wir jeden Cent auf die Seite gelegt. Jedes Geld ob es zum Geburtstag, Weihnachten oder selbst verdient war. Es ist auf das Sparbuch gekommen.

Ich lege das Sparbuch vor mich hin und weiß nicht was ich damit nun machen soll. Soll ich es seiner Familie geben? Schließlich ist mindestens die Hälfte davon von ihm. Ich nehme es und laufe zu seinem Haus. Ich stehe davor und bekomme einen Kloss im Hals. Ich bin seit einer Woche nicht mehr hier gewesen.
Ich hatte Angst vor den Erinnerungen die aufkommen, wenn ich in sein Haus gehe. Immer noch vor der Tür stehend, kämpfend mit mir selber, werde ich angesprochen.
"Lilly, ist was passiert?" 
Seine Mutter steht vor mir, ganz blass, mit roten Augen. Das kommt von dem vielen Weinen, vermute ich. Ich schüttel gleich den Kopf. 
Langsam, wie ein Roboter laufe ich auf sie zu. "Warum stehst du dann, so lange vor dem Haus? Ich habe schon lange darauf gewartet, dass du mich besuchen kommst."

"Ich hatte keine Kraft, es tut mir leid. Ich weiß es ist nichts im Vergleich zu dem, was du durchmachst, doch schon wenn ich hier stehe, sehe ich ihn. An jeder Ecke, Stufe oder Fenster."

Meine Augen brennen. Ich bekomme keinen weiteren Laut heraus. Seine Mutter kommt auf mich zu und nimmt mich in ihre Arme. "Du Dummerchen, ich weiß wie nahe ihr zwei euch wart. Für dich ist es genauso schlimm wie für mich als Mutter. Ihr wart doch unzertrennlich, seit dem Kindergarten. Komm her." Ihre Nähe, lässt meine Mauer zusammenbrechen. Meine ganze Traurigkeit bricht aus mir heraus. Viele haben sich Sorgen, gemacht, weil ich nie wirklich geweint habe. Schon geweint, aber nicht so wie jetzt. Habe immer versucht zu funktionieren. Doch nun in den Armen seiner Mutter, vor seinem Haus. Kann ich nicht mehr. Meine Füße geben nach und ich falle mit seiner Mutter auf die Knie. Ich weine, schreie und schluchze was das Zeug hält. Egal wer gerade an dem Haus vorbei geht. Der wird sich denken, was ist nur passiert? Wer ist gestorben? Armes Mädchen. 
Seine Mutter reibt mir den Rücken, lässt mich jedoch nicht los dabei. Es hilft mir mich langsam wieder zu finden. 

"Siehst du, es ist besser so oder? Er hätte nicht gewollt, dass du es zurückhältst." Mir fällt das Sparbuch auf, es muss mir aus meiner Hand gefallen sein. Es liegt nun neben uns im Rasen. Ich nehme es und gebe es seiner Mutter. Noch nicht fähig etwas zu sagen, schaue ich sie einfach nur an. "Was ist das?" Sie schaut hinein und sieht, wie viel Geld das ist. "Lilly, ist das euer Sparbuch, für die Weltreise?" Ich nicke. "Was soll ich damit? Es ist dein und sein Geld." Ich versuche zu sprechen. Muss jedoch zuerst räuspern, damit meine Stimme wieder zu mir kommt. 
"Was bringt es mir nun? Du kannst es sicher besser gebrauchen als ich."
Sie scheint schockiert zu sein über diese Aussage. 
"Wie meinst du das? Willst du nicht mehr auf Weltreise gehen?" Wie soll ich das ohne ihn?

"Jetzt hörst du mir gut zu, Kleine. Jason hat sehr viel auf eure Freundschaft gehalten. Wenn du euren Traum nun aufgibst, gibst du auch seinen Traum auf. Ich hatte gehofft, dass ich wenigstens dich dabei sehe, wie du den Traum von euch beiden erfüllst. Ich hoffe, du findest jemand, der mit dir auf die Reise geht.
Sonst, da bin ich fest überzeugt, Jason wird bei dir und dir helfen auf der Reise. Ich möchte von allen Orten, Fotos haben. Erinnerungen. Ich glaube, es ist wichtig, für dich das du diese Reise machst."

Hat sie Recht? Ich überlege. Hat er nicht einmal gesagt, dass er auf jeden Fall auf diese Reise gehen will. Auch wenn ich plötzlich nicht mehr gehen möchte. Er würde alleine gehen.
Somit ist es beschlossen, ich werde auf Weltreise gehen. Nächstes Jahr ist mein Abschlussjahr. Achtung Welt, ich komme! Jason, das ist für uns und unsere Freundschaft!

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