Endlich erreichte ich die lichtdurchflutete Eingangshalle. Ich konnte gar nicht glauben, dass ich es geschafft hatte, den Weg durch das Gängelabyrinth nach draußen zu finden! Aber leider, leider stand Coulsons Corvette nicht mehr dort, wo der Agent sie zuvor geparkt hatte. Ich wusste nicht genau, wo wir waren, aber wenn ich immer in geradeaus ging, würde ich sicherlich irgendwann eine Stadt finden. Mit zügigen Schritten näherte ich mich dem Tor. Die Lücken zwischen den einzelnen Metallstreben waren eng, hindurchpassen würde ich dort nicht. Also drüberklettern. Die altmodische Bauweise des Tores war ideal dafür, es bestand eigentlich nur aus einem gewundenen Stahlgeflecht.
Nach drei Versuchen hatte ich es geschafft, meinen Rucksack auf die andere Seite zu werfen. Schien alles heil geblieben zu sein, zumindest hatte ich nichts gehört, was dagegen sprechen könnte. Dann müsste ich jetzt hinterher. Mit einer Hand stützte ich mich ab, mit der anderen griff ich nach einem Querstab und zog mich hoch. Verdammte Scheiße, war das anstrengend! Aber es funktionierte, wenn auch nur mittelmäßig. Nach kurzer Zeit hatte ich den oberen Rand des Tores erreicht. Vorsichtig schwang ich mein eines Bein darüber, dann mein Anderes. Von hinten hörte ich Rufe der Avengers und der Schüler. Die konnten mir gestohlen bleiben. Angeberische, arrogante Trottel. Ich stieß mich ab und sprang, darauf achtend, nicht die dunkelblaue Tasche zu treffen. Shit! Meine Knie! Der Aufprall hatte ganz schön weh getan!
Zielstrebig schlug ich mich vom geteerten Weg in den Nadelwald, den wir bei der Hinfahrt - oder sollte ich es Hinflug nennen? - überflogen hatten. Mein Gott, war das heiß hier? Die Pinien spendeten fast überhaupt keinen Schatten, zusätzlich mussten hier bestimmt 35° C sein. Die Hitze war unerträglich. Nach mehreren Stunden geradeauswandern lief ich nicht mehr sondern schleppte mich nur noch dahin. Die Sonne brannte auf mich nieder, mein Hals war schon lange ausgetrocknet und die Erschöpfung übermannte mich nach und nach. Der Nadelwald war genau so nadelig wie zuvor. Doch es musste langsam auf den Abend zugehen, wenn mich mein Zeitgefühl nicht täuschte. Das hieß, es würde bald kälter werden! Wieder etwas motivierter zwang ich mich dazu, weiterzugehen. Keine gute Idee. Nach einer Weile wurde mir schwindlig, ich fing an, ein seltsames Fiepen wie bei einem Tinnitus im Ohr zu haben.
Auf einmal nahm ich den erfrischenden Geruch des Meeres wahr. Endlich Kühle! Hoffnungsvoll schleppte ich mich weiter. Schon bald nahm ich das Rauschen der Wellen wahr. Vielleicht waren dort ja sogar Surfer oder Touristen, die mir weiterhelfen könnten! Während ich dem rettenden Ozean immer näher kam, wurde das Schwindelgefühl immer stärker. Meine Knie wurden weich. Von weitem konnte ich hinter ein paar Palmen schon einen weißen Sandstrand entdecken. Ich zwang meine kraftlosen Beine, weiter zu gehen, doch plötzlich knickten sie unter meinem Körper weg und der Boden kam immer näher. Müde lag ich am Boden. Nicht die Augen schließen. Nicht die Augen schließen. Nicht die Augen schließen. Nicht...
Dunkelheit.
***
Endlich war es wieder kühler. Ich schwamm in einem Meer, nein in einer Art See. An allen Seiten war das Ufer zu sehen. Kühle, angenehme Kühle. Ich tauchte unter, tauchte auf den Grund. Noch kälter. Angenehm...
"Cath? Cath? Cathubodva? Wach auf", riss mich eine verschwommene Stimme aus der Traumwelt. "Ja, was ist?", murmelte ich. Wenn ich zu spät zur Schule wäre, wäre mir das ehrlich gesagt komplett egal. Diese idiotische Jessica konnte mir sowieso gestohlen bleiben. Benommen rollte ich mich zur Seite.
Prompt verlor ich den Halt und plumpste auf den harten Boden. Moment mal, Boden? Ich hatte einen Teppich vor meinem Bett verlegt! Überrascht schlug ich die Augen auf - und blickte in haselnussfarbene Augen. Tony Stark! Sofort fiel mir alles wieder ein. Verdammt, ich musste wieder in dieser dämlichen Schule sein! Och nee... Blitzschnell suchte ich den Raum nach Fluchtmöglichkeiten ab. Neben dem Bett befanden sich in dem hellgrau gestrichenen, leider fensterlosen Raum nur ein kleiner Tisch, ein metallener Schrank und zwei Stühle. Alles in weiß. Außerdem hing ein kleines Waschbecken an der Wand. Und zwischen der mattweiß lackierten Holztür und mir befand sich das arrogante Arschloch.
"Gehen Sie weg", grummelte ich missgelaunt. "Verschwinden Sie einfach und lassen Sie mich in Ruhe. Am besten, Sie sagen Coulson Bescheid. Er kann mich wieder nach Hause bringen." Müde rollte ich mich in der Decke zusammen. Ich konnte das breite Grinsen des Milliardärs schon fast spüren. "Ich dachte, wir wären schon beim Du?" "Vergessen Sie's!"
Ich hörte die Tür klappen. War ich ihn endlich los? Hoffnungsvoll drehte ich mich nach oben - und mein Blick traf den des schwarzhaarigen Vollidioten. Na super. "Verpissen Sie sich einfach!", knurrte ich aufgebracht. Ihn konnte ich gerade noch weniger ab als Stark. Dieses kaltherzige, miese Arschloch könnte überall sein. Aber nein, er muss mich nerven, wahrscheinlich die einzige Person in dieser sogenannten Schule, die keinen Bock auf ihn hat. Jeder andere wäre wahrscheinlich super glücklich darüber, mit den Avengers Zeit verbringen zu dürfen. Ich fand sie jedoch einfach nur langweilig. Das ganze Aufhebens um die selbsternannten 'Superhelden' war meiner Meinung nach einfach übertrieben. Ein arroganter Milliardär, ein Eiswürfel, eine riesige grüne Kartoffel, ein Bogenschütze, eine Martial-Arts-Kämpferin und ein Alien. Fünfzig Prozent von denen konnten eigentlich sowieso nichts ausrichten. Was halfen denn bitte ein paar Pfeile und zwei, drei Schläge und Tritte gegen eine orkartige Alien-Armee? Richtig, wenn man nicht gerade Legolas oder 'Die Braut' aus 'Kill Bill' ist, überhaupt nichts! Und ein Schild? Also bitte! Das mochte vielleicht im zweiten Weltkrieg noch innovativ gewesen sein, aber jetzt...
"Hallo? Cath? Cathubodva Lokisdóttir?", fragte Stark verwirrt. "Du ignorierst uns, oder?" Moooooooooment! Wie hatte mich die aufgeblasene Blechbüchse gerade genannt? "Ich mag meinen Nachnamen!", protestierte ich, während ich aufstand und den Milliardär mit stechenden Blicken bombardierte. "Und außerdem habe ich überhaupt keine Lust, wie der Psychopath zu heißen, der vor zwanzig Jahren New York angegriffen hat!" Ich verschränkte die Arme. "Was denken Sie sich eigentlich, mir einen vollkommen beschissenen Nachnamen zu verpassen, ohne mich zu fragen! Nur weil Sie reich sind, können Sie sich nicht jeden Scheiß erlauben! Ich hab's Ihnen schon einmal gesagt, und ich sage es nur noch einmal. VERPISSEN SIE SICH EINFACH!"
In diesem Moment brach etwas aus mir heraus. Es fühlte sich seltsam an, aber irgendwie auch befreiend. Als wäre ein Schloss in meinem Inneren gesprengt worden. Das Blut pulsierte in meinen Adern, doch trotz des unbändigen Zorns umhüllte mich eine eiskalte Ruhe. Euphorie durchflutete mich, ich genoss die durch mich hindurchströmenden Gefühle. Die Situation war neu für mich, trotzdem fühlte es sich an, als hätte ich nie etwas anderes getan. Wie ein natürlicher Instinkt. Durch das grüngoldene Leuchten, das mich umgab, nahm ich nur verschwommen wahr, wie Stark, Loki und das Mobiliar um mich herum weggeschleudert wurden.
Als das Leuchten erlosch, bemerkte ich, wie in atemberaubender Geschwindigkeit eine dunkle Gestalt auf mich zuraste. Als ich einen Blick auf den Platz warf, wo nur Sekunden zuvor noch zwei Avengers gewesen waren, bemerkte ich, dass nur Tony Stark an der Wand lehnte und sich nicht rührte. Zu spät wurde mir klar, dass der Zweite dann woanders sein müsste. Plötzlich spürte ich einen dumpfen Schlag auf den Kopf, auf den stechender Schmerz folgte. Ich versuchte, mich auf den Beinen zu halten doch schon nach wenigen Sekunden gaben sie unter mir nach und ich kippte nach vorn. Das Letzte, was ich fühlte, waren kühle Hände, die mich an den Armen festhielten. Ob ich damit vor dem Aufprall bewahrt wurde, wusste ich nicht, denn der Schlag auf den Kopf hatte mich schon in die Bewusstlosigkeit befördert.
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Avengers Academy - Eine etwas andere Marvel FF
FanfictionWir schreiben das Jahr 2030. Eine kleine Gruppe Jugendlicher, die Nachfahren der weltberühmten Avengers, werden darauf vorbereitet, das Erbe ihrer Eltern anzutreten. Sie alle wurden von klein auf dafür trainiert. Bis auf eine... Cath lebt zusammen m...