Kapitel 9

13 5 13
                                    

Ein paar Stunden später saß ich seltsam verbogen in einer gemütlichen Position auf der Couch.
Der Wind pfiff durch die zerklüfteten Berge draußen, der Regen prasselte gegen die Fenster.
Traumhaft.
Ich hatte mich unter eine grobe, grün-graue Decke, die auf den ersten Blick aussah wie ein Teppich, gekuschelt und mir ein Buch geschnappt.
Minou hatte beschlossen, dass sie ebenfalls trotz ihres flauschigen Fells mit unter die Decke wollte, weshalb sie jetzt neben mir saß und seelenruhig schlief.
Um genau zu sein saß sie auf dem Buch über Engel, weshalb ich jetzt eines über verschiedene magische Kreaturen las, da ich es nicht über mich gebracht hatte das Fellknäuel aufzuwecken.
Ich warf einen Blick auf den ruhig atmenden Huckel unter der Decke und lächelte.

Dann wandte ich mich wieder dem Buch zu.
Zu jeder Kreatur gab es eine farbige Illustration, sodass man nicht nur Fakten und Geschichten oder Mythen sondern auch direkt das beschriebene Wesen hatte.
Insgesamt war es ein interessantes Buch.
Ja, eigentlich sollte es mich langweilen, immerhin würde ich ja auch kein Lexikon von A wie Affe bis Z wie Zebra lesen.
Aber ganz genau das war ja der Punkt.
Ich lebte praktisch in einer Buchwelt.
Es gab Drachen, Feen, Einhörner....
Alle möglichen potentiell tödlichen Fabelwesen.
Ich meine... ich war ein Drache. Das sagte ja wohl schon alles.

Gerade übersprang ich ein paar Seiten, da ich es nicht über mich brachte etwas über Wasserkreaturen zu lesen.
Ich endete bei F.
Wie fleischfressende Pflanzen.
Die Illustration daneben zeigte einen großen, wirklich hübschen Blütenkelch auf einem mit großen, grünen Blättern versehenen Stiel.
Ja, diese Pflanzen hatte ich noch zu gut im Kopf.
Viel zu lebhaft spielte sich die Szene vor meinem inneren Auge ab.

Ich war gerade in diese Welt gekommen.
Also, wirklich.
Ich war gerade durch das Portal gestolpert und von Milan allein gelassen worden.
Eigentlich gab es nämlich eine Art Ritual.

Alle Neulinge mussten allein von ihrem Portal aus zum Himmelsberg finden.
Dort befand sich die Höhle der Entscheidung.
Ein bescheuerter Name, wenn ihr mich fragt.
In der Höhle befinden sich mehrere Gänge.
Jeder davon führt in einen anderen Teil der großen Haupthöhle.
Dort stehen drei riesige Drachenstatuen, Abbilder der Herrscherfamilie.
Sie zeigen dir auf, was du bist und teilen dir jemanden zu, der dir Grundlagen erklärt und nen Wohnort schafft.
Davor musst duch dich jedoch praktisch gesehen entscheiden.
Gehst du nach rechts, links oder in die Mitte?
Also zwei Extreme oder das Neutrale dazwischen.
Das hatte mir Milan erklärt, kurz bevor wir dort angekommen waren.
Ja, er hatte mich hingebracht.

Aber zurück zum Anfang.
Ich war also durch das Portal gestolpert.
In beiden Welten lag es in einem Wald.
Das Dumme war nur, dass ich neugierig war.
Was mir an Intelligenz fehlte, machte ich durch Neugier wieder wett.
Oder so ähnlich...

Ich war nämlich direkt in die Botanik gestolpert und war während meiner Bewunderung für die großen Bäume mit den fantastischen, silbrigen Blättern direkt auf eine kleine, freie Fläche gestoßen.
Hätte es mich stutzig machen müssen, das dort nichtmal Vögel waren? Ein eindeutiges ja.
Aber zu meiner Verteidigung, diese Ganze Sache mit der Verwandlung hatte mein Denken massiv beeinflusst.
Immerhin hatte ich erst Todesqualen gelitten, war aus meiner Welt geflüchtet und dann in ein scheinbares Paradies gestürzt.
Ein bisschen wie Alice im Wunderland.
Nur das ich nicht durch n Loch im Hügel sondern durch einen Baum gekrochen war.

Auf jeden Fall waren dort diese wunderschönen, eleganten Blüten gewesen.
Sie waren zauberhaft und Auberginenfarbend.
Dazu ein dunkles mossgrün,...

Auf jeden Fall war ich auf sie zugelaufen.
Ich hatte nichtmal die weißen, glänzenden Teile am Rand der Blüte gesehen.
Und bis dieses bösartige Unkraut aufgewacht war, war ich überzeugt das mich irgendwas erhört und in eine bessere Welt gebracht hatte.

Die Blumen hatten mich irgendwie wahrgenommen (wahrscheinlich hatten sie auch noch Nasen!) und hatten sowohl ihre Zähne ausgepackt, als auch ihre Augen geöffnet.
Die Zähne waren so lang wie meine Unterarme und so scharf wie das frisch geschliffene Fallbeil einer Guillotine.
Die Augen jedoch machten das Bild ein wenig zu Nichte.
Kreiselnde Strudel des Todes starrten mir seelenlos entgegen.
Also wirklich seelenlos.

Die Augen wirbelten wirklich wie Strudel, das war keine reine Metapher.
Sie hatten ein seltsam verrottet aussehendes Grün. Der andere Kreisel war schwarz gewesen.
Ich war zu Tode erschrocken zurückgestolpert, als dieses fiese Gewächs mit erstaunlicher Geschwindigkeit und weit aufgerissenem, nach Kompost riechenden Blütenkelch auf mich zugeschossen kam.
Zum Glück ear Milan da gewesen.

Er hatte mir erst das Leben gerettet.
Dann war er besorgt gewesen.
Und dann hatte er sich wie der letzte Arsch benommen und mich angeschnautzt.
Ich konnte jedoch relativ wenig dafür, immerhin war es den Begleitern nicht verboten, uns vorzuwarnen oder zu informieren, was hier so abging.

Aber nein, der Blödmann hatte mich volle Kanne ins Messer gelaufen.
Und weil Mr Mysterium dann natürlich der festen Überzeugung war, das MICH die Schuld traf, bestand er darauf, mich zum Himmelsberg zu begleiten.
Deshalb mochte ich ihn nicht.
Er hatte mich fast ungewollten Selbstmord begehen lassen, um mich zu retten und mich anzuscheißen.
Aber vorallem störte mich, das ich sogut wie nichts gegen ihn in der Hand hatte.
Der Typ hatte mein Leben durchwült, hatte mein Zimmer durchstöbert und in meinen Notizbüchern herumgeschnüffelt.
Und ich?
Ich wusste noch nichtmal wo der Schwachkopf überhaupt wohnte.
Ich wusste garnichts über ihn.
Außer, dass er Milan hieß und einen auf Begleiter machte.
Außerdem war er schon deutlich länger hier als ich.
Und er war älter.
Ich wusste also vielleicht doch nicht nichts.
Aber für meinen Geschmack wusste ich viel zu wenig.

Und er hatte mir mein Leben gerettet.
War das vielleicht der Grund dafür, dass ich ihn in meiner Vision gesehen hatte?
Der Grund dafür dass er mich gewarnt hatte?
Andererseits würde Milan mich offensichtlich niemals warnen.
Vielleicht war das umgekehrte Psychologie und ER war ein Verräter?
Ich wusste es nicht.
Ich grübelte noch relativ lange nach, doch das Prasseln des Regens und das Rauschen des Windes ließen mich langsam, ohne das ich davon Notiz nahm, in die Welt der Träume segeln.

-------------------------------------------

Gewidmet: Yuwukas

Sie hat mich an die Pflanzis erinnert und mir irgendwie Motivatiooon gegeben, mir mit der Geschichte hier n bissl Mühe zu geben und vorallem endlich mal  weiterzuschreiben.
Danke dafür!⚘❇

Der Drache mit den KatzenpfotenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt