Bier.

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POV Manu
Die Balkontür knallte zu. Was war denn das jetzt für ein überstürzter Abgang? Was hab ich falsch gemacht? Bin ich meinem Kleinen zu nahe getreten?
Stopp, Stopp, Stopp. Habe ich grade mein Kleiner gedacht? Ja. Chris ist mein Kleiner. Mein Schützling, wenn man so will irgendwie mein Kind. Mein schon ziemlich großes Kind. Als er hier zum DFB kam war er so schüchtern, so unsicher. Er hat sich kaum mal getraut, einen von den alten Hasen anzusprechen oder auf dem Platz mal ordentlich Gas zu geben. In seiner Ratlosigkeit hatte Jogi sich an mich gewandt.
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"Manu, hast du mal einen Augenblick für mich?", rief Jogi mit hinterher, als ich mich grade auf den Weg in unser Teamhotel machen wollte. Das Training war vorbei und ich hatte relativ lange gebraucht um nach dem Duschen meine Haare zu richten. Irgendwie achtete ich seit, der kleine Blonde aus Gladbach dabei war ein wenig mehr auf mein Aussehen als vorher.
Dementsprechend überrascht war ich, dass mein Trainer anscheinend auf mich gewartet hatte. Also zuckte ich mit den Schultern und folgte ihm in seinen Umkleideraum. "Setz dich doch bitte", meinte er mit einem väterlichen Lächeln und ich ließ mich nur zu gerne auf den Plastestuhl fallen. Andi hatte mich gequält heute, mir tat jeder einzelne Knochen weh.
"Was gibt's Jogi, hab ich was ausgefressen?", fragte ich, von seinem nachdenklichen Blick nun doch ein wenig verunsichert. "Nein, nein. Meine Nummer eins hat sich nichts zu Schulden kommen lassen. Ganz im Gegenteil. Ich mache mir Sorgen um einen unserer Neuen." Ich verstand nicht so ganz und zog fragend eine Augenbraue hoch, mein Trainer schien zu verstehen. "Es geht um Chris. Also Christoph Kramer. Seit er hier ist bricht seine Leistung rabiat ab." Ich verstand immer noch nicht so ganz. "Und was habe ich damit zu tun? Ich habe doch nicht mit ihm gemeinsam Training?" "Darum geht es nicht. Ich glaube, dass er sich einfach unwohl fühlt hier. Erik und Matthias haben sich gegenseitig. Julian hält sich an Benedikt, Mario und Marco kleben zusammen wie Pech und Schwefel. Aber Christoph hat scheinbar ein paar Problemen, Anschluss zu finden. Er gehört zu den schüchternsten, die wir je hatten, hat wenig Selbstvertrauen und haut sich auf dem Rasen in keinen Zweikampf gegen die alten Hasen. Wenn er so weitermacht, muss ich ihn aus dem Kader nehmen, ich kann nicht gebrauchen, dass jemand permanent die Bank hütet. Grade auf seiner Position muss man kämpfen. Manu bitte. Könntest du ihn unter deine Fittiche nehmen? Du hast doch so viel Feingefühl, eine gute Menschenkenntnis. Zeig ihm, dass du nicht so furchteinflößend bist, wie du aussiehst! Hilf ihm bitte, sich hier ein wenig einzuleben." Jogi schaute mich bittend an und ich begann zu grinsen. Hatte ich doch schließlich auch einen Narren an dem kleinen Gladbacher gefressen.
"Ich kann dir nichts versprechen, aber ich kann es versuchen. Steck ihn doch zu mir ins Zimmer. Dann bin ich nicht so einsam und vielleicht bin ich eine angenehmere Gesellschaft als Kevin." "Das würdest du machen Manu? Du warst doch immer so glücklich über dein Einzelzimmer?" "Ich würde es auf einen Versuch ankommen lassen. Solange ich nicht mit einem Quälgeist wie Thomas oder Poldi in einem Bett schlafen muss, kann ich damit umgehen." "Danke Champ, dafür hast du was gut bei mir!" Ich dachte nach. "Wie wär's zu Abwechslung mal mit einer Flasche anständigem Bier? Dieses alkoholfreie Zeug kommt mir aus den Ohren raus." Jogi musste grinsen. "Ich guck was sich machen lässt, du Riese. Ich schick Chris zu dir nach oben, friss ihn bitte nicht ja?" Ich zeigte meinem Trainer noch einen Daumen nach oben und verließ mit einem Lächeln auf den Lippen das Trainingscamp um zum Hotel zurück zu fahren.
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Das schien ihn heute schon so lange her. Wie ein kleiner Schuljunge hatte Chris an diesem Abend vor meiner Tür gestanden. Mit einer Flasche Bier in der Hand.

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