Kapitel 2

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Gegen Nachmittag kehre ich in die Wohnung zurück.

Nach dem Gespräch mit meiner Arbeitskollegin (und Vincent) hatte ich nicht mehr viel zu erledigen gehabt. Ich bin schnell noch einkaufen gegangen und habe die Dinge geholt, die wir für den Haushalt brauchen —mit Vincent's EC-Karte wohl gemerkt. Ab und zu habe ich es auch einfach genossen wieder frei zu sein. Leider haben mich auch viele Orte an Emery erinnert.

«Hey!» ruft mein bester Freund und hüpft über die Couch um zu mir zu gelangen. «Warst du einkaufen?»

«Bist du blind?» frage ich belustigt und verschwinde mit der Tüte, die ich noch kurz hochhalte, in die Küche. Dort hole ich mir eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank. «Ich hab den Job.» ergänze ich, als Vince vor mir steht.

«Ich weiß. Marc hat's mir schon erzählt.» Er schnappt sich seine Autoschlüssel, die auf dem Tresen liegen und klaut mir mein Wasser. «Ich muss doch nochmal raus. Brauchst du irgendetwas?» fragt er mich bevor er mir die halbe Flasche wegtrinkt.

«Eine Packung Zigaretten wären nicht verkehrt.» Ich stelle die Milch in den Kühlschrank und klaue mir meine Flasche zurück.

«Hattest du nicht erst gestern eine gekauft?» Nickend hole ich mein vibrierendes Handy aus der Hosentasche. «Ist schon leer.»

«Alter, das ist nicht mehr gesund. Wir reden später über dieses Thema.» Ehe ich protestieren kann, verschwindet er schon aus der Küche und daraufhin aus der Wohnung.

Nachdem ich den ganzen Einkauf einräume, lese ich mir seufzend die Nachricht durch die ich erhalten habe. Meine Mamá schreibt, dass ich sie mal in Spanien besuchen soll. Vor zwei Jahren ist sie mit meinem Vater zusammen zurück nach Madrid gezogen, wo die beiden auch ursprünglich herkommen. Sie waren nach meiner Entlassung für ein paar Tage hier, mussten jedoch schnell wieder nach Spanien fliegen. Ich schreibe ihr, dass ich sie nächsten Monat besuchen werde, wenn ich wieder etwas mehr Geld habe.

Da ich noch eine einzige Zigarette habe, gehe ich auf den Balkon und setze mich auf den Stuhl den ich mir extra dahin gestellt hatte. Es ist echt nicht gesund wie viel ich heute schon geraucht habe. Aber ich hatte das Gefühl das ich es brauchte. Es fühlt sich so an, als würden meine ganzen Sorgen mit einer einzigen Zigarette verschwinden.

Während ich mir die Zigarette zwischen meine Lippen stecke und sie anzünde, bemerke ich kaum das sich in meinen Augen Tränen bilden.

Alles, was ich bis heute gekonnt verdrängt habe scheint wieder an die Oberfläche zu wollen. Und ganz ehrlich... Ich habe auch nicht vor diese ganzen Gefühlen erneut in den Hintergrund zu drängen. Ich darf mir endlich erlauben alles loszulassen, was mich überwältigt hat. Ich habe zuletzt geweint, als ich Emery mit Absicht weggeschickt hatte, obwohl sie mich so gerne an ihrem Geburtstag besuchen wollte.

Zittrig nehme ich einen Zug vom Krebserreger. Dabei schaue ich auf die Tränen die auf den Boden tropfen, da ich meinen Kopf nach unten geneigt halte.

Plötzlich kommen mir wieder alle Gedanken und Handlungen in den Sinn, die ich in der Zeit getan habe, als ich meine wunderschöne Emery kennenlernte.

Damals, mit meinen dummen 23 Jahren, dachte ich das es die beste Lösung wäre Emery von mir wegzustoßen. Mittlerweile bereue ich es. Ich bereue es, die einzige Person die ich jemals so sehr geliebt habe, verlassen zu haben. Ich wollte einfach nur das sie ihr Leben genießt und nicht auf mich wartet, aber ich habe nie an die Zeit nach dem Knast gedacht. Natürlich will ich sie wieder. Ich habe an nichts anderes, als an unsere erste Begegnung gedacht.

Ich vermisse sie so sehr. Ich will sie so sehr wieder sehen.

Mein stilles weinen verwandelt sich nun in schmerzvolle Schluchzer. Ich will den Schmerz weg rauchen, aber meine letzte Zigarette habe ich schon lange zu Ende geraucht. Vincent wird bestimmt noch etwas länger unterwegs sein.

Es dauert nicht lange, da beruhige ich mich auch schon und hoffe innerlich das Vincent sich beeilt, damit ich noch eine Zigarette rauchen kann.

-

Als mein bester Freund nach einer Stunde wieder nach Hause kommt bin ich total verweint und meine Augen brennen wie die Hölle. Obwohl ich mich beruhigt hatte, konnte ich nicht verhindern das einige Tränen trotzdem ihren Weg raus fanden.

Vince ist mehr als überrascht, als er mich in diesem Zustand findet das sehe ich ihm an. Jedoch versuche ich es zu überspielen in dem ich lächele.

«Alles erledigt?» frage ich leicht lächelnd und muss kurz lachen, weil Vince mich total überfordert anschaut.

«Ja.» Er wirft mir eine Zigarettenpackung in den Schoß, die ich sofort aufmache. Vince holt sich derweil einen zweiten Stuhl auf den Balkon. Danach zünde ich mir meine, gefühlt, fünfzigste Zigarette heute an.

«Möchtest du darüber reden? Ich mache mir Sorgen, Matteo.» Vince stibitzt sich eine Zigarette und zündet sie ebenfalls an. Er ist ein Gelegenheitsraucher. «Es gibt nichts, worüber ich reden möchte.»

Gedankenverloren blicke ich auf die überfüllten Straßen von London. Eigentlich gibt es so viel was ich erzählen würde, aber mir fehlt die Kraft dazu. Zudem will ich meinen besten Freund nicht mit meinen Problemen überfordern.

«Dafür sind Brüder da, du weißt.» ergänzt er und legt seine Hand auf meine Schulter. Er versucht mich mit einem aufmunternden Lächeln zum reden zu bringen.

Und ehrlich gesagt, schafft er es auch. Vince ist mein bester Freund, schon seit Jahren. Ich weiß das er mir immer zuhören würde. Zittrig atme ich aus.

«Ya no puedo más. (Ich kann nicht mehr.)» flüstere ich erschöpft und stütze meinen Kopf auf meiner Hand ab. Ein bisschen verlegen streiche ich meine wenigen Tränen, die wieder fließen, aus dem Gesicht. «Ich habe alles verloren, Vince. Meinen Job, mein Leben, meine Freundin, meine Freunde... Alles. Ich habe nur noch dich und meine Eltern.»

Gott, das ist das erste und letzte Mal das ich mir die Augen ausheulen werde. Sie brennen höllisch.

«Lo sé. Aber du kriegst bald wieder alles auf die Reihe, hermano. Außerdem weißt du doch, dass ich immer an deiner Seite stehe. Du bist mehr als mein bester Freund, Matteo. Du bist mein Bruder.» Ich versuche ihn anzulächeln, scheitere jedoch.

«Las echo de menos cada día. (Ich vermisse sie jeden Tag.)» sage ich, während ich meinen Kopf hebe und Vince anschaue. «Ella también. (Sie dich auch.)»

«Es macht mir das Leben schwer, Vincent.» Schniefend mache ich die Zigarette aus. Danach will ich mir eine neue anzünden, aber mein bester Kumpel hindert mich daran. Zum Glück.

«Du wusstest das es nicht einfach wird, hast sie jedoch trotzdem verlassen. Es ist irgendwie schon ein bisschen deine Schuld.» Schuldbewusst schaue ich ihn an.

«Ich weiß.» seufze ich dramatisch auf. «Falls sie wirklich einen neuen Freund hat, vielleicht sogar verheiratet ist oder Ähnliches... dann freue ich mich für sie.»

«Das solltest du auch, Matteo. Sie hat es verdient glücklich zu sein. Emery hat nämlich nach eurer Trennung auch sehr gelitten.» Eine Weile bleiben wir stumm sitzen und hören uns den lauten Abendverkehr an. London ist meistens ziemlich überfüllt. Trotzdem liebe ich diese Stadt.

Als ich es nicht mehr aushalte still zu sitzen, stehe ich auf und sage meinem Kumpel, dass ich jetzt schlafen gehen werde, weil ich morgen früh aufstehen muss. Schließlich habe ich jetzt einen Job.

Da ich tatsächlich auch ziemlich müde bin, gehe ich sofort ins Bett und schlafe ein, nach dem ich mich ausgezogen habe.

A/N:

Einen emotionalen Matteo haben wir jetzt auch mal wieder erlebt.
Ist doch ziemlich süß das Vincent so supportive ist, oder?

Wollt ihr auch mal ein Kapitel aus Emery's Sicht oder mögt ihr Matteo's mehr?

& ich wollte mich im Voraus schonmal entschuldigen falls ich Grammatik Fehler bei den spanischen Sätzen habe. Ich habe zwar in der Schule spanisch, aber bin noch lange kein Profi hahhaa

Bis zum nächsten Mal!

xoxo, lioraax

five years apart | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt