Chapter 5

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Nachdenklich bereite ich weiterhin das Essen vor. Jace hat schon recht damit, wenn er sich sorgen um mein Herz macht. Ich hatte noch nie eine Beziehung, war auch noch nie verliebt. Aber man merkt es daran, wie ich mit meiner Familie oder meinen Freunden umgehe. Oder wie ich anfange zu weinen, wenn wir emotionale Filme gucken. Ich bin ein sehr gefühlvoller Mensch, auch wenn man mir das am Anfang nicht anmerkt.

Die meisten halten mich für kalt, emotionslos, arrogant. Aber wenn man ein paar Tage mit mir verbringt, merkt man, dass ich mir vieles sehr zu Herzen nehme. Ich bin keine Heulsuse oder so, aber ich lasse mich von meinen Gefühlen leiten, vertraue darauf. Das war schon immer so.

"Ey Gideon!", schreit meine Schwester und ich zucke nervös zusammen. "Izzy, ich hasse es, wenn du mich so nennst!", grummele ich, lächele aber. "Und ich hasse es, wenn du mir nicht antwortest geschweige denn mir überhaupt zuhörst. Wo warst du denn mit deinen Gedanken?", fragt sie besorgt und streicht mir über den Rücken.

Lächelnd drehe ich mich zu ihr um. "Ich habe über etwas nachgedacht, was Jace gesagt hat.", antworte ich und sie zieht eine Augenbraue hoch. "Jace kann Sachen sagen, über die es sich lohnt nachzudenken?", fragt sie ungläubig. "Das habe ich gehört du Hexe!", schreit Jace aus dem Wohnzimmer und wir beide lachen.

"Was hat unsere Prinzessin denn gesagt?", fragt sie und setzt sich auf die Arbeitsplatte. "Pass bloß auf du Zwerg!", droht Jace, der mit einem gespielt bösen Blick in der Küchentür steht. Izzy schmunzelt, richtet ihre Aufmerksamkeit dann wieder auf mich. Ich schweige und stelle die gefüllte Auflaufform in den bereits vorgeheizten Ofen.

"Wir haben über den Stallboy geredet und darüber, dass ich mir Sorgen um Alec's Herzchen mache, wenn er sich da wirklich in jemanden verlieben sollte.", antwortet Jace an meiner Stelle und stellt sich neben Izzy. Sie seufzt leise und ich weiß genau, dass sie mich besorgt ansieht, gleichzeitig wegen Jace Erklärung verstehend nickt.

Nach einer halben Stunde und mehreren Gesprächsthemen ist das Essen fertig. Ich  tue etwas auf drei Teller und zusammen setzen wir uns im Wohnzimmer auf die Couch. Jace klickt sich durch die Netflix Mediathek und ich esse schweigend neben Izzy. Als sie einen Bissen nimmt, schließt sie stöhnend die Augen. "Gott Alec ich liebe dein Essen! Bei Jocelyn musst du wenigstens alle drei Tage kochen, sonst verhungere ich!", seufzt sie und isst begeistert weiter.

Ich lächele sie liebevoll an. Ja, alle lieben mein Essen. Mom und Dad konnten schon früh nicht mehr für uns kochen, weil sie immer erst spät von der Arbeit gekommen sind. Sie haben uns immer Geld hingelegt, damit wir uns etwas bestellen können. Aber irgendwann hatten Izzy und ich darauf keine Lust mehr und gingen eines Tages in einen Supermark um ein paar Sachen zu kaufen.

Und so fing ich mit 12 an regelmäßig für meine Zwillingsschwester und mich zu kochen, wurde immer besser und habe Mom in dem Punkt dauerhaft abgelöst, obwohl sie mittlerweile Zeit dafür hat, wenn sie nicht grade auf Geschäftsreise ist. Mom liebt mein Essen, genauso wie Dad, Izzy und Jace. Eigentlich jeder, der es mal probiert hat.

"Es gibt auch nichts vernünftiges auf Netflix!", meckert mein bester Freund irgendwann. Izzy schüttelt wild den Kopf. "Mach 365 DNI an.", bittet sie und Jace guckt sie an, als wäre sie eine verrückte. "Alter, was hast du für Fetische?", fragt er sie völlig verstört. Sie fängt an zu lachen und ich sitze ratlos zwischen den beiden. Izzy versteht wohl warum.

"In dem Film geht es um einen Mafiosen, der seit Jahren eine Frau sucht. Als er sie findet, entführt er sie und gibt ihr 365 Tage Zeit, dass sie sich in ihn verliebt. Tut sie das nicht, darf sie gehen. Aber das ist halt so ein polnischer Erotikfilm wo Sex und Gewalt ein bisschen verherrlicht werden.", erklärt sie und nun schaue auch ich sie verstört an. "Was hast du für Fetische?", wiederhole ich Jace Frage.

Sie seufzt genervt. Nach ein paar Diskussionen entscheiden wir uns dann für den Film "To all the boys I've loved befor'. Ich kenne den Film schon, gucke ihn aber immer wieder gerne. Ich glaube, ich hätte es genauso gemacht, wenn ich mich verliebt hätte. Ich hätte Briefe geschrieben und sie nie abgeschickt, einfach um mit meinen Gefühlen klarzukommen.

Ich wäre zu schüchtern, um irgendwem zu sagen, dass ich in ihn verliebt bin oder ihn sogar liebe. Das könnte ich nicht, selbst wenn ich wollte. Die Angst vor einer Zurückweisung wäre zu groß. Vielleicht habe ich mich deswegen nie verliebt, weil ich mich unbewusst vor diesen Schmerzen schützen wollte.

Liebe ist schön, bringt aber auch viel Leid mit sich. Ich liebe Izzy und meine Eltern. Und Jace liebe ich auch. Aber ich weiß, dass sie mir niemals weh tun würden. Sie würden nichts tun, was mir schadet. Sie sind Familie. Aber eine fremde Person lieben? Einer Person alles von mir erzählen und ihr so viel Angriffsfläche bieten? Einer Person so viele Möglichkeiten geben um mich zu verletzen und zu brechen?

Ich glaube, das könnte ich nicht. Wer könnte das auch schon? Niemand will freiwillig verletzt werden. Und plötzlich mache ich mir auch sorgen darüber, wie diese Ferien enden. Ob ich mich tatsächlich verliebe? Ich bin ein Romantiker. Wenn der richtige Mann vor mir steht, werde ich mich nicht dagegen wehren können. Es wird mich wie einen Blitz treffen.

Mein Atem wird stocken, jedes mal wenn ich ihn sehe. Mein Herz wird schneller schlagen, jedes mal wenn er mit mir redet. Meine Haut wird kribbeln, jedes mal wenn er mich berührt. Und meine Gedanken werden rasen, jedes mal wenn ich nicht weiß, wo er ist. Dieser eine Mensch.

Dieser eine Mensch, der mein Leben für immer verändern wird. Aber wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich ihn am anderen Ende des Landes kennen lerne? Wie groß ist die Chance, dass ich in den Sommerferien auf einem Reiterhof mein Herz vergebe? Das klingt sehr von einer Hollywood Romanze abgekupfert.

Aber warum auch nicht? Wer sagt denn, dass mein Leben nicht einem Film ähneln kann?

Das Glück der Erde...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt