Kapitel 5

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Angestrengt kniff sie die Augen zusammen, damit sie besser sehen konnte und holte automatisch Luft als die Büsche zur Seite geschoben wurden und eine Gestalt heraustrat.

Erleichtert gab sie einen Seufzer von sich, als sie erkannte, dass die Gestalt keine langen Haare und keine graue Haut hatte. Trotzdem bleib sie in ihrer Kampfhaltung und beobachtete den jungen Mann vor ihr, als könnte er sie jeden Moment angreifen.

Er hatte dunkles Haar, das sie kaum von der Schwärze, die sie eben noch gesehen hatte hätte unterscheiden können. Seine Augen schienen die winzigen Lichtfunken, die es ab und zu durch die Bäume schafften aufzusaugen und die ihnen somit einen goldenen Schimmer verliehen. Er hatte ein dunkles Shirt an, unter dem sich seine Muskeln abzeichneten und auch der Rest seiner Kleidung, die aus Schuhen und einer Hose bestand, war dunkel.

Der Fremde lehnte sich lässig an einen nahestehenden Baum und verschränkte die Arme.

„Willst du mich eigentlich noch länger anstarren oder nimmst du endlich eine normale Haltung ein. Deine jetzige Kampfpose oder was das darstellen soll ist nämlich das schlechteste was ich je gesehen habe", sagte er in einem abwertendem Ton und grinste sie danach hämisch an.

Faye merkte wie ihr der Mund sprachlos offenstand. Dieser Fremde, der ganz in schwarz durch den dunklen Wald streifte und ohne Licht wohl kaum zu erkennen war, wollte ihr also erklären, wie man eine Kampfhaltung einnahm? Sie war sich bewusst, dass sie zwar ohne ihre vollständige Magie schwächer war, das hatte sie in den letzten Stunden mehr als einmal verdeutlicht bekommen, aber sie wusste immer noch, wie man eine Verteidigungshaltung einnahm!

Genervt versuchte sie ihr Gesicht wieder zu entspannen, veränderte aber nicht ihre Haltung. Noch kannte sie die Absichten des Mannes nicht. Angestrengt überlegte sie, ob sie etwas antworten sollte, aber direkt damit rum zu prahlen, dass sie eine der besten Kämpferinnen des Landes war und jahrelanges Training im Kämpfen bekommen hatte, schien ihr nicht die beste Möglichkeit zu sein, das neue Leben, das sich ihre Eltern für sie vorgestellt hatten anzufangen. Dann hätte sie ihr Geheimnis der Vergangenheit nicht mal vor dem ersten Menschen geheim halten können.

Sie sollte jetzt ein normales Mädchen sein, dass etwas kämpfen konnte und das ein wenig Magie beherrschte, was nicht auffällig war. Vielleicht konnte sie sich mit dem Fremden noch zu einer Gruppe zusammenschließen und mit ihm zusammen zu einer Schutzzone reisen? Zu zweit war man schließlich besser dran als allein oder nicht?

Ihr Gedankengang stoppte abrupt als sie aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahrnahm. Sie bemerkte wie sich der Fremde bewegte, aber viel zu schnell, als das sie es mit ihrem Auge hätte richtig wahrnehmen können und als ein kurzer Tritt sie in die Kniekehle zu Fall brachte, japste sie erschrocken nach Luft und versuchte sich mit den Händen wenigstens noch am Boden abzufedern aber zu spät. Mit einem schmerzhaften Aufprall landete sie auf dem harten Erdboden und auch das weiche Gras konnte den Fall nicht abbremsen oder weniger schmerzhaft machen.

„Was sollte das?", knurrte sie den Fremden an und rieb sich schmerzend ihre beiden Knie. Der Mann jedoch stand nur vor ihr und blickte belustigt auf sie hinab.

„Ich hatte dir doch gesagt, dass du eine andere Haltung einnehmen sollst, aber du hast ja nichts gemacht und da dachte ich, ich helfe ein wenig nach."

Faye funkelte ihn böse an und überlegte, wie er so schnell gewesen war. Er sah zwar muskulös aus und sie konnte sich vorstellen, dass er auch Magie beherrschte, aber sie einfach so zu überrumpeln erforderte schon einiges an Training oder Erfahrung. Steckte mehr hinter dem Mann als es der erste Anschein nach vermuten ließ, oder war sie selbst so sehr in Gedanken vertieft gewesen, dass sie nicht aufgepasst hatte? Nein. Ausgeschlossen. Selbst dann hätte sie ihn in seiner Bewegung bemerken und stoppen können. Sie merkte, wie es sie nervte, dass er sie hatte überrumpeln können und krallte ihre Hände in das weiche Gras.

„Kein Grund gleich den ganzen Boden zu zerstören", bemerkte er ihre Reaktion und streckte ihr stattdessen seine Hand hin, doch Faye schlug diese entschlossen weg und stand allein auf.

Endlich wieder stehend, klopfte sie sich ein paar Erdkrümel von der Kleidung, bis sie keine mehr sah.

„Und es ist auch kein Grund jemanden Fremdes gleich zu Boden zu treten, nur weil derjenige vorsichtig ist", blaffte sie ihn an und verschränkte wie der Fremde vorhin die Arme, nur dass es bei ihr aus Trotz war und nicht wie bei ihm aus Lässigkeit. In diesem Moment war sie komischerweise froh, dass sie ihre Jacke hatte, die ihr in der Nacht etwas Wärme und Trost spendete, wenn man so einer kalten Person begegnete.

„Sei nicht immer gleich so beleidigt, Blondie. Es macht sonst viel zu viel Spaß dich zu triezen", lachte er.

„Nenn mich nicht so, ich habe einen richtigen Namen!", fauchte sie ihn wieder an und fragte sich warum er sie so sehr aus der Ruhe brachte."

„Ach ja?"

„Ja!" antwortete sie und versuchte ihn mit ihren Augen zu erdolchen, was ihn jedoch nicht das Geringste zu interessieren schien.

„Ich heiße Faye", gab sie schließlich von sich.

„Na dann Faye, ich bin erfreut dich kennenzulernen", sagte er und deutet eine Verbeugung an, nur um sie dann mit den Augen von unten anzuschauen und zu anzugrinsen. „Und jetzt sag mir doch endlich, was unser Ziel der Reise wird. Das wolltest du doch, oder? Das wir uns zu einer Gruppe zusammentun?"

Wieder war Faye sprachlos. Woher wusste er das? Konnte er Gedankenlesen oder hatte er einfach eine gute Intuition? Sie schloss auf das zweite, da ihr erster Gedanke trotz Magie in dieser Welt zu abwegig war.

„Auch wenn du erstaunt bist, musst du nicht gleich immer den Mund offenstehen haben, Blondie."

„Ich heiße Faye!", wiederholte sie ihren Namen genervt.

„Kyle",sagte er und lächelte sie das erste Mal seit ihrem Zusammentreffen warm an.Zumindest kam es Faye so vor.

Guardian of the rubiesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt