Kapitel 6

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Irritiert versuchte Faye einfach sein Lächeln zu ignorieren und fokussierte sich auf wichtigere Dinge. Erstens hatte sie jetzt einen Partner und musste nicht mehr allein reisen, was sicherer für sie war. Zweitens ging Kyle ihr zwar jetzt schon auf die Nerven, aber andererseits sah er so aus, als könne er sie im Notfall beschützen. Und drittens, sie überlegte, doch ihr fiel nichts sinnvolles mehr ein, also beschloss sie Kyle ein paar Fragen zu stellen, um etwas mehr über ihn zu erfahren.

„Warst du auch ein Passagier in dem Zug?", fragte sie und blickte ihn dabei neugierig an. Sie wollte Informationen über den Mann vor ihr haben, damit sie wenigstens etwas über ihn wusste und beobachtete daher genau seine Reaktionen. Die Körpersprache konnte meist weniger Lügen als gesprochene Worte.

Kyle blickte sie aus seinen braunen Augen fest an und sagte nur ein Wort. „Nein"

„Woher kommst du dann?"

„Aus einem kleinen Dorf, weit im Süden."

Die Antwort verwirrte sie. Wenn er aus dem Süden kam und kein Passagier im Zug war, was machte er dann hier allein im Norden?

Kyle sah ihren fragenden Gesichtsausdruck und seufzte genervt. „Bei uns ist es Tradition irgendwann das Dorf zu verlassen und sich auf die Suche nach einem Gegenstand oder Person zu machen und erst dann wiederzukommen, wenn man es gefunden hat."

Das klang altmodisch für Faye und sie konnte sich nicht vorstellen solche Traditionen zu haben. Zumal es ziemlich gefährlich war ganz alleine in der Wildnis umherzureisen. „Und was suchst du?"

Er zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung, das ist bei jedem unterschiedlich, aber die Ältesten sagen immer, man wird wissen was es ist, wenn man es gefunden hat."

„Und wie lange bist du schon unterwegs?"

„Hör zu", sagte er genervt und Faye hörte deutlich heraus, dass seine Stimme sich verhärtet hatte. „Ich suche schon eine ganze Weile, aber können wir jetzt aufhören mit den ganzen Fragen?"

Auch wenn er braune Augen hatte, konnte Faye eine Kälte sehen, die sie sonst nur von blauen Augen kannte. Sie nickte daher nur und drehte sich um, um endlich aufzubrechen.

Zufrieden ging sie entschlossen weiter, als sie bemerkte, dass er ihr folgte. „Wohin gehen wir denn?", fragte er.

„Zu dem Zug, aus dem ich geflohen bin", sagte sie und suchte sich zielstrebend einen Weg durch die dichten Zweige. Ihre Augen hatten sich mittlerweile wieder an die Dunkelheit gewöhnt, trotzdem war es schwierig einen Weg zu finden, ohne dass sie irgendwo hängenblieb.

„Wenn du aus dem Zug geflohen bist, warum gehen wir dann dahin zurück?", war Kyles nächste Frage und trampelte hinter ihr her.

Faye stöhnte genervt auf. Er hatte wohl seine nervige, gute Laune wiedergefunden. „Weil der Zug überfallen worden ist und ich keine Lust hatte mein Leben dort zu lassen." Sie versuchte wie er zuvor eine härte in ihre Worte zu legen, aber entweder gelang es ihr nicht oder Kyle überhörte es einfach. „Aber ich oder besser gesagt wir müssen dahin zurück, damit wir den Schienen folgen können, die uns zu einer Schutzzone führen."

„Und woher weißt du in welche Richtung wir gehen müssen?"

„Weil ich eben einen Edelstein im Wald genutzt habe, um den Zug wiederzufinden."

„Du kannst also Magie benutzen?"

Faye hatte genug von den Fragen. Sie wollte in Ruhe ihren Weg fortsetzen und nicht die ganze Zeit mit jemandem Reden! Genervt wirbelte sie also zu ihm herum und stemmte die Hände in die Seiten.

„Ja kann ich, aber das ist nichts Außergewöhnliches, also warum fragst du? Und hör endlich auf hier herumzutrampeln, sonst bemerkt uns noch jemand!"

„Reg dich nicht gleich so auf, Blondie. Ich habe gehört davon bekommt man Falten", grinste er und schaute von oben auf sie herab.

Am liebsten wollte sie vor Frust aufschreien, aber da das in der jetzigen Situation nicht ging, versuchte sie den Frust zu verdrängen und drehte sich wieder nach vorne und schob mürrisch die nächsten Äste zur Seite. Vielleicht war er doch kein guter Begleiter?

Schweigend setzten sie ihren Weg fort und Faye war überrascht, dass er eben noch hinter ihr her getrampelt war und sich jetzt vollkommen lautlos bewegte. Zur Sicherheit warf sie ab und zu einen Blick über die Schulter, um zu sehen ob er noch da war, aber jedes Mal war sein großer Körper hinter ihr und schaute sie mal grinsend, mal gelangweilt an.

Ihre Augen hatten sich immer mehr an die hier herrschende Dunkelheit gewöhnt, doch je weiter sie sich dem Zug näherten, desto spärlicher wurde das Blätterdach und je mehr Licht erhellte ihre Sicht.

Es dämmerte bereits und Faye war froh, dass sie sich zu Beginn der Zugfahrt schlafen gelegt hatte, denn auch wenn ihr Körper vorhin mit Adrenalin gepuscht war, hatte seine Wirkung mittlerweile nachgelassen und sie wäre jetzt sicher müde gewesen.

Sie hatte sich gerade durch einen weiteren Busch gequetscht, als sie jemand auf der anderen Seite festhielt und ihr eine Hand vor den Mund legte.

Ein nervöses Kribbeln ging durch ihren Körper und sie verharrte in ihrer Bewegung. An ihrem Rücken spürte sie eine harte Brust und sie konnte sich schon vorstellen, wer sie festhielt. Der konnte was erleben!

Als sie spürtedas sich die Hand lockerte, dreht sie ihren Kopf herum und sah Kyle funkelndins Gesicht, doch er hielt nur einen Finger vor seinen Mund und bedeutete ihrLeise zu sein. 

Guardian of the rubiesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt