Kapitel 2

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Die Busfahrt zu dem Restaurant war, dafür dass es eine Busfahrt gewesen war, erstaunlich schön gewesen.

Patrick hatte gemerkt, wie sehr ihm, Manuel, die Busfahrt zusetzte und hatte deswegen die ganze Zeit mit ihm geredet und ihn vorsichtig festgehalten.

Der Kurzhaarige hatte ihm Mut gemacht und er machte es jetzt gerade auch.

Sie saßen gemeinsam in dem Restaurant und Patrick redete leise, aber Manuel hörte ihm gar nicht zu. Stattdessen starrte er verträumt Löcher in die Luft und dachte daran, wie Patrick mit ihm gemeinsam die Wohnung kontrolliert hatte.

Der andere hatte sich überhaupt nicht über ihn lustig gemacht, sondern hatte mit ihm die Wasserhähne und alle Fenster überprüft, sogar zweimal.

Er hatte auch die Sicherung rausgenommen und war mit Manuel auch noch einmal hoch gegangen, um alles ein drittes Mal zu überprüfen.

Die Haustür hatten sie gemeinsam mindestens fünf Mal zugesperrt, und irgendwie vertraute Manuel Patrick, dass dieser in der Lage war, sie richtig zu zu schließen.

In Gedanken ging Manuel noch einmal durch, was sie gemacht hatten.

Die Wasserhähne hatten sie kontrolliert, die Steckdosen und Lichtschalter auch. Alle Fenster waren zu und verriegelt, die Tür auch.

Hatten sie auch den Herd und das Bügeleisen überprüft?

Er dachte angestrengt nach und merkte kaum, dass Patrick ihn direkt ansprach.

"Manuel?"

Ja, der Herd und das Bügeleisen mussten aus sein, er benutzte sie kaum, aber was war mit dem verdammten Wasserkocher.

"Mir ist schlecht." Presste Manuel hervor, sprang auf und versuchte möglichst gelassen zu den Toiletten zu gehen.

Dort ließ er sich kaltes Wasser über die Handgelenke laufen, wusch sich das Gesicht. "Ruhig, Manuel.... Reiß dich verdammt noch mal zusammen!" fuhr er sein Spiegelbild an, schloss kurz die Augen.

"Was denkt Patrick jetzt bitte von dir?! Nicht mal essen gehen kannst du!"

Das Wasser ging ohne sein zutun aus, Manuel starrte auf den Wasserhahn und machte ihn wieder an.

Einige Momente lang floss das Wasser, dann ging es wieder aus. Dasselbe passierte noch einmal, weil der langhaarige wieder auf den Knopf drückte.

Ein drittes mal hielt er seine Hand in den Wasserstrahl und fragte sich, ob er nicht langsam verrückt wurde.

Nein. Nur wenige Momente später begriff er, dass es automatische Wasserhähne waren.

"Wie praktisch..." murmelte er leise, ein schmales Lächeln schlich sich auf seine Lippen und alleine diese Bewegung reichte um die trockene und spröde Haut aufplatzen zu lassen.

Dunkles, dickflüssiges Blut quoll aus dem Riss, Manuel griff sich eines der Papierhandtücher und tupfte seine Lippe ab.

Sein Blick fiel wieder auf die Wasserhähne. Wenn er sich solche zumindest in der Küche und am Waschbecken einbauen lassen würde, dann hätte er zumindest dort die Sicherheit, dass nichts passieren konnte, oder?

Nein, natürlich nicht! Dann konnte ja noch so viel mehr passieren. Am Ende war einer der Hähne kaputt, die Automatik ging nicht mehr und weil er sich sicher fühlte, würde er sie nicht überprüfen, nichts mitbekommen.

Zum Glück hatte er seine manuellen Wasserhähne. Wenn er sie immer schön zu drehte, würde da schon nichts passieren.

In Gedanken überprüfte der junge Mann sie, in der Hoffnung sich dadurch zu beruhigen, aber es brachte nichts. Plötzlich kam ihm in den Sinn, dass er die Dusche vielleicht gar nicht richtig ausgemacht hatte.

Augenblicklich wurde ihm schwarz vor Augen, er konnte nicht mehr atmen.

Die Angst legte sich wie eine Eisenkette um seine Brust, verhinderte dass er einatmen konnte, um an Sauerstoff zu gelangen.

Die Tränen stiegen in seine Augen, Manuel klammerte sich an das Waschbecken und versuchte irgendwie bei Bewusstsein zu bleiben, während seine Knie zitterten, seine Beine ihn kaum noch tragen konnten.

"Manuel?" Die weiche Stimme drang kaum durch die Schwärze und Taubheit zu ihm durch. "Hey, ganz ruhig." sein Körper fühlte sich seltsam kalt und taub an, doch die warme Hand auf seiner Schulter drang irgendwie trotzdem in seine Wahrnehmung.

"Ruhig... Setz dich. Ich habe mir Sorgen um dich gemacht.." Manuel ließ zu, dass er runter auf die Fliesen gedrückt wurde. "Schau..." eine Hand griff die seine, umschlossen sie so, dass nur der blasse Zeigefinger hervorstand, mit der Kuppe über eine Fliese Strich. "Eins."

Der Finger wanderte über eine Fuge zu einer zweiten Fliese. "Zwei." Es brauchte noch sieben weitere Fliesen, bis Manuel ein leises 'Neun' hervor stieß.

Ab da zählte er fleißig mit, wurde immer ruhiger. Konzentrierte sich nur noch auf das Zählen und vergaß fast, dass er nicht atmen konnte.

Er bekam wieder Luft, ließ sich gegen den warmen Körper sacken. "Patrick..."

"Shht... Ich bin bei dir, keine Angst. Ich hab mir Sorgen gemacht, weil du nicht wieder gekommen bist... Komm."

Manuel ließ sich willenlos hochziehen, lehnte sich gegen den kleineren. "Patrick..."

"Schon gut.." beruhigte dieser ihn wieder, ließ kaltes Wasser über die blassen Handgelenke laufen. "Wir müssen nach Hause, Patrick. Ich hab die Dusche nicht ausgemacht.."

"Doch, natürlich hast du sie aus gedreht.. Ich war doch mit dir im Bad, ich hätte gemerkt, wenn sie noch offen gewesen wäre. Aber ich bringe dich wohl besser nach Hause.."

"Es tut mir Leid, Patrick..."

"Das muss es nicht, ist schon in Ordnung, versprochen."

"Aber wenn du Hunger hast..."

"Ich kann auch zuhause was Essen."

Manuel widersprach nicht länger.

Der Weg nach Hause verging wie im Flug. Patrick rief ihnen ein Taxi und Manu döste die ganze Fahrt lang auf der Rückbank in seinen starken Armen.

Er bekam verschwommen mit, dass Patrick zahlte und wurde rot, als er unvermutet hochgehoben wurde. Der andere trug ihn die ganze Treppe nach oben, schloss die Tür auf und trug Manuel gleich in sein Schlafzimmer.

Dort zog er ihm die Schuhe und die Jeans aus und deckte ihn zu. "Schlaf gut, Manuel. Ruh dich ein bisschen aus, damit es dir bald besser geht."

"Kannst du... Kannst du bitte noch schnell..." er brachte die Worte kaum hervor, doch der andere verstand ihn trotzdem. "Natürlich. Schlaf du, ich schau noch nach, dass alles in Ordnung ist.."

Den kleinen Kuss auf seine Stirn bekam Manuel kaum noch mit. Er schloss einfach die Augen und lauschte den leisen Schritten und den Geräuschen, die Patrick verursachte, während er alle Fenster und Wasserhähne überprüfte.

Manuel musste unbewusst lächeln. Patrick nahm ihn ernst und kümmerte sich um ihn. Der andere tat nicht nur so, als würde er alles kontrollieren, er tat es auch wirklich.

Vielleicht meinte Patrick es wirklich ernst mit ihm und sie konnten eines Tages zumindest sowas wie Freunde werden...

Und weiter geht es mit den Beiden. Ich freue mich über euer positives Feedback und darüber, dass euch die Geschichte gefällt, auch wenn sie in einem ganz anderen Stil geschrieben ist und ein anderes Thema behandelt, als die Geschichten die ich sonst so schreibe. Und keine Angst, es wird noch genug Kürbistumor geben ;)

CONTROL ~ Kürbistumor Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt