Kapitel 7

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"Psst... Ist ja gut, Manuel. Jetzt bin ich ja da..."

Manuel hatte kaum gemerkt, wie die Zeit vergangen war. Er hatte aphatisch auf dem Boden gekauert, das Handy als seinen Rettungsanker in der Hand.

Von der unbequemen Position war sein Körper ganz steif und schmerzte, aber in diesen Momenten war es egal.

Schon als die Wohnungstür aufgegangen war, hatte er sich zu ihm, seinem persönlichen Retter, gedreht und nun krallte er sich in die starken Schultern und schluchzte gegen Patricks Hals.

"Schon gut... Ich hab dich."

"P-Patrick.... Es tut mir so Leid..... Ich wollte nicht, dass du meinetwegen deinem Freund absagen musst... Ihr seid doch jetzt sicher sauer auf mich.."

"Quatsch, Manuel. Das hat niemand gesagt.... Komm her..." Patrick zog ihn auf die Beine und führte ihn rüber in die Küche. "Ist ja gut.... Du hast ganz klar Vorrang. Ich kann noch mein ganzes Leben lang wandern gehen... Schon okay."

Manuel schniefte und setzte sich brav auf einen Stuhl. Von seiner Position aus konnte er Patrick dabei zugucken, wie er in einem Topf auf dem Herd Milch kochte, dann ein bisschen Honig dazu gab und ein Glas davon vor ihn stellte.

"Na? Magst du mir erzählen, was los war?"

Manuel nickte und sah unsicher aus dem Fenster. Draußen war es schon dunkel, der volle Mond und die Sterne leuchteten am Nachtklaren Himmel.

"Ich.... Wollte zum Zahnarzt gehen... Aber die Liste hat nicht funktioniert. Ich... Ich hab die Hälfte vergessen und nur weil ich was abhake.... Heißt das nicht, dass ich es richtig kontrolliert habe...."

"Okay... Versteh schon." Patricks Hände legten sich auf Manuels Schultern, der kleinere massierte seinen Freund ein bisschen. "Erlaubst du mir zwei Fragen?"

"Natürlich." Manuel nickte sofort, doch die Schuldgefühle verschwanden auch dadurch nicht.

"Vertraust du dir?"

Was war das denn für eine Frage? Natürlich vertraute er sich.... Oder?

Nein. Wenn er genauer nachdachte... Vertraute er sich überhaupt nicht.

"Nein."

"Und mir?"

Diese Frage konnte der Langhaarige sofort beantworten. "Natürlich." Patrick nickte nur, sagte aber nichts dazu. Und auch Manuel wusste nicht, was er sagen sollte, sondern schwieg eine Weile.

Die Stille lastete erdrückend auf Manuels Schultern, er hielt es kaum aus. Patrick war seinetwegen hier her gekommen, hatte alles Stehen und Liegen gelassen und jetzt... Jetzt konnte er ihn nicht mal irgendwie unterhalten.

Irgendwann hielt Manuel die Stille nicht mehr aus, er durchbrach sie.

"Warum machst du das?"

"Warum mach ich was?"

"Warum hilfst du mir? Warum kümm es dich, was mit mir los ist. Ich meine.... Meine ganze Familie nimmt mich nicht ernst und sagt nur, dass ich mich nicht so anstellen soll.... Und du sagst selbst deinen Freunden für nen fast fremden Freak ab. Warum machst du das? "

Patrick seufzte leise und setzte sich auf einen Stuhl, griff aber nach Manuels Hand und hielt sie sanft.

"Du bist kein Freak. Zumindest nicht mehr als ich und ich dachte eigentlich, dass wir auch Freunde wären..."

Manuels Herz sprang ihm fast aus der Brust. Patrick wollte mit ihm befreundet sein?! Wer würde da denn nein sagen?

"Doch... Natürlich."

Die Röte brannte auf seinen Wange.

"Aber das beantwortet meine Frage nicht..."

"Ich weiß. Meine kleine Schwester, Lara.... Sie war auch krank. Sie hat mit niemandem darüber reden wollen, aber... Man hat schon gemerkt, dass da etwas nicht stimmt....oder zumindest ich hab das. Sie hat es gut überspielen können, aber es gab Tage an denen sie nicht die Motivation gefunden hat, aufzustehen. Wenn man sie gelassen hat, lag sie den ganzen Tag im Bett ohne irgendetwas zu machen, die Rollläden unten und das Licht aus. Meine Eltern dachten, es wäre Teenager-Verhalten und haben es auf ihre Scheidung zurück geführt... Aber ich denke, sie wollten es einfach nicht sehen. "

Manuel sah ihn stumm an, während Patrick wohl in Erinnerungen schwelgte.

"An manchen Tagen ging es ihr richtig gut. Dann hat sie viel gelacht und man konnte mit ihr mehr Spaß haben, als mit jedem anderen. Ich hätte ein oder zwei schöne Stunden mit ihr allem anderen vorgezogen. Einmal, da hat sie mir erzählt, dass mit ihr was nicht stimmt. Sie hat sich nicht getraut es jemand anders zu erzählen... "

"Was war denn los?" es war Manuel, der seine Hand fester um die Patricks schloss, ihm ein bisschen Beistand leisten wollte.

"Sie meinte, dass sie häufig nachts wach liegt und mit brennenden Augen an die Decke starrt, weil sie die Motivation nicht findet, die Augen zu zu machen. Sie hatte Depressionen.... Und ich konnte ihr nicht helfen. Eines Tages.... War sie einfach nicht mehr da. "

Manuel stand auf, als er merkte, dass Patrick Tränen in den Augen hatte. Er ging rüber zu ihm, setzte sich auf seine Oberschenkel und schlang die Arme um Patricks Hals.

"Wir waren immer gerne gemeinsam schwimmen... Bei uns in der Nähe war ein See, mit einem Steg, wo sie gerne war... Da hab ich sie dann gefunden."

Er musste nicht mehr erzählen, Manuel verstand es auch so.

"Das tut mir Leid...."

Er nahm all seinen Mut zusammen und strich durch die weichen, kurzen Haare.

"Du hattest sie sehr gerne, nicht?"

"Sie war für mich der wichtigste Mensch auf der Welt. Niemand hat mich so gut verstanden, wie sie. Und dann war sie plötzlich nicht mehr da.... Und ich wusste nicht mehr, wie ich noch weiter machen sollte. Dann hab ich an den Jungen mit den vielen Narben auf den Armen gedacht, der bei mir in der Klasse war.... Wenn ich Lara schon nicht helfen konnte..... Dann wollte ich es zumindest bei ihm probieren. Und... Ich werde jedem helfen, der Hilfe braucht. "

"Hilfe, weil er psychisch krank ist?"

"Oder weil er niemanden hat, der ihm hilft."

Patrick schien sich wieder zu fassen, legte die Arme um Manuels mageren Körper.

"Ich mag dich, Manuel...."

Manuels Herz begann zu rasen. Gerne hätte er ihm gesagt, dass er ihn auch gerne hatte, aber er traute sich einfach nicht. Stattdessen konnte er was anderes sagen. Etwas, was Patrick vielleicht noch mehr freute.

"Ich.... Ich möchte mit deinem Therapeuten reden. Es kann nicht schaden und vielleicht.... Hilft es mir ja wirklich. Danke, Patrick."

Die Müdigkeit, ausgelöst durch die letzten Stunden, machte seine Knochen bleischwer, Manuel versuchte ein Gähnen zu unterdrücken, aber Patrick bemerkte es natürlich trotzdem.

"Bist du müde?

Verschämt nickte der jüngere, was Patrick ein bisschen lächeln ließ.

"Na komm..."

Manuel ließ sich brav hoch heben und rüber ins Schlafzimmer bringen.

Patrick legte ihn auf dem Bett ab, schlug die Decke zurück und deckte ihn zu.

"Schlaf gut, Manuel... Ich bin drüben auf dem Sofa. Weck mich, Wenn etwas ist, okay?"

"Natürlich... Danke, Patrick. Dafür, dass du bei mir bist und mir helfen willst..."

Den kleinen Kuss auf seine Stirn bekam er kaum noch mit.

Da bin ich wieder, heute sogar etwas früher xD und heute erfahren wir auch endlich mal etwas über Patrick und seine Motivation. Ich wünsche euch noch einen angenehmen Tag.

CONTROL ~ Kürbistumor Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt