"Alles verlief nach Plan nehme ich an, keine unvorhersehbaren Ereignisse?", fragte Gabriel beiläufig während er auf seinem Stuhl Platz nahm und Azrael den zweiten anbot. "Aber natürlich, das weißt du ja.", antwortete Azrael leise, nahm ebenfalls Platz und holte die goldene Schatulle hervor. Er stellte sie vor Gabriel auf den Tisch und öffnete sie. Mit mäßigem Interesse betrachtete Gabriel den Inhalt. "Magere Ausbeute, findest du nicht?", murmelte er beinahe enttäuscht, ehe sein Blick zu seinem Bruder wanderte. "Wie sieht es denn mit der anderen Schatulle aus? Ist ihre Ausbeute ebenso mager?", fragte er neugierig mit einem möglichst unschuldigen Blick, doch Azrael lächelte bloß leicht, ohne eine Antwort darauf zu geben. Er schloss die Schatulle wieder und schob sie Gabriel hin. "So wie sie niemals eure Schatulle zu Gesicht bekommen werden, so werdet ihr niemals ihre zu Gesicht bekommen. So lauten die kosmischen Regeln, und an jene werde ich mich halten." Gabriel seufzte verbittert. "Deine Ergebenheit der kosmischen Ordnung ist ebenso lobenswert wie strapaziös. Sag mir Bruder, sollte es zum Krieg kommen, auf welcher Seite stehst du dann?" Er musterte Azrael eindringlich, der jedoch keine Miene verzog. "Du redest über Krieg, Bruder, dabei haben wir doch eine Zeit des Friedens. Oder habe ich etwas verpasst, während ich auf der Erde meiner Aufgabe nachging? Haben wir nicht immer noch Frieden?", fragte er gelassen, und in Gabriels Augen erschien für einen Moment ein kämpferisches Funkeln, ehe er seine Miene wieder unter Kontrolle hatte. "Noch.", flüsterte er nur leise. Azrael erstarrte, ließ sich jedoch äußerlich nichts anmerken. "Dann, teurer Gabriel, lautet meine Antwort wie folgt: Sollt es zum Krieg kommen, werde ich auf keiner Seite stehen, denn als Todesengel ist es meine Pflicht, unparteiisch zu sein, egal ob es um das Thema Leben oder Tod, oder die Frage Himmel oder Hölle handelt." Gabriel sah ihn noch einen Moment durchdringend an, seine blauen Augen funkelten kalt, ehe er mit einem Lächeln die Schatulle ergriff und an sich nahm. "Gesprochen wie ein wahrer Todesengel.", meinte er mit einem amüsierten Funkeln in den Augen, welches jedoch gleich wieder erlosch. "Ich nehme an, du kannst nicht ein wenig deiner kostbaren Zeit erübrigen, um mir etwas Gesellschaft zu leisen?", fragte er nun wieder in beifälligem Tonfall. Azrael schüttelte den Kopf. "Bedaure, doch ich habe noch eine weitere Schatulle zum Abliefern. Doch danach werde ich versuchen, etwas Zeit für dich zu erübrigen, und du bringst mich auf den neuesten Stand, was unser Himmelsreich angeht." Gabriel nickte ihm kurz zu, ehe er mit der Hand schwenkte und die Flügeltür hinter Azrael aufschwang. "Wir sehen uns, Azrael.", verabschiedete er sich leise. "Auf bald, Gabriel.", erwiderte Azrael ehe er sich erhob und den Raum verließ. Er spürte wie sich die Flügeltür hinter sich schloss, doch er blickte sich nicht um sondern schritt zielstrebig zurück zur großen Eingangshalle. Denn das Himmelsreich war bloß ein Zwischenstopp, er hatte seine Aufgabe für heute noch nicht erfüllt. Zuvor musste er noch die zweite Schatulle abliefern.
Azrael spürte die Kälte lange ehe das steinerne Tor, welches sich in der undurchdringlichen Dunkelheit erhob in seine Sichtweite kam. Davor erstreckte sich ein gewaltiger Fluss, dessen Anfang nicht zu sehen war. Links und rechts hingen Fackeln am Tor und erhellten damit bloß einen kleinen Fleck in der ansonsten unendlichen Finsternis, wo Azrael landen konnte. Er schritt auf das Tor zu, umgriff den gigantischen Metallklopfer und ließ ihn donnernd herabfallen, sodass die Stille von einem wahren Donnerschlag durchbrochen wurde. Keine Sekunde später schwang das Tor langsam auf und dahinter erschien eine schwarz gekleidete Gestalt, die ihn mit verschränkten Armen und vorwurfsvollen Blick ansah. Als die hagere Gestalt erkannte wer vor ihm stand, verdrehte er die völlig schwarzen Augen und seufzte verbittert. "Azrael, du schon wieder.", knurrte er, und Azrael kam nicht umhin, ihm ein süffisantes Lächeln zu zuwerfen. "Hallo, Belial. Es kann nicht sonderlich viel los sein im nördlichen Höllenteil, wenn der König persönlich an die Tür kommt um mir zu öffnen.", spottete er, was Belial dazu brachte, eine Miene zu verziehen, was seinem eh schon nicht sonderlich ästhetischen Aussehen nicht unbedingt zu Gute kam. "Wieder auf den Weg in den Südteil?", knurrte Belial bloß, ohne auf Azraels Stichelei einzugehen. "Allerding. Neuer Tag, neue Lieferung. Du kennst das ja.", antwortet Azrael nun wieder ernst. Belial knurrte verstimmt, winkte Azrael jedoch mit sich. "Wenn Satanas dir erlauben würde, den Hintereingang zu nutzen müsste ich mich nicht jedes Mal mit dir herumschlagen.", schimpfte er leise vor sich her, während er Azrael durch den düsteren Gang führte, der diesem schon allzu vertraut war. "Nun, das bringt es zumeist mit sich, wenn man der Wächter des Höllentors ist.", murmelte Azrael, während er die Schatten beobachtete, die von den zahlreichen Fackeln an die Wände geworfen wurden und zu einer lautlosen Musik zu tanzen schienen. "Ich bin Belial, einer der vier Könige der Hölle, ich sollte nicht Torwächter für verirrte Engel spielen.", zeterte Belial, was Azrael dazu brachte die Augen zu verdrehen. "Erst einmal ist Torwächter eine äußerst wichtige, ehrenvolle Aufgabe, und zweitens bin ich nicht verirrt, ich bin ganz bewusst hier, vergiss das nicht, oh königliche Durchlauchtheit.", knurrte Azrael, der Belial noch nie leiden konnte. Und das lag nicht daran das er ein Dämon war, es lag einfach daran, dass Belial zumeist unausstehlich war. Endlich erreichten sie das Ende des Ganges und betraten Belials Thronsaal, der ganz im Gegensatz zu Gabriels Raum dunkel gehalten war, bloß einige Fackel erhellten die düstere Finsternis und der Raum war außer dem riesigen steinernen Obsidianthron völlig leer. Der Raum hatte bloß drei Wände, der vordere Teil lag frei und Azrael erblickte die düstere Steinlandschaft des nördlichen Höllenreiches. Bloß ein dünner, feuriger Lavastrom schlängelte sich durch das ansonsten karge Ödland, wo es trotz der ungünstigen Verhältnisse von schwarzen Kreaturen nur so wimmelte, die ihrer Arbeit nachgingen. Niedere Dämonen unter Belials Herrschaft. "Du kennst ja den Weg, immer der Lava nach.", riss Belial ihn aus seinen Gedanken. Azrael nickte bloß und breitete seine schwarzen Flügel aus. "Man sieht sich, Belial.", rief er dem Dämonen zu, der nur mit finsterer Miene dabei zusah, wie sich der Todesengel in die Lüfte erhob. "Hoffentlich nicht zu bald." Hörte Azrael noch leise Belials Stimme, ehe er durch die Dunkelheit davon sauste, immer den glühenden Strom unter sich im Blicke.
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Heaven against Hell
FantasySeit Jahrhunderten herrscht ein brüchiger Friede zwischen Himmel und Hölle. Doch wenn die Könige der Hölle intrigieren, die Fürsten der Hölle sabotieren und die Engel dies ignorieren, klopft schon bald der Krieg an die Tür. Doch wenn der Kampf zwisc...