Hoffnungsschimmer am Horizont

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Azrael hatte so wenig Zeit wie möglich in der Hölle verbracht. Er hatte nicht einmal darauf gewartet das Satanas die Schatulle persönlich entgegennahm, sondern hatte sich einfach in seinen Audienzsaal geschlichen und die Schatulle zurück gelassen, mit der Nachricht, er komme sie später holen. Nun war er auf den Weg in den Himmel. Er musste unbedingt mit Michael sprechen, und das abliefern der Seelen war die perfekte Gelegenheit, eingelassen zu werden, trotz des Misstrauens welches im Moment ihm gegenüber herrschte. Doch kaum hatte er das Himmelsreich betreten, stellten sich ihm bereits einige Legionsangeloi in den Weg, mit glänzender Rüstung und gezogenen Waffen. Azrael bremste seinen Flug abrupt ab und sah die beiden Angeloi fassungslos an. "Lasst mich durch, ich bin in offizieller Aufgabe als Todesengel hier.", meinte er ruhig und gefasst, doch seine Augen blitzten wütend auf. Noch nie hatten Angeloi es gewagt, sich ihm in den Weg zu stellen. Nicht einmal die Archai hätten dies gewagt. Doch nun behandelten sie ihn wie den Feind. Die beiden Angeloi wechselten einen kurzen Blick miteinander, in ihrer Miene erkannte er sowohl stures Pflichtgefühl, als auch Zweifel und Respekt welcher ihm galt. Doch sie gingen trotzdem nicht aus dem Weg. "Verzeiht, Herr Azrael, doch wir haben strikte Anweisungen niemanden durch zu lassen. Wirklich niemanden.", widersprach einer der Angeloi ihm mit fester Stimme. Azrael zwang sich eine möglichst gelassene Miene beizubehalten, als er ruhig antwortete: "Dies gilt bestimmt nicht für mich. Ich habe eine dringliche Angelegenheit mit meinem Bruder zu besprechen, sowie die Ablieferung der Seelen, was oberste Priorität hat. Euer Pflichtgefühl in aller Ehre, doch sich mir in den Weg zu stellen, während ich meine Aufgabe, welche mir vor so vielen Jahrhunderten aufgetragen wurde, ausführe, kommt einer Wiedersetzung der kosmischen Ordnung gleich." Die Angeloi wechselten erneut unsichere Blicke, bewegten sich jedoch immer noch nicht. Azrael, dem langsam aber sicher die Geduld ausging, setzte an um die beiden Angeloi zur Schnecke zu machen, als sich eine weitere Person einmischte. "Angeloi, lasst ihn durch." Die Angeloi sahen zwar immer noch nicht sonderlich überzeugt aus, doch sie gingen in Habachtstellung und schwebten etwas beiseite, sodass Azrael hindurch konnte. Dieser flog mit einem letzten finsteren Blick in Richtung der beiden Angeloi, die daraufhin unwillkürlich zusammen zuckten und die Köpfe etwas einzogen, hindurch. "Danke Raphael, wenigstens haben nicht alle hier oben den Verstand verloren.", knurrte er als er bei seinem Bruder ankam, der ihm zunickte. "Dank mir nicht zu früh Azrael. Dadurch das unsere Brüder, insbesondere Gabriel, dir misstrauen, bist du nicht mehr sonderlich gerne hier gesehen. Doch das sollte dich nicht von deiner Arbeit abhalten. Ich werde veranlassen, dass erneut alle erinnert werden, wer du bist." Azrael lachte trocken. "Wie schön, es hassen mich zwar alle, aber da ich der Todesengel bin, müssen sie meine Anwesenheit hier akzeptieren. Immer wieder schön nach Hause zu kommen." Raphael hob eine Augenbraue. "Sarkasmus? Bruder, die Hölle färbt auf dich ab.", meinte dieser mit einem beinahe vorwurfsvollen Unterton. Azrael setzte schon an etwas darauf zu erwidern, ließ es dann aber lieber bleiben. Raphael behandelte ihn wie immer, was hieß, er misstraute ihm nicht, oder er konnte es einfach nur besser verstecken als der Rest der Engel hier. Was auch immer es war, sollte die Möglichkeit bestehen das er einen Bruder noch nicht so verloren hatte, wie er den Großteil der Anderen verloren hatte, wollte er es lieber dabei belassen. Also folgte er Raphael schweigend durch die Hallen der Angeloi, die überfüllt war mit Verletzten. "Wie viele bisher?", fragte er seinen Bruder leise. "Zu viele.", gab Raphael zurück, und in seiner Stimme schwang Wut und Trauer mit. "Wie geht es unseren Brüdern?", fragte Azrael weiter nach, dem Übles schwante, und sein Gefühl hatte ihn nicht getäuscht, denn Raphael blieb abrupt stehen, als wäre er vom Blitz getroffen worden. Ohne sich umzudrehen antwortete er leise: "Zwischen Michael und Gabriel bahnt sich ein Streit in unvorhersehbaren Ausmaßen an, Ariel ist zwar wieder auf den Beinen doch immer noch schwach, Uriel und Castiel werden sich ebenfalls wieder erholen, doch die Frage ist wann, und Metatron..." Er verstummte und ballte die Händen zu Fäusten während er sich langsam zu Azrael umdrehte, in seiner Miene vermischten sich die Gefühle, von Zorn über Trauer, bis hin zu einer hoffnungslosen Resignation. "Metatrons Leben hängt am seidenen Faden, selbst die Heiler der Cherubim sind ratlos. Calliel kümmert sich zwar um ihn, doch es sieht schlecht aus." Ehe Azrael die Möglichkeit hatte, etwas darauf zu sagen, drehte Raphael auch schon wieder um und eilte weiter. Azrael folgte ihm niedergeschlagen. Er hatte gewusst, dieser Krieg würde nicht ohne Opfer von statten gehen, doch dass er schon bei der ersten Schlacht einer seiner Brüder verlor, dies hatte er nicht kommen sehen. Oder vielleicht hatte er das ja, wollte es aber nicht wahr haben. Erneut rasten seine Gedanken, ob es nicht doch etwas gäbe, das er tun könnte, um diesen Krieg zu beenden, ehe noch mehr starben, doch es war aussichtslos. Weder die Könige der Hölle, noch die Seraphim würden einen erneuten Waffenstillstand zustimmen. Sie würden erst Ruhe geben, wenn entweder Hölle, oder Himmel vernichtet wären. Und damit auch die kosmische Ordnung, die möglicherweise die einzige Macht war, die diesen Krieg beenden könnte, doch die Seraphim verschlossen die Augen, richteten ihren Fokus auf die falschen Tatsachen, der Rückgang der Himmelsseelen, interpretierten ein kosmisches Ungleichgewicht hinein, welches zwar bestand, doch nicht mit der Zerstörung eines der Reiche gelöst werden konnte. Damit würden sie es nur verschlimmern. Doch die Seraphim hörten nicht auf ihn, beziehungsweise würden nicht auf ihn hören, selbst wenn er es an Raziel vorbei an den Ratstisch schaffen würde. Und selbst in dem unwahrscheinlichen Fall das er die Seraphim irgendwie überzeugen könnte, einen Waffenstillstand anzustreben, die Hölle hatte sich noch nie sonderlich um das kosmische Gleichgewicht gekümmert. Sie würden es weiterhin manipulieren und sabotieren um ihren Willen zu bekommen. Wenn es nur jemanden gäbe der Azrael helfen könnte, beide Seiten davon zu überzeugen, dass dieser Krieg bloß Leid und Kummer für alle brachte, und möglicherweise katastrophale wenn nicht sogar apokalyptische Ausmaße für die Erde haben würde, sollte das kosmische Gleichgewicht zusammen brechen. Abrupt blieb Azrael stehen. Das war es! Es gab jemanden der ihm helfen konnte. Die Frage war nur, würde er sie überzeugen können, ihm zu helfen? Raphael, der bemerkt hatte das sein Bruder stehen geblieben war, drehte sich mit fragender Miene zu ihm um, doch ehe er den Mund öffnen konnte um nachzufragen, hatte Azrael ihm bereits die goldene Schatulle in die Hand gedrückt. "Bring sie Gabriel, ich hol sie später wieder ab.", murmelte er hastig ehe er am Absatz kehrt machte und davon eilte. "Azrael, was soll das werden? Wo willst du hin?", rief ihm ein überrumpelter Raphael hinterher, und ohne sich umzudrehen rief Azrael zurück: "Diesen vermaledeiten Krieg beenden."

Heaven against HellWo Geschichten leben. Entdecke jetzt