Folgenschweres Versprechen

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Azrael durchfuhr erneut eine Welle des Unwohlseins. Er wusste nicht, was es war, doch er wusste, es bedeutete nichts Gutes. Es schien eine greifbare Spannung in der Luft zu liegen, wie der Vorbote einer Katastrophe, die kurz bevor stand. Azrael versuchte erneut, die dunkle Vorahnung die sich in ihm fest gesetzt hatte beiseite zu schieben, auszublenden, zurück zu drängen, sich wieder auf seine Pflicht zu konzentrieren, seiner Arbeit nachzugehen, doch erneut durchfuhr ihn ein warnender Schauer. Mit einem frustrierten Schrei wandte sich Azrael von dem Menschen ab, dessen Seele er gerade an sich nehmen wollte. "Was ist hier los?", flüsterte er in die Dunkelheit zu sich selbst, doch natürlich erhielt er keine Antwort. Er hörte das schwere Röcheln des sterbenden Mannes hinter ihm und zwang sich, trotz des Gefühlschaos welches in ihm herrschte, einen klaren Kopf zu bekommen, und zu vollenden was er begonnen hatte, damit der Mann nicht länger leiden musste, wie unbedingt notwendig. Also schob er alle Sorgen und Emotionen beiseite und legte die Hand auf die Brust des Mannes, um den Lebensfunken der noch schwach im Herzen glühte zu löschen und die Seele zu nehmen. Ein schwaches rotes Glühen erschien in seiner Hand und schweren Herzens fügte er eine weitere Seele der Sammlung in der schwarzen Schatulle bei. Er verließ gerade den Raum und trat hinaus auf die verlassene Schotterstraße, welche die einzige Verbindung zu jener einsamen Hütte war, in der dieser arme Mann gerade alleine gestorben war, als eine Stimme aus dem Schatten ertönte. "Hallo, Bruder." "Das darf doch nicht wahr sein.", seufzte Azrael genervt ehe er sich umdrehte. "Samael, was willst du hier oben?", fragte er ihn unwirsch. Samael hob wegen seines harsche Tonfalles die Augenbrauen. "So unfreundlich deinem Bruder gegenüber? Behandelst du so auch jene Familienmitglieder die von oben herab steigen um dich zu begrüßen?", säuselte er gespielt gekränkt. "Es ist vollkommen irrelevant, ob Himmel oder Hölle, solange ihr dort bleibt, und mich in Ruhe lässt.", gab Azrael kühl zurück, der heute schon zu oft gestört wurde, als das an Höflichkeit zu denken wäre. Außerdem wurde er gequält von der düsteren Vorahnung in seinem Herzen, was es ihm schwer fiel, neutral und emotionslos zu bleiben. Samael grinste leicht. "Scheint ganz so als haben unsere Brüder dir heute bereits alle Nerven geraubt, sodass keine mehr für mich übrig sind. Schande!", rief er dramatisch aus, und Azrael seufzte erneut ehe er sich abwandte, die Flügel ausbreitete und sich in die Lüfte erhob. Einen Moment dachte er, er hätte seine Ruhe, doch im nächsten Moment schwebte auch schon Samael neben ihm, dessen einst strahlend weiße Flügel nun fahl und verschmutzt waren, doch wie es schien immer noch einsatzfähig. "Hast du keine Pflichten in der Hölle zu erledigen? Ich dachte Luzifer schikaniert dich Tag ein Tag aus.", rief Azrael ihm laut zu, um den Wind der um sie herum toste zu übertönen. "Ja, das tut er auch, normalerweise. Aber ich habe mich raus geschlichen, als er damit beschäftigt war, unseren Bruder herauszufordern.", rief Samael zurück, was Azrael erschrocken Halt machen ließ, weshalb Samael an ihm vorbei schoss, ehe er ebenfalls stoppte, und zu Azrael zurück flog, der langsam zur Erde sank. Samael landete neben ihm und senkte die Flügel. "Wusstest du noch gar nichts davon? Also ich war mir sicher, du würdest es mitbekommen, wenn es zu einer Konfrontation zwischen den beiden kommt.", meinte er mit einem schadenfrohen Funkeln in den Augen. Azrael schüttelte ungläubig den Kopf. "Worauf zielt Luzifer ab? Seid ihr so erbicht darauf einen Krieg zu beginnen?", knurrte er Samael an, der ihn kalt anblickte. "Natürlich schiebst du die Schuld wieder auf uns. Dabei ist es doch Gabriel der so unbedingt einen Krieg beginnen will.", konterte er, worauf Azrael keine Antwort wusste. Leider hatte Samael Recht, auch wenn Gabriel es bestritt, Azrael wusste, sein Bruder wartete nur auf eine neue Gelegenheit, seine Ehre wieder her zu stellen, und war sogar bereit dafür, das kosmische Gleichgewicht aufs Spiel zu setzen. Und Luzifer? Auch er suchte seit seinem Sturz eine Gelegenheit, dem Himmel seine Verbannung heim zu zahlen. Kein Wunder, dass Azrael von schlechten Vorahnungen geplagt wurde. Es war eine Warnung, an ihn, vom kosmischen Gefüge. Eine Warnung, das sie vor einem Krieg standen. Aber warum war Samael hier und erzählte ihm das alles? Worauf zielte er ab? Schon damals, vor Satans Rebellion, während der so viele Engel sich gegen den Himmel gestellt haben, war Samael immer schon ein Intrigant gewesen, eine Eigenschaft, die man normalerweise nicht mit einem Erzengel in Verbindung bringen dürfte. Diese Eigenschaft hat sich noch verschlimmert, als er auf Lilith getroffen war, und sich verliebt hat, in diese manipulative Schlange. Azrael verwunderte es damals kaum, dass er Luzifer in die Rebellion folgte, und sich Satan anschloss, doch er hatte nie gewusst, was er sich davon versprochen hatte, denn im Gegensatz zu Luzifer, wurde er kein König der Hölle. Er wurde auch kein Fürst oder Prinz. Offiziell behauptete Samael, er habe es aus Liebe zu Lilith getan, doch Azrael glaubte ihm diese Geschichte noch nie. Genauso wenig wie er jetzt glaubte, dass Samaels Absichten unschuldig waren, dass er sich bloß mit seinem Bruder unterhalten wollte, ganz ohne Hintergedanken. "Was willst du von mir, Samael? Die Wahrheit, ausnahmsweise einmal.", fragte er daher nochmals und sah ihn eindringlich an, während dieser einen möglichst unschuldigen Blick aufsetzte. "Ich war der Monotonie der Hölle so überdrüssig, ich wollte etwas Abwechslung, daher bin ich hier. Außerdem war ich mir sicher, du würdest es gerne wissen, wenn sich beide Seiten auf einen Krieg vorbereiten, der vor der Tür steht. Du, als Todesengel, als neutrale Partei, als Unparteiischer zwischen den Fronten, solltest doch die Zeit haben, dich darauf vorzubereiten. Vorausgesetzt du gedenkst auch diesmal, bloß daneben zu stehen und zu zusehen." Azrael versteifte sich und funkelte Samael wütend an, der ihn unschuldig angrinste, doch in seinen Augen lag ein bösartiges Funkeln. Langsam kam Azrael auf ihn zu bis sich die beiden Auge in Auge gegenüberstanden, und flüsterte leise: "Du hast Recht, ich bin unparteiisch. Ich war es schon immer, und ich werde es auch immer bleiben." Samaels Lächeln wurde breiter. "Ist das ein Versprechen? Vor der kosmischen Ordnung?", fragte er leise. Azrael zögerte kurz, bevor er resigniert die Luft aus stieß und nickte. "Das ist es."

Heaven against HellWo Geschichten leben. Entdecke jetzt