Zwei Gedanken blitzten aber noch kurz auf: Was hatte sie selbst überhaupt damit zu tun? Und was noch wichtiger war, was hatte es mit dem Text zutun, den sie im spiegelnden Wasser gesehen hatte?
Es war die letzte Stunde Sportunterricht vor Schulschluss und Zoey hasste es jetzt schon. Mr.Mason hatte veranlasst, dass Zoey, da sie leider nicht am Unterricht teilnehmen konnte, am Rande des Hofes sitzen musste und sich das Geschehen auf einem Block notieren sollte.
Die einzelnen Schüler kämpften in Zweierteams gegeneinander und mussten dabei versuchen, an das silberne Ei der Gegner zu kommen. Dabei war eigentlich alles erlaubt, außer den Gegner körperlich zu berühren. Man musste sich mit seinen Fähigkeiten verteidigen, die, wie Zoey erfahren hatte, von der Zweitengestalt abhingen. Drachen zum Beispiel konnten das Feuer beherrschen und Seeschlangen das Wasser. Was das Schwierigste am Ganzen aber war, war die Tatsache, dass vom Prinzip alle gleich stark waren und man deshalb kreativ und geschickt vorgehen musste, um einen Vorteil zu erhalten.
Zoey hatte sich vieles notiert und nun den Block zur Seite gelegt, um in Ruhe das Treiben der anderen zu beobachten.
Nach einiger Zeit hatte sie genug und wollte sich wieder ihrem Block zuwenden, um zu zeichnen, als sie plötzlich Geschrei hörte. Ein Junge hatte wohl die Kontrolle verloren, da eine fast zwei Meter hohe Feuerwand, auf das wie am Spieß kreischende Mädchen zurollte, an das sie sich aus dem Geschichtsunterricht erinnern konnte. Erschrocken sog Zoey die Luft ein und wie, als hätte die Luft helfen wollen, kam Wind auf, der die Feuerwand zur Seite drückte und sie harmlos ins Meer laufen lies, wo sie zischend erlosch. Als sie erleichtert ausatmen wollte, erlitt sie einen Hustenanfall vom Staub, den ihr der Wind ins Gesicht geblasen hatte.
Die anderen Schüler schauten verdutzt, davon überzeugt, dass sie, wenn sie Angie das nächste Mal sehen würden, sie etwas knuspriger und schwärzer sein würde. Doch nichts von dem war der Fall.
Erschrocken stolperte Angie zur restlichen Klasse, die das verängstigte Mädchen sofort wie eine Traube umschloß und begannen mit Fragen wie: „Hattest du Angst? War es sehr schlimm?" zu löchern.
Resigniert schüttelte Zoey den Kopf. „Was sind das für Fragen? Natürlich hatte sie Angst!"Die Freude darüber, dass niemandem was passiert war, war nur von kurzer Dauer, da Mr.Mason sich durch die Schüler nach vorne drängte und vor der Klasse aufbaute.
„Wer war das?" brüllte er die Schüler an.
Zitternd trat ein Junge vor. „Es tut mir leid! Es war nicht mit Absicht!" meinte er den Tränen nah.
„Dich meine ich nicht! Ich möchte wissen, wer für den Wind verantwortlich ist! Das war Spiegelmagie und hier wird keine Spiegelmagie unterrichtet!" schrie er.
Als sich keiner rührte, drehte er sich um und marschierte schnaubend davon.
Zoey zuckte die Schultern, packte ihr Tasche und ging in Richtung Wohnbereich.
In ihrem Zimmer angekommen, schmiss sie ihre Sachen aufs Bett und verlies im Anschluss sofort wieder das Zimmer.An der kleinen Pfütze, vor der sie die letzten Tage schon so häufig gestanden hatte, angekommen, holte sie das Medaillon heraus und musterte es kritisch.
„Dann wollen wir mal," dachte sie sich, ehe sie das Medaillon vor sich in den Sand legte und ihm gegenüber in den Schneidersitz setzte.
Sie hatte noch nie versucht, das Medaillon zu öffnen, war sich aber sicher, dass es irgendwie möglich sein musste und dass alle Informationen, die sie bräuchte, sich dort befinden würden.
Ihren Blick nicht vom kleinen runden Gegenstand vor ihr wendend, stellte sie sich vor, wie es sich öffnete.
Doch nichts passierte. Frustriert atmete sie aus und versuchte es nochmal, aber auch dieses Mal vergeblich.
Nach weiteren immer verzweifelteren Versuchen viel ihr Blick auf das glatte und glasklare Wasser vor ihr.
Allein durch das Betrachten spürte sie, wie der Frust von ihr abfiel und sie ruhiger wurde. „Unbewegt und glatt wie ein Spiegel" viel ihr ein und ein Geistesblitz schoss ihr durch den Kopf. Was wäre, wenn sie es vorhin gewesen war, die das Mädchen gerettet hatte?
Immer noch ruhig nahm sie ihren Blick vom Wasser und richtete es wieder auf das Medaillon.
Sie hörte den Wind um die Klippen brausen, die Wellen an den Strand spülen und spürte den Sand unter ihren Füßen.
Sie roch die salzige Meeresluft und den metallischen Geruch, den das Medaillon ausstrahlte.
Ein einziges Wort entglitt ihren Lippen „Öffne"
Als ob das Medaillon sie gehört hätte, öffnete es sich einen Spalt breit und ein leises Flüstern drang heraus.
Doch kaum hatte Zoey dies erblickt, verflog die Ruhe. Sie griff nach dem Medaillon, aber bevor ihre Hand es erreichen konnte sprang ein kleiner fast bläulicher Blitz zwischen ihrer Hand und dem Gegenstand hin und her, nach dem sie gegriffen hatte. Der Blitz zuckte ihre Schulter hoch bis er an der Stirn ankam und sich die Welt schwarz färbte.Langsam öffnete sie die Augen. Alles drehte sich und sie musste kurz warten, ehe sie sich aufrichten konnte.
Sie wollte sich gerade lauthals über ihre eigene Naivität aufregen, dass sie wirklich geglaubt hatte, etwas bewirken zu können, aber nicht ein Ton drang aus ihrem Mund. Man konnte einen lauten kreischenden Ton hören, der klang, als würde man mit bloßen Fingernägeln über einer Schiefertafel kratzen. Erschrocken über sich selbst taumelte sie weiter zurück. Dabei taumelte sie an einer weiteren Pfütze vorbei und ihr entwich ein weiterer Schrei. Vor ihr stand ein fast fünf Meter großer Greif, der sie mit seinen eiskalten goldenen Augen zu durchbohren schien. Das Gefieder war schwarz mit goldenen und silbrig glänzenden Sprenkeln. Um den Hals des Greifen war ein weißer Streifen, der am unteren Ende eine Spirale bildete und Zoey an ihr Medaillon erinnerte. In Gedanken und leicht panisch fragte sie sich, wo das Medaillon nun war und ob sie nun für immer so bleiben würde. Auf der Suche nach dem Medaillon scharrte sie im Sand, konnte es jedoch nicht finden. Aber bevor sie komplett panisch werden konnte, kamen wie von selbst Bilder zu Tage, die sie noch nie gesehen hatte. Sie zeigten Zoey, wie sie das Medaillon in der Hand hielt und daraufhin ohnmächtig wurde, aber eine neue Sache konnte sie entdecken, die sie noch nicht kannte! Sie sah, wie sich das Medaillon verflüssigte und mit Zoey's Haut verschmolz.
So schnell diese Bilder aufgetaucht waren, genauso schnell waren sie auch wieder verschwunden. Aber ein Bild blieb bestehen, das Zoey noch nie gesehen hatte. Es zeigte einen ruhigen See in Winter und in diesem See spiegelte sich der nächtliche Winterhimmel.
„Glatt und ruhig wie ein Spiegel," dachte sich Zoey „vielleicht funktioniert es auch dieses Mal."
Sie versuchte ruhiger zu werden, was ihr auch erstaunlich schnell gelang. Sobald sie sich beruhigt hatte, konzertierte sie sich auf ihren alten Körper und ein starker Schmerz durchzuckte sie.
„Bitte lass das nicht zur Gewohnheit werden" waren ihre letzten Gedanken, ehe es zu zweiten Mal an diesem Tag schwarz um sie wurde.———————————————————————
1158 WörterTachchen 👋🏻
Ich bin's mal wieder
Ich hoffe es hat euch gefallen und wir sehen uns beim nächsten mal.😊Ciao und Peace out
Melodie
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Der letzte Greif
FantasyEin Mädchen das alles gewann. Ein Mädchen das alles verlor. Ein Mädchen mit einer Zukunft und einem Schicksal. Ein Mädchen mit der Gabe geboren alles zu ändern ob zum gutem oder zum schlechten. Ein Mädchen mit dem Namen Zoey Wing das eine Bestimmung...