2. Denk immer daran, wer da war, wenn sonst niemand da war

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Dabi war nicht der Typ Mensch, der leicht reizbar war und sich bei jedem Schritt aufregte. Ganz im Gegenteil. Er war wahrscheinlich die ruhigste Person in der Liga, eine verdammte Oase des Friedens, welche nicht so einfach aus dem Gleichgewicht geriet. Obwohl auch er, von Zeit zu Zeit, seine Launen zeigte. Und in solchen Momenten war er zu allem fähig.

Wie kurz zuvor, als er eine Gruppe von Kleinkriminellen zu Asche verbrannt hatte. Als der Schwarzhaarige so auf die verbrannten Leichen starrte, spürte er, wie sich seine Stimmung merklich verbesserte. Manchmal reichte es, wenn er sich einfach des Mülls entledigte, der sich für etwas Großes hielt.

Noch wenige Augenblicke zuvor hatte ihn die Bande verspottet, dass sie ihn mit nur einem einzigen Finger schlagen könnten, und dann? Nun war nichts außer Asche von ihnen übrig geblieben. Sollten die Helden ihm ihren Dank zollen. Denn durch ihn hatten sie deutlich weniger Arbeit.

Und als er so gen Himmel schaute, sein Blick auf das strahlende Blau gerichtet, da erhellte sich auch seine Laune und die frühere Laune kehrte zu ihm zurück. Was war der Auslöser für all das? Das wüsste er gerne selber.

Er war es bereits gewohnt, manchmal war es einfach so und er versuchte dem nicht zu viel Aufmerksamkeit zu widmen. Und manchmal musste einfach jemand dafür herhalten, so wie diese hier. Obwohl sie nicht ganz unschuldig an der Situation waren. Und Dabi war nicht allein schuldig daran.

Nachdem er das ziemlich alte Gebäude betrat, spürte er, wie sich seine gute Laune, die er zuvor noch mit Mühe angesammelt hatte, wie eine platzende Seifenblase verabschiedete. Es war eigentlich klar, dass er nach einem langen, anstrengenden und zudem furchtbaren Tag einfach nur noch ins Bett fallen und sich für ein paar Stunden ausruhen wollte.

Jedoch war ihm genauso bewusst, dass es unmöglich war, denn man erwartete Dabi bereits. Er musste nur diesen einen Raum betreten und schon richteten sich die Augenpaare der anwesenden Personen auf ihn, den Neuankömmling.

Während er an den Mitgliedern der Liga vorbeiging, tat er so, als würde er die Anwesenden nicht bemerken. Vielleicht versuchte Dabi die Blicke einfach auszublenden, während er ihnen hoffentlich klar machte, dass sie nicht einmal versuchen mussten, eine Konversation mit ihm zu beginnen. Doch wie hieß es so schön? Die Hoffnung starb zuletzt, doch auch sie starb irgendwann elendig.

»Dabi-kun, endlich bist du wieder da.« Toga – das einzige weibliche Mitglied – lächelte ihn breit an, während ihre Beine rhythmisch hin und her wippten, wodurch sie sekündlich Bekanntschaft mit der hölzernen Kiste machten, auf der sie saß. Ihr goldener Blick verfolgte Dabi regelrecht, fast so, als wollte sie ihn nur mit ihren Blicken durchlöchern. Doch das ging ihm, wie schon so oft, einfach nur am Arsch vorbei, genauso wie das Gesagte.

»Tch, vielleicht erzählt er uns, wo er war«, meldete sich eine spöttische Stimme zu Wort, jene, die ihm in letzter Zeit öfter auf die Nerven gegangen war, mehr als ohnehin schon. Wobei es nicht die Stimme war, vielmehr war es die Person, zu der sie gehörte, welche ihm das Leben auf Schritt und Tritt erschwerte, immer dann, wenn es gerade möglich war. Und in seiner gegenwärtigen Situation hatte er mehr als genug davon. Doch das konnte man sich eigentlich denken.

»Nicht deine verdammte Angelegenheit«, antwortete er in einem ruhigen Ton, der so gar nicht zu dem Gesichtsausdruck passte, mit dem er die riesige Eidechse betrachtete, die sich direkt neben dem Ausgang an die Wand lehnte und sich kein bisschen aufspielte.

Dennoch war es schön zu sehen, wie sich das grüne Maul vor Missmut und Wut zu einer grotesken Fratze verzog. Ja, Spinner war definitiv nicht der Inbegriff der Ruhe, nicht wie Dabi. Und genau das brachte dem Schwarzhaarigen einen großen Vorteil gegenüber den anderen Schurken.

Ein gerissenes Lächeln stahl sich auf Dabis Gesicht, genau in dem Moment, als sein Gegenüber sich mit einem Ruck von der Wand stieß und in einem langsamen Tempo auf ihn zusteuerte. Die ganze Zeit darauf bedacht, den Blickkontakt nicht zu brechen.

Von der einen Seite betrachtet, konnte er nicht leugnen, dass er Spinner nur zu gerne mit seinen Flammen zu Asche verbrannt hätte, trotz der Tatsache, dass sie eigentlich Partner waren und zu der gleichen Gruppe gehörten. Von der anderen Seite betrachtet, wusste er genau, würde er genau das tun, müsste er mit den Konsequenzen leben, vor allem seitens der anderen Anwesenden.

Vielleicht aber auch nicht gänzlich. Es war nicht unwahrscheinlich, dass man es mit einem Wink abtun würde, als wäre nichts dabei, wenn er sich eines der ihrer entledigte. Gleichzeitig würde dies ihre Kampfkraft nur noch mehr schmälern. Auch wenn Spinner vielleicht ein Idiot war, der mit ihm zu hart ins Gericht ging, so war er doch irgendwo nützlich. Alles in allem war Spinner ein nützlicher Idiot, welchen er vorerst noch am Leben lassen musste.

»Glaubst du, das ist der passende Moment?«, flüsterte Toga, ohne dabei auch nur für eine Sekunde den Blick von den Beiden mitten im Raum stehenden und rivalisierenden Männern abzuwenden. Der Angesprochene, der zu ihrer Seite saß, überlegte genau, was er antworten sollte, doch so genau wusste er es auch nicht. Schon seit geraumer Zeit überlegten sie, wann es zwischen Dabi und Spinner eskalieren und zum Kampf kommen würde, denn das, was zwischen ihnen vor sich ging, kündigte das Unheil nur so an.

»Ihr zwei.« Die gelangweilt klingende, doch zugleich voller Zorn sich erhebende Stimme des aktuellen Anführers drang zu ihnen allen hindurch und lenkte die Aufmerksamkeit auf sich. Das Letzte, was er nun gebrauchen konnte, war, dass sich seine Mitglieder gegenseitig an die Gurgel gingen. »Haltet endlich die Klappe, jetzt sofort.«

Dabis Augen glitten zu dem blauhaarigen, jungen Mann, der in der Ecke saß. Shigaraki hatte sich so platziert, dass er praktisch mit der Dunkelheit verschmolz und im ersten Moment wie unsichtbar erschien, weshalb Dabi schon beim Betreten des Raumes Schwierigkeiten hatte, ihn zu erkennen.

Es war, wie es war, denn Shigaraki schien der Normalste von ihnen zu sein, auch wenn seine Haltung Dabi in letzter Zeit doch ziemlich auf die Nerven gegangen war. Tag ein Tag aus saß er nur herum und tat rein gar nichts, während Dabi durch die Straßen zog und nach neuen Rekruten suchte.

Und als wäre es nicht schlimm genug, tadelte man ihn. All das dank dieser verfluchten Ninja-Echse, die anscheinend nicht wusste, wo ihr Platz war. Irgendwann würde er es ihm schon zeigen und er würde sich nicht eine Sekunde lang zurückhalten.

»Ich habe niemanden gefunden, der auch nur ansatzweise interessant wäre«, berichtete er seinem Anführer, nachdem er sich zu ihm gedreht hatte. Spinner, der wütend seine Fäuste ballte, ignorierte er einfach.

»Es muss schwer sein, überhaupt jemanden zu finden, wenn man mit anderen Dingen beschäftigt ist«, schnaubte Spinner, der sich gleich darauf an seinen vorherigen Platz begab. Den türkisfarbenen Blick stets im Nacken spürend, lehnte er sich mit vor der Brust verschränkten Armen gegen die Wand.

Dabi seufzte kraftlos, und mit langsamen Schritten bewegte er sich Richtung Ausgang. Keine weitere Minute konnte er dort verweilen, nicht in dieser Gesellschaft. Nicht mehr lange, und das spürte er, dann würde er ihn zu Asche verarbeiten, ein Problem weniger. Dennoch konnte Dabi sich diesen einen Satz nicht verkneifen, als er an Spinner vorbei schritt.

»Leck mich doch«, zischte er, die Echse nicht einmal eines Blickes würdigend.
»Das erledigt doch bereits Hawks!« Der Echsenmann zögerte nicht bei der Antwort. Wie so oft nutzte er jede Gelegenheit um den Schwarzhaarigen eins drauf zu setzen und zu provozieren.

Danach herrschte im gesamten Raum Stille, einzig das Geräusch einer sich öffnenden Tür war zu vernehmen. Und Dabi? Dabi war immer noch die verdammte Ruhe in Person. Mit einem einzigen Unterschied: beim Verlassen streckte er Spinner den Mittelfinger entgegen.

Der wollte darauf noch antworten, doch er war zu langsam, ehe er auch nur ein Wort hervorbrachte, wurde die Tür mit einem lauten Knall geschlossen. Wieder herrschte ein Moment der Stille.

»Dabi ist wohl in einer besseren Position, oder?«, flüsterte Twice zu Toga, der bis dahin nur still da saß und das Geschehen beobachtete, was sonst nicht seine Art war. Der genervte Spinner schaute in seine Richtung, genau wissend, was Twice damit aussagen wollte.

In dem Moment hätten seine Blicke töten können, doch das war nicht das erste Mal. So war es jedes Mal, während und nach einer Konfrontation mit dem Schwarzhaarigen. Kurz gesagt, nichts Neues.

Währenddessen war Dabi bereits auf dem Weg. Auf dem Weg, zu dem Ort wo er sich ein wenig Frieden erhoffte …

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