6. 𝓚𝓪𝓹𝓲𝓽𝓮𝓵

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Jeongguk

Einige Tage später

Minie…jetzt rede doch endlich mit mir!

Park Jimin, geh doch verflucht nochmal an dein beschissenes Handy!

Du weißt, dass wir darüber reden müssen! Du kannst das nicht einfach so ignorieren! Du hast doch auch etwas gespürt, oder etwa nicht?

Weißt du was, fick dich! Dann melde dich eben nicht mehr bei mir!

Fuck, sorry, das habe ich so nicht gemeint! Tut mir leid, melde dich bitte einfach bei mir, okay?

Doch er hat sich in den ganzen vergangenen Tagen nicht einmal bei mir gemeldet. Es ist beinahe so, als ginge er mir absichtlich aus dem Weg. Wenn ich bei ihm anrufe, springt sofort seine Mailbox an, in der mich seine sanftmütige Stimme immer wieder mit demselben Text vertröstet und wenn ich bei ihm Zuhause auf dem Festnetz mein Glück versuchen will, so geht seine _ach so tolle_ Verlobte an den Hörer und speist mich ab, indem sie Jimin als abwesend erklärt.

Vielen Dank auch.

Stattdessen bekomme ich nur Auskunft von unserem gemeinsamen Freund, der ebenfalls zur Hochzeit eingeladen ist. Hoseok kennen wir schon einige Jahre lang und aus Erfahrungen kann man behaupten, dass Hoseok, den wir immer liebevoll Hobi nennen, ein sehr vertrauenswürdiger und zuverlässiger Freund ist. So ist er derjenige, der mich über den neuesten Stand der Dinge bringt und vermutlich Jimins Post-Eule spielt.

Hey Jeongguk, morgen Abend findet nach wie vor der Junggesellenabschied in Tae's Bar um 19:00 Uhr statt. Ich freue mich auf dich, haben uns ja ewig nicht gesehen!
Liebe Grüße, dein Hobieeee

Normalerweise freue ich mich immer sehr über seine Nachrichten, doch heute finde ich sie zum Kotzen. Kann Jimin mich denn nicht persönlich anschreiben? Ist er sich zu fein dafür, mich selbst anzuschreiben? Ich bin doch sein bester Freund, beziehungsweise war ich das wohl mal…

Dementsprechend schlecht gelaunt, tauche ich am nächsten Tag kurz vor 19:00 Uhr vor der Bar auf, die Hobi mir genannt hat und warte darauf, dass alle anderen, die Jimin eingeladen hat, eintrudeln. Ich betrachte mich noch einmal prüfend in der Spiegelung des abgedunkelten Fenster und muss feststellen, dass ich genauso bescheiden aussehe, wie ich mich fühle. Mein schwarzes Haar liegt wellig und recht unordentlich auf meinem Haupt, unter meinen dunklen Augen zeichnen sich ebenso dunkle Augenringe ab und meine Kleidung ist schlicht und unspektakulär. Ich trage zu einer einfachen ripped-Jeans ein ebenso einfaches weißes Shirt, welches ich salopp in die Hose gesteckt habe.

Nach und nach treffen die Gäste ein, Hobi begrüßt mich überschwänglich, scheint jedoch zu merken, dass irgendetwas nicht so in Ordnung zu sein scheint. Er lässt sich nicht weiter etwas anmerken, fragt nicht direkt nach, aber dennoch bin ich mir bewusst, dass er es spürt. Ich rechne ihm diese Diskretion hoch an und lächle ihm deshalb einmal dankbar an, was er sogleich richtig deutet und dieses strahlend erwidert. Der dunkelhaarige, hochgewachsene junge Mann hat einfach eine unglaublich fröhliche Ausstrahlung, dass man sich kaum schlecht in seiner Nähe fühlen kann.

Irgendwann kommt Jimin dann die Straße entlang und ich spüre, wie mein Herz immer heftiger gegen meinen Brustkorb hämmert, wie meine Knie wackelig werden und ich spüre, wie mein Hals trocken wird. Immer wieder prasseln die Erinnerungen auf mich ein, wie ich ihn geküsst habe, wie sich seine weichen, vollen Lippen auf den Meinen anfühlten. Sie schmeckten tatsächlich nach Honig, süß und unwiderstehlich. Besser, als ich es mir je hätte erträumen können. Ein heißkalter Schauer rieselt mir den Rücken herab und ich schlucke schwer, als ich den jungen Mann betrachte, wie er mit elegantem, sehr grazilem Gang auf uns zukommt. Er trägt eine enge, schwarze Lederhose und dazu ein dunkelgrünes Hemd aus Seide, welches nicht wirklich viel von seiner breiten, schönen Brust bedeckt. Mit einem freudigen Strahlen in den Augen kommt er näher, begrüßt alle mit einer herzlichen Umarmung und lässt mich doch tatsächlich außen vor, als wären wir keine besten Freunde. Sonst begrüßt er mich immer als Erstes…

Als er vor mir zum Stehen kommt und gezwungen ist, mich zu begrüßen, erlischt das Leuchten in seinen Augen und ein reservierter Ausdruck huscht über seine Gesichtszüge.

Autsch

Sofort zieht sich mein Herz zusammen, es sticht und schmerzt. Hat er eigentlich eine Ahnung, was er mir da antut? Seit Tagen meldet er sich nicht, ignoriert meine Anrufe und Nachrichten und dabei kann ich ganz genau sehen, dass er online ist! Und jetzt setzt er dem Ganzen die Krone auf und begrüßt mich derart kühl? So kenne ich ihn nicht. So will ich ihn nicht kennen.

»Hi«, brummt er mir entgegen, meidet es mich anzusehen und macht sich nicht einmal die Mühe, mich für einen Augenblick in den Arm zu nehmen. Die Anderen bekommen das kaum mit, doch Hobi hat alles mitangesehen, zieht deshalb fragend die Augenbrauen zusammen, aber er sagt nichts.

Mit schmerzender Brust, da mein geschundenes Herz heftig gegen meinen Brustkorb hämmert, sitze ich nun seit einer halben Ewigkeit, ich habe keine Ahnung, wie viel Zeit bereits vergangen ist, am Tresen der Bar und lasse mir auf Jimins Kosten – immerhin ist es sein Junggesellenabschied – immer wieder mein Glas auffüllen. Die anderen sind irgendwo in der Meute der Tanzfläche, die die Bar extra für diesen Anlass zur Verfügung gestellt hat, verschwunden und betrinken sich dort. Hier sind Menschen, die ich überhaupt nicht kenne, weshalb ich davon ausgehe, dass das Laufkundschaft ist.

Jimins Verhalten schmerzt mir mehr als es sollte, was habe ich mir auch gedacht, als ich ihn küsste? Dass er seine tolle Verlobte meinetwegen verlassen würde?  Dass er merken würde, dass ich der Bessere für ihn bin, da ich ihn länger und besser kenne als diese Yuna? Ja, verdammt, das habe ich gedacht.

Immer und immer mehr kippe ich den Alkohol meine Kehle hinab, lasse die brennende Flüssigkeit eben diese herabrinnen. Ich will jetzt einfach nur vergessen, ich will meine inneren Wunden desinfizieren und verfluche mich dafür, dass ich nicht einfach zu Hause geblieben bin. Dort hätte ich mich vor meinem Laptop, auf dem in Dauerschleife Netflix läuft in meinem Selbstmitleid baden und eine Flasche Wein ganz allein austrinken können. Doch stattdessen sitze ich hier und gebe mich meinem Leid öffentlich hin.

»Du gehst schon?«, höre ich Hobi irgendwann sagen, als ich mich von meinem Hocker rutschen lasse und zum Ausgang taumle. Der Alkohol, den ich sinnlos in mich kippte, legt meinen kompletten Körper lahm und ich kann kaum mehr klar denken. Morgen werde ich einen fetten Kater haben. »Ja, ich werde…heim gehen!«, säusle ich mit schwerer Zunge und dränge mich weiter wortlos an ihm vorbei, um eilig das Weite zu suchen und so viel Abstand zwischen Jimin und mich zu bringen, der hier irgendwo sein wird und sich vermutlich mit Stripperinnen beschäftigt ist – falls denn welche da waren.

Doch so sehr ich auch versuche, ihm aus dem Wege zu gehen, er ist immer da. Kreuzt meinen Weg und dadurch mein Schicksal. Jimin taucht gerade dann auf, wenn ich ihn partout nicht gebrauchen kann. Aber eben dieser lehnt draußen vor der Bar an der Backsteinwand und hat seinen Kopf in den Nacken gelegt, um in den Nachthimmel zu sehen. Mein benebelter, alkoholisierter Verstand fokussiert sich jetzt zu meinem eigenen Leid nur noch auf ihn, den Mann, den ich über alles liebe…und dann treffen sich unsere Blicke…

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𝒟ℯ𝓈𝓅ℯ𝓇𝒶𝓉ℯ Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt