2. 𝓚𝓪𝓹𝓲𝓽𝓮𝓵

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Jeongguk

Dichte Nebelschwaden, die von einigen Ecken der Bar aus zu uns herüberwehen, sind das erste was ich wahrnehme, als ich mit Jimin gemeinsam eben diese betrete. Am Tresen der Bar sitzen wie üblich die Dauertrinkenden Kerle, die sich womöglich jeden Abend den Verstand wegtrinken und sich über ihre ewigen Leiden unterhalten. Darüber grinsend, da diese Männer immer sehr lustige Geschichten zu erzählen haben folge ich Jimin zum Tresen. Dabei beobachte ich von hinten seinen breiten Rücken, der sich unter dem weißen Shirt abzeichnet und verfolge jede Regung seiner spielenden Muskeln. Ein wenig gerate ich dabei ins Schwärmen, da sein eleganter Gang, seine grazilen Bewegungen mich immer wieder aufs neue faszinieren und ich gar nicht anders kann, als ihn mit großen Augen zu mustern. Bis er sich mit seinem üblichen, charmanten Lächeln, was mir das Herz erwärmt zu mir herumdreht.

»Dasselbe wie immer?«, möchte er von mir wissen und lässt sich mit einer fließenden Bewegung auf einem der Barhocker nieder. Mit geröteten Wangen, da er mich soeben beim Starren erwischt hat – was er offenbar jedoch nicht realisiert hat, nicke ich und setze mich neben ihn, um meinen Ellbogen auf dem Tresen abzulegen. Hinter eben diesem, der vor klebrigen Bierrändern nur so strotzt und mal wieder gewischt werden sollte, steht Kneipenbesitzer Namjoon. Er ist ein hochgewachsener Kerl, der wahrscheinlich erst in seinen Dreißigern ist und die Kneipe von seinem Vater übernommen hat. Blondes Haar fällt ihm in die dunklen Augen, unter denen sich tiefe Schatten gelegt haben, die schlaflose Nächte abzeichnen, die vermutlich voller Arbeit gefüllt sind.

Mit einem freundlichen Lächeln, was sich Namjoon nicht nehmen lässt, obwohl er ganz offensichtlich sehr müde und erschöpft ist begrüßt er uns beide. »Na, Jungs, wie immer dasselbe, nicht wahr?« Kichernd lehnt er sich über den Tresen und trocknet dabei lässig eines der vielen langhalsigen Gläser ab. Jimin nickt und will gerade unsere übliche Bestellung aufgeben, doch ich entscheide mich kurzfristig um, um symbolisch auch in dieser Hinsicht einen Neuanfang zu starten und eine Veränderung durchzuführen. Aus diesem Grunde fahre ich Jimin, der mich dann perplex blinzelnd von der Seite mustert über den Mund und bestelle anstelle eines herkömmlichen Zapfbiers ein Glas Johnny Walker, der mich aufgrund seines süßen, jedoch auch gleichzeitig herben Geschmacks neugierig gemacht hat.

»Johnny Walker?« Fragend hebt Jimin seine Augenbraue, schmunzelt verschmitzt und stützt sein Kinn auf seiner Hand ab. Unter diesem intensiven Blick erröte ich wieder bis zur Haarwurzel, was in letzter Zeit wirklich sehr häufig vorkommt und ich wahrhaftig nichts dagegen unternehmen kann. Diesmal scheint es Jimin jedoch aufzufallen und er fragt ein wenig besorgt: »Hast du Fieber? Deine Wangen sind so rot…« Aufgrund dieser direkten Frage beginnen meine Wangen noch stärker zu glühen.

Mich räuspernd schüttle ich eilig den Kopf, greife dann mit zittriger Hand nach dem Glas Whisky, was mir Namjoon zuschiebt und halte es dann so hoch, damit Jimin mit mir anstoßen kann, der seine Flasche Bier schon mit seinen schlanken Fingern umklammert. »N-nein«, beginne ich stammelnd und verfluche mich, wieso ich das nicht als ersten Schritt nutze, um ihn über meine Gefühle, die unter besten Freunden nicht sein sollten in Kenntnis zu setzen. »Nein, alles gut, mir geht’s gut«, füge ich noch hinzu, halte ihm demonstrativ weiter mein Glas entgegen und deute somit an, dass er endlich anstoßen soll. »Ich wollte einfach mal etwas Neues probieren, weißt du?«, frage ich dann und sehe ihm tief in die Augen, hoffe somit, dass er vielleicht einfach selbst darauf kommt, was ich tatsächlich für ihn empfinde. »Ich meine, es ist irgendwann auch einmal Zeit für Veränderungen…«, säusle ich noch und bin erleichtert, dass er endlich seine Glasflasche gegen mein Whiskyglas stößt, sodass die braune Flüssigkeit darin ein wenig hin- und herschwappt.

Während wir uns zuprosten, nickt er verständlich und kichert leise: »Na dann, auf Veränderungen!« Daraufhin erwidere ich sein Lächeln, nippe an meinem Glas und schmecke im nächsten Moment, den warmen, süßen Whisky auf meiner Zunge. Der dominante Honiggeschmack prickelt auf meiner Zunge und paradoxerweise, stelle ich mir vor, dass Jimins Lippen wohl wahrscheinlich genauso himmlisch schmecken würden…nach köstlichem, süßen Honig, nach erlesenen Früchten und einem dezenten Hauch Vanille…

Ich kann gar nicht so genau bestimmen, wann genau ich gemerkt habe, dass ich inzwischen mehr für Jimin empfinde, als nur bloße, unantastbare Freundschaft, aber ich habe irgendwann einfach gespürt, dass da mehr sein muss. Selbstredend habe ich zu anfangs natürlich versucht, etwaige Gefühle zu verdrängen, einfach aus Angst, etwas zwischen uns verändern zu können oder gar unsere Freundschaft aufs Spiel zu setzen, die besteht, seit ich klar denken kann, aber ich habe bald gemerkt, dass jeder Versuch zwecklos ist. Dass ich nichts gegen meine Gefühle tun kann. Und um ehrlich zu sein, habe ich mich auch nie richtig bemüht, jemanden anderen kennenzulernen, da ich mich viel zu sehr an die Vorstellung klammere, einen kleinen Hauch einer Chance bei ihm zu haben, da wir einander so lange kennen und vertraut miteinander sind. Und was spricht gegen eine sehr gute Freundschaft als Basis einer festen Beziehung?

»Apropos Veränderungen…«, beginnt Jimin dann, der soeben von seiner Flasche Bier getrunken hat, diese von seinen vollen Lippen absetzt und sichtlich verlegen auf den Tresen vor sich sieht. »Es gibt da etwas, worüber ich mit dir sprechen wollte…«, fährt er fort und lässt seinen schlanken Finger, an dem ein silberner Ring steckt über den Holztresen kreisen, fährt scheinbar unbewusst die Musterung des Holzes nach.

Sofort bleibt mein Herz stehen, stolpert kräftig gegen meinen Brustkorb und lässt mich angespannt die Luft anhalten. »W-worum geht es?«, möchte ich dann unsicher wissen und weiß aus etlichen Filmen und Büchern, dass diese Worte meist nichts Gutes zu bedeuten haben. Und ich sollte Recht behalten, denn das, was er mir als nächstes mit einem strahlenden Leuchten in den schönen Augen, von denen ich mir wünschte, sie würden mich genauso sehen, wie ich ihn sehe, verkündet, bricht mir schlichtweg, ohne es zu beschönigen das Herz. Zersplittert und in etliche Einzelteile zersprungen, bleibt mein lebenserhaltenes Organ ruckartig und unter Schmerzen stehen, als er sagt: »Yuna und ich…wir werden heiraten!«

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𝒟ℯ𝓈𝓅ℯ𝓇𝒶𝓉ℯ Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt