10. 𝓚𝓪𝓹𝓲𝓽𝓮𝓵

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Jeongguk

Schluchzend zerre ich meine Bettdecke und das weiße Laken ab, denn alles riecht nach Jimin. Sein betörender Duft hängt tief in dem Stoff und das ertrage ich nicht. Alles in die Waschmaschine stopfend unterdrücke ich die Tränen, die mir immer wieder in die Augen steigen und versuche, meine Gefühle unter Kontrolle zu bringen. Ich weiß, dass mein Verhalten Jimin gegenüber vorhin nicht fair gewesen ist, aber ich kann mich nicht verstellen und einen auf heile Welt machen, nur, um ihm einen Gefallen zu tun.

Ich verstehe einfach nicht, wieso er sich so dagegen wehrt, mit mir zusammen zu sein. Ja, wir sind beste Freunde, wir kennen uns seit so einer langen Zeit, aber das ist doch kein Hindernis. Im Gegenteil. Unsere Freundschaft könnte als Grundbasis einer Beziehung dienen. Doch er muss sich offenbar dagegen wehren…Gegen etwas, was er nicht mehr lange leugnen kann…

Seufzend wende ich mich von der Waschmaschine, die nun läuft, ab, fahre mir immer wieder durch die Haare. In meinem Wohnzimmer laufe ich ruhelos auf und ab. Ich öffne meine Balkontür und setze mich raus auf eben diesen. Dort stehen zwei alte Gartenstühle mit einem kleinen weißen Plastetisch. Auf diesem liegt eine Schachtel Zigaretten. Eigentlich rauche ich nicht, doch mich scheint diese Schachtel in diesem Moment anzuziehen. Entschlossen greife ich nach ihr, ziehe eine Zigarette heraus und zünde mir diese an, während ich mich auf einem der Gartenstühle niederlasse. Ich ziehe an der Zigarette, huste den Qualm wieder aus, versuche, mich daran zu gewöhnen und ziehe erneut an der glimmenden Kippe. Beim zweiten Mal ist es weniger schlimm und ich fange an genüsslich den Qualm zu inhalieren, der sich giftig in meinem Körper verteilt und lasse diesen durch meine Nase entweichen. Nachdenklich schaue ich in den Himmel, der sich langsam verdunkelt und den Abend ankündigt.

Mit dem Gedanken, dass Jimin und ich zusammengehören falle ich in mein frischbezogenes Bett und vergrabe meine Nase tief in dem Kissen, auf dem Jimin gelegen hatte, bei welchem ich es doch nicht übers Herz brachte auch dieses zu waschen. Durch seinen Geruch erinnere ich mich an unsere letzte, gemeinsame Nacht und schluchze ich immer wieder auf, wälze mich unruhig hin und her und falle in einen sehr unruhigen Schlaf, sodass ich am nächsten Tag völlig übermüdet aufwache.

Während ich mir Kaffee einschenke, den ich durchlaufen ließ, lehne ich mich leise seufzend gegen die Küchenanrichte und lege den Kopf einmal in den Nacken. Immer wieder denke ich über Jimin und mich nach. Ich liebe ihn, ich liebe ihn wirklich über alles und ich weiß, ich sollte heute für ihn da sein, ihn zum Altar begleiten und ein guter bester Freund sein, doch wie soll ich das ertragen? Wie kann ich mit ansehen, dass er jemanden anderen heiratet? Ich bin egoistisch in dieser Hinsicht, da ich mich selbst schütze, aber…Jimins Bedürfnisse standen schon immer über den Meinen.

Mit einem Blick zur Uhr muss ich feststellen, dass es nur noch eine halbe Stunde hin ist, bis Jimin den größten Fehler seines Lebens begeht. Ich umklammere fest meine Tasse Kaffee, kaue auf meiner Unterlippe herum, bis sie wund ist und zische wütend auf. »Fuck!«, fluche ich, stelle die Tasse mit einem lauten Knall auf die Küchenanrichte und renne eilig ins Badezimmer, um mich zu duschen. Obwohl ich Jimin schrieb, ich würde nicht zur Kirche kommen, so kann ich mich unmöglich fernhalten und Jimin heiraten lassen.

Ich muss das verhindern!

Eilig steige ich in meinen Wagen, bin doch tatsächlich hastig in meinen besten Smoking geschlüpft, um beim Sprengen der Hochzeit noch einen guten Eindruck zu machen und fahre los. Doch diese Stadt ist eine einzige Baustelle. Überall muss ich Umleitungen nehmen, stehe völlig unter Druck, denn meine Zeitanzeige sagt mir, dass die Hochzeit womöglich voll im Gange ist. Ich muss das rechtzeitig verhindern und deshalb halte ich meinen Wagen nahe der Kirche, um den Rest einfach per Fuß zu bewältigen. So renne ich los, spüre, wie meine Lungen schmerzen, wie meine Seiten stechen und meine Beine mich so schnell wie möglich versuchen zur Kirche zu bringen.

In meinem Kopf spielen sich die wildesten Szenarien ab, in der einen schickt Jimin mich wutentbrannt davon, in der anderen wirft er sich mir überglücklich an den Hals und die anderen sind noch weniger erfreulich. Entsetzte Gesichter der Gäste, das wilde Geschrei der Furie Yuna, die ihren Brautstraß nach mir wirft oder Jimins Eltern, die ich seit Ewigkeiten kenne, die mich hasserfüllt mustern, weil ich den großen Tag ihres Sohnes versaue. Aber als ich bei der Kirche ankomme, einfach hereinstürme und hoffe, den Pfarrer mitten in seiner Rede zu unterbrechen und ihn von dem Schlimmsten abhalten kann, ist niemand mehr in der Kirche anzutreffen.

Völlig abgehetzt, schweratmend und durchgeschwitzt runzle ich die Stirn, stütze verwirrt meine Hände an den Knien ab und frage mich, ob ich vielleicht in der falschen Kirche bin. Mir übers Gesicht fahrend richte ich mich wieder auf, laufe enttäuscht und mit hängenden Schultern aus dieser Kirche, vor der ich – obwohl ich nicht gläubig bin – einen gewissen Respekt verspüre und schüttle über mich selbst den Kopf. Wo steckt Jimin nur? Wo sind die ganzen Gäste? Findet die Hochzeit später statt? Oder vielleicht gar nicht? Nein, so viel Hoffnung darf ich mir gar nicht machen. Jimin ist viel zu feige, um die Hochzeit von selbst abzublasen…

Frustriert lasse ich mich vor der leeren Kirche auf den Stufen nieder, lasse den Kopf hängen und unterdrücke ein leises Schluchzen. Ich habe ihn verloren, die Liebe meines Lebens. Ich bin einfach zu spät gekommen. Ich hätte Jimin viel früher beichten sollen, was ich für ihn empfinde. Doch in dieser Hinsicht bin ich wohl einfach zu feige gewesen. Gerade, als ich mich aufrichten will, vernehme ich meinen Namen: »Jeongguk…was tust du hier?«

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𝒟ℯ𝓈𝓅ℯ𝓇𝒶𝓉ℯ Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt