Kapitel 6

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„Was machst du gerade?"
„Nichts, Dem", seufzte er und wandte sich von seinem Massenspektrometer ab.
Wie lange es dauern würde, bis er herausfand was Black Hat alles zusammengemischt hatte, wusste er nicht, aber er hoffte, dass es schnell ging.
„Woah, ist hier was in die Luft geflogen?", meinte sie und schnüffelte kurz.
„Möglich..."
„Warum war ich nicht anwesend? Es ist immer wieder genial, wenn etwas explodiert! Kabumm!"
Sie sprang den Doktor von hinten an, klammerte sich an seinen Rücken. Er verdrehte nur die Augen, verschränkte die Arme vor der Brust.
„Musst du nicht irgendwo irgendwas kaputt machen?", fragte er genervt und sie schüttelte den Kopf.
„Nö...Ich hab genug Zeit dich zu ärgern", kicherte sie und er atmete tief durch, versuchte sie zu ignorieren.
„Da fällt mir ein - wann hast du eigentlich das letzte Mal etwas gegessen?"
„Keine Ahnung. Warum interessiert es dich?", brummte er und sie legte ihren Kopf auf seine Schulter.
„Weil du immer so launisch bist, wenn du nichts gegessen hast", meinte sie und er schnaubte belustigt.
War das ein Wunder? Allein von Kaffee und Tabletten konnte man nicht überleben...
„Weißt du was, Fluggy...Ich lass dich in Ruhe weiterarbeiten, wenn du dafür mit mir rauf gehst und etwas zu Essen machst", schlug sie vor und er wägte ab.
Er konnte sie den ganzen restlichen Tag an der Backe haben oder aber die nächste Stunde dafür sorgen, dass sie die Küche nicht abfackelte. Einfache Entscheidung.
„Wir gehen Kochen, aber du lässt mich danach wirklich weiterarbeiten", willigte er ein und aufgeregt quietschend sprang sie von seinem Rücken, packte ihn an der Hand und zog ihn mit sich.
„Oki Doki, Dr.!", kicherte sie und er ließ sich seufzend von ihr mitziehen. Die Treppe hoch und dann durch den dunklen Flur in die Küche.
Als sie durch das Haus eilten, stellte er mal wieder fest, dass eigentlich nur in seinem Labor und der Küche alles hell beleuchtet war. Im gesamten restlichen Anwesen herrschte ein rötliches Dämmerlicht vor, brachte die düstere Stimmung des Gebäudes noch besser zur Geltung. Dabei würden die ganzen Gemälde schon reichen um die Meisten in die Flucht zu schlagen.
Sie passierten 5.0.5., der erneut am Abstauben war und ihnen einen verwirrten Blick hinterher warf.
Endlich in der Küche angekommen ließ Dementia ihn wieder los und griff sich sofort eine Pfanne.
„Pancakes oder Steaks?"
Egal wie sehr er Pancakes liebte, sein Magen rief nach etwas anständigerem, deshalb fiel seine Wahl auch auf das Steak.
Es dauerte nicht lange und Dem hatte es – trotz seinem Versuch sie aufzuhalten – geschafft die Pfanne in Brand zu setzten und gerade noch so konnte er das Fleisch retten, doch das Feuer griff bereits auf die hölzerne Küchenzeile über, breitete sich aus.
„Nicht mit Wasser löschen!"
Doch zu spät.
Dem hatte den Messbecher bereits entleert und die darauffolgende Stichflamme fuhr fauchend zur Decke, setzte seinen Kittel und ihren Pferdeschwanz in Brand.
Von ihrem Gekreische aufgeschreckt kam nun auch 5.0.5. in die Küche, erfasste schnell das Chaos und hastete sofort los um einen Feuerlöscher zu besorgen.
Flug inzwischen war es egal.
Er hatte keinen Nerv für solche Aktionen.
Noch immer brennend nahm er seinen Teller samt Besteck und stapfte aus der Küche, zurück ins Labor. Rauchschwaden folgten ihm und langsam wurde der Spezialstoff des Kittels hitzedurchlässig, doch er schaffte es ihn im Labor ohne Hektik auszuziehen und zu löschen, bevor sich richtige Löcher hinein brennen konnten.
Die Tür zum Labor verschloss er, setzte mit einem Knopfdruck ein Energiefeld in Kraft, welches jegliche Art von elektrischem Gerät außer Betrieb setzte. So abgesichert nahm er seine Tüte ab und widmete sich seinem Steak.
Leider wurde damit auch das gesamte Labor lahmgelegt, was bedeutete, dass sich seine Arbeit verzögerte.
Na toll...
Obwohl, so war es immer noch besser, wie wenn Dementia ihre Langeweile in Zerstörungswut umwandelte. Das hätte ihn noch weiter zurückgeworfen.
Seufzend und nachdenklich aß er sein Steak, dann setzte er sich wieder die verfluchte Papiertüte auf und deaktivierte das Feld. Teller und Besteck stellte er zu seinem großen Haufen ungespülter Kaffeetassen, entriegelte wieder die Labortür.
Es würde nicht lange dauern und 5.0.5. käme das Geschirr hohlen, so wie immer. Er warf einen kurzen Blick zum Massenspektrometer, registrierte, dass dieser noch Zeit benötigte und wandte sich wieder seinen Chemikalien zu.
Er würde einfach dort weiter machen, wo er unterbrochen worden war - dem explosiven Gelee.
Die Zeit verstrich und obwohl er es – trotz seinem Unwohlsein gegenüber seinen nackten Armen - vorgezogen hatte, seinen Kittel nicht anzuziehen, rann ihm der Schweiß von der Stirn, angetrieben von der Hitze des Bunsenbrenners und dem Druck, den er sich selbst machte.
Er wollte die Pistole noch an diesem Tag fertigstellen und den ersten der vier angeforderten Roboter beginnen. Das hieß, er hatte dafür nicht einmal mehr sieben Stunden Zeit.
Daraus ergab sich, dass er mehrere Aufgaben gleichzeitig erledigte, von einem Eck des Labors zum anderen hastete, eine Schraube festzog, nur um kurz darauf zurückzurennen um das Gelee umzurühren.
Mehr als einmal stolperte er und konnte sich gerade noch fangen.
Der Lohn bestand darin, dass er schnell vorwärts kam.
„Noch einen Tropfen...", murmelte er zu sich selbst, beobachtete die schwarze Flüssigkeit, die er in das fast vollendete Gelee träufelte. Die Sekunden zogen sich, gaben seinem Kopf genügend Zeit sich darüber Gedanken zu machen, was alles schiefgehen konnte und welche Folgen daraus entstehen konnten.
Es waren alles keine schönen Vorstellungen.
Erleichtert atmete er auf, als der Tropfen endlich fiel und das Gelee die gewünschte dunkellilane Färbung annahm. So schnell wie möglich befüllte er die Kapseln, packte sie in eine Schachtel und versiegelte sie.
Eine Aufgabe weniger...
Schwungvoll wandte er sich um, hastete wieder einmal quer durch das Labor, vergaß, dass vorhin eine Schachtel Schrauben heruntergefallen war und ihren Inhalt verteilt hatte.
Die Erkenntnis ereilte ihn, als ihm die Füße weggezogen wurden und er rücklings fiel.
Bevor er jedoch schmerzhaft auf den Boden aufschlagen konnte, fingen ihn zwei starke Arme von hinten auf und hielten ihn fest. Zuerst wollte er aus Reflex 5.0.5. danken, doch dann erblickte er die schwarzen Handschuhe und den gleichfarbigen Trenchcoat.
„Wa-...Sir?"
„Vorsichtig, Dr. Sie haben sich schon zu oft verletzt", meinte es leise hinter ihm und der Dämon stellte ihn fest auf die Füße, machte jedoch keine Anstalten ihn los zulassen.
Verwirrt wagte Flug sich nicht zu rühren, versuchte sich nicht vorzustellen, was alles geschehen konnte. Black Hat könnte ihm den Hals umdrehen, wenn er herausfand, was er da gerade tat - dass er Zeichen von Zuneigung verteilte, noch dazu mit seiner miesen Entschuldigung von einem Wissenschaftler.
Eigentlich hatte er gedacht er könne nicht noch mehr schwitzen, doch er wurde eines besseren belehrt.
Das war alles falsch und verdammt gefährlich!
Das Massenspektrometer signalisierte, dass es seine Messungen abgeschlossen hatte.
„Um...Sir? I-ich m-mü-üss-ste d-da hin...", stammelte er und sein Chef legte seinen Kopf auf Flugs Schulter, sah zum Gerät.
„Kann das nicht warten?"
„I-ich fürchte nicht..."
Seufzend ließ sein Chef ihn los, verschränkte die Arme vor der Brust.
Flug atmete tief durch, dann wich er den Schrauben aus, zwängte sich durch Arbeitsbänke und Metallteile und kam schließlich vor dem kleinen Computer zum stehen, der die Testergebnisse der fremden Mischung beinhaltete.
Cannabidiole...Morphin...Bupropion...
Die Liste war noch etwas länger, doch Flug dämmerte, was mit seinem Chef nicht stimmte. Und er wusste nicht ob er deswegen lachen oder weinen sollte.
Anscheinend hatte Black Hat es geschafft eine Art "Liebestrank" zusammenzustellen und sich selbst damit zu infizieren. Und es gab nichts, was Flug tun konnte...
Er wusste nicht, wie lange die Wirkung andauern würde, aber er konnte sich gut vorstellen, wie der Dämon reagieren würde, sobald er wieder bei klarem Verstand war.
Er konnte förmlich dessen warmen Atem im Nacken spüren...
Erneut schlangen sich die Arme seines Chefs um seinen Bauch und Flug stieß einen wenig männlichen Aufschrei aus.
„Nicht erschrecken, Dr. Ich will dir doch gar nichts", murmelte es in seinem Rücken und er spürte, wie sich erneut ein ungewohntes Gewicht auf seiner Schulter platzierte.
Mit aller Macht unterdrückte er ein ängstliches Wimmern, riss sich zusammen.
„Sir? W-wie f-fühlen S-sie sich?"
Er musste immerhin damit anfangen ein Gegenmittel zu finden, dann würde er vielleicht am Leben bleiben...
„Ausgezeichnet! Mir ging es selten so gut", grinste Black Hat und kuschelte sich mehr an seinen Wissenschaftler, dem die Nähe langsam unangenehm wurde.
Es war nicht der Umstand das er umarmt wurde - er liebte Umarmungen - es war eher der Gedanke daran, was geschehen könnte, sollte Black Hat zu sich kommen.
Oder noch schlimmer - Dementia würde das Labor betreten.
„Außerdem hast du mir diese Frage schon einmal gestellt."
Flug atmete tief durch, schloss die Augen und zählte bis zehn. Er musste dies wie jedes andere Experiment angehen - ruhig und bestimmt.
„Ihr Zustand hätte sich im Laufe der Zeit verschlechtern können, Sir", erklärte er ruhig, hielt die Arme auf der Arbeitsfläche.
„Sie sind nicht Sie selbst, Sir und ich denke dass wissen Sie auch. Also geben Sie mir bitte eine ehrliche Antwort - wie geht es Ihnen gerade?", meinte er mit fester Stimme und wandte sich um, zwang Black Hat damit ihn los zu lassen.
Auch wenn es anstrengend war, versuchte er sich Black Hat nicht als seinen Chef, sondern einen unglücklichen Passanten zu sehen, den er per Zufall für seine Experimente ausgewählt hatte.
„Nun gut... zu aller erst bin ich beeindruckt, Dr. solche Entschlossenheit bin ich gar nicht von dir gewohnt! Gefällt mir... Aber dann muss ich dich jedoch korrigieren. Ich finde überhaupt nicht, dass mir etwas fehlt. Was deine Frage anbelangt - ich habe diese Frage schon zweimal beantwortet", entgegnete der Dämon ruhig und verschränkte erneut die Arme vor der Brust.
Doch diesmal wirkte er dabei mild beleidigt, vielleicht sogar schmollend. Er verstand anscheinend nicht, was Flug genau von ihm wollte.
Besagter Wissenschaftler vergrub das papierte Gesicht in den Händen und dachte nach, konnte ein Gähnen nicht unterdrücken.
Er musste zuerst etwas von dem Gemisch reproduzieren, dann erst konnte er mit einem Gegenmittel anfangen...
Nicht zu vergessen, dass er noch die Roboter und die Pistole fertigstellen musste.
Er gähnte erneut, öffnete eine der unzähligen Schubladen. Sie war bis zum Rand gefüllt mit den gleichen Verpackungen, genug Tabletten um ein halbes Jahr nicht zu schlafen.
Modafinil – ein Mittel, eigentlich verwendet um Narkolepsie zu behandeln. Für seine Zwecke war es jedoch gerade gut genug. Leider hatte sich sein Körper bereits ziemlich an das Medikament gewöhnt und deshalb waren seine Dosierungen nicht gerade niedrig.
„Was machst du?"
Vor Schreck zuckte Flug zusammen, ließ die Schachtel fallen.
Er hatte schon komplett verdrängt, dass sein Chef noch immer im Labor stand.
Ein skeptischer Ausdruck lag auf seinem schiefgelegtem Kopf, als er akribisch beobachtete, wie Flug die Schachtel wieder aufhob.
„Arbeiten", meinte der Dr. ausweichend und zog ein Blister hervor, drückte sich die Hälfte - acht Tabletten - in ein extra dafür vorgesehenes Reagenzglas, Schritt dann damit quer durch das Labor zu einem der Waschbecken, ließ etwas Wasser in das Gefäß.
Black Hat inzwischen inspizierte die Tablettenpackung.
Mit Routine schüttete Flug die Tabletten hinunter, verzog wie immer leicht das Gesicht aufgrund des Geschmacks. Daran würde er sich nie gewöhnen...
„Flug. Was genau sind das für Tabletten?", wollte sein Boss wissen und er atmete tief durch.
„Modafinil, Sir. Hilft dabei nicht zu schlafen", antwortete er knapp, nahm ihm die Schachtel ab und verschloss die Schublade.
„Das ist also dein kleines Geheimnis. Du schläfst tatsächlich nicht", murmelte Black Hat und Flug zuckte mit den Schultern.
„Wenn es viel Arbeit gibt, so wie jetzt gerade..."
„Ich verstehe...", seufzte sein Boss und fuhr sich mit einer Hand über den Nacken.
„Dann werde ich nicht weiter stören."
Der Wissenschaftler nickte und wandte sich dann seinen Chemikalien zu.
Zögerlich verschwand Black Hat im Nichts.

Villainous -  Accidentally in LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt